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Interview von Hermann Gröhe in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“
CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe gab der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (heutige Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte Günter Bannas.
FAZ: Herr Gröhe, der bisherige Umweltminister Norbert Röttgen wurde am vergangenen Mittwoch von Bundeskanzlerin Angela Merkel entlassen. Jetzt erst äußern Sie sich öffentlich dazu. Normalerweise sind Sie schneller mit Erklärungen. Warum plötzlich so langsam?
Gröhe: Die Kanzlerin hat am vergangenen Mittwoch das Entscheidende gesagt. Mir geht es darum, dass wir nun möglichst schnell den Blick nach vorne richten. Auf uns wartet viel Arbeit.
FAZ: Röttgen kam mit Ihnen 1994 zusammen in den Bundestag. Beide aus Nordrhein-Westfalen. Sie gehörten beide zur "Pizza-Connection" - sprachen mit den Grünen und ärgerten Helmut Kohl. War er Ihnen auch ein persönlicher Freund?
Gröhe: Wir waren und wir sind freundschaftlich verbunden.
FAZ: Wären Sie Bundeskanzler, hätten Sie Röttgen entlassen?
Gröhe: Nach der dramatischen Wahlniederlage in Nordrhein-Westfalen war eine neue Situation entstanden. Gleichzeitig gibt es bei der Umsetzung der Energiewende Verhakungen. Ich erinnere daran, dass im Bundesrat eine Zweidrittelmehrheit gegen die Kappung der Solarförderung zustande gekommen war. Natürlich ist dafür Norbert Röttgen wahrlich nicht allein verantwortlich. Aus meiner Sicht gab es aber ein berechtigtes und sehr nachvollziehbares Anliegen, durch einen personellen Neuanfang neuen Schwung in die Umsetzung der Energiewende zu bringen.
FAZ: Bis zum Wahltag wurde Röttgen als Umweltminister gelobt. Auch am Wahlabend selbst wurde noch gesagt, er müsse nicht zurücktreten. Was geschah danach?
Gröhe: Natürlich müssen alle Beteiligten eine so schwere Niederlage erst einmal verdauen. Es war auch nicht so, dass wir am Abend der Nordrhein-Westfalen-Wahl schon mit allen Überlegungen fertig waren. Über die Auswirkungen dieser dramatischen Niederlage und ihre Ursachen wurde natürlich intensiv weiterdiskutiert. Dazu gehörte die Frage, ob Norbert Röttgen noch die erforderliche politische Durchsetzungskraft für die Umsetzung der Energiewende hat.
FAZ: Wurden Sie als Generalsekretär in die Meinungsbildung der Bundeskanzlerin einbezogen?
Gröhe: Als CDU-Generalsekretär arbeite ich ausgesprochen vertrauensvoll mit der Parteivorsitzenden und Bundeskanzlerin zusammen. Dazu gehört auch, dass ich über vertrauliche Gespräche nicht öffentlich spreche.
FAZ: Gehörte auch Röttgens Zögern, in jedem Falle nach Düsseldorf zu wechseln, zu den Gründen, die zu seiner Entlassung beitrugen?
Gröhe: Jedenfalls sind sich heute alle einig, dass Röttgens Zögern mit zu dem schlimmen Ergebnis geführt hat. Der desaströse Wahlausgang, der ursächlich mit strategischen Entscheidungen des Spitzenkandidaten zusammenhängt, berührt natürlich seine Durchsetzungskraft. Ich bedauere das sehr, auch weil es für Norbert Röttgen eine bittere Entscheidung ist. Auch mich als seinen langjährigen Weggefährten lässt so etwas nicht kalt. Norbert Röttgen hat viel für unser Land und die CDU getan. Aber das Wahlergebnis einerseits und die Notwendigkeit andererseits, bei der Umsetzung der Energiewende einen großen Sprung nach vorn zu machen, zwangen zur Entscheidung. Ich bin überzeugt, dass Peter Altmaier, der über eine sehr große Zustimmung in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion verfügt, mit ganzer Entschiedenheit die Energiewende voranbringt.
FAZ: Gab es für die Entlassung Röttgens Gründe, die ursächlich nichts mit dem Ausgang der Landtagswahl zu tun haben?
Gröhe: Die Entscheidung der Bundeskanzlerin beruht auf dem Wunsch, die Energiewende unbelastet voranzubringen, und ist ihr sicherlich nicht leichtgefallen.
FAZ: Hätte Norbert Röttgen das Angebot der Bundeskanzlerin annehmen müssen, von sich aus das Amt des Bundesumweltministers niederzulegen?
Gröhe: Es ist müßig, über persönliche Gespräche und Entscheidungen noch einmal zu diskutieren.
FAZ: Finanzminister Schäuble und der Fraktionsvorsitzende Kauder haben die Entscheidung der Bundeskanzlerin als "nachvollziehbar" bezeichnet - ein ziemlich distanziertes Treuebekenntnis. Nachvollziehbar ist in der Politik so ziemlich alles.
Gröhe: Nein, Wolfgang Schäuble und Volker Kauder haben deutlich gemacht, dass der für die Energiewende zuständige Bundesminister höchste Akzeptanz und Durchsetzungskraft braucht. Er muss unterschiedliche Positionen zwischen Bund und Ländern oder auch innerhalb der Koalition zusammenführen. Das wird erleichtert, wenn der Minister nicht die Last einer schweren Wahlniederlage zu tragen hat. Ich halte die Entscheidung für richtig.
FAZ: Norbert Blüm nannte die Entlassung vom Umgang her unmenschlich und der CDU nicht würdig.
Gröhe: Es war eine schwierige Entscheidung, die auch mit menschlichen Härten verbunden war. Ich sage aber ganz offen: Ich kenne sehr viele - nun ehemalige - Landtagsabgeordnete der CDU in Nordrhein-Westfalen, für die der Wahlausgang ebenfalls erhebliche Folgen hatte, menschlich wie beruflich. Und natürlich kann eine Entscheidung, die menschlich schwierig ist, von der Sache her richtig sein. In anderen Bereichen, ich nenne die Wirtschaft und den Sport, werden ebenfalls schwierige Entscheidungen getroffen. Angela Merkel geht es wie dem Trainer einer Mannschaft. Sie muss entscheiden, wer spielt, wer hilft der Mannschaft am besten auf dem Weg zum Erfolg - auch wenn dies nicht immer leicht ist.
FAZ: Muss sich die Bundes-CDU mehr als bisher um die Landespartei kümmern?
Gröhe: Die CDU Nordrhein-Westfalen steht vor Entscheidungen über eine personelle Neuaufstellung sowie ihre strategische Positionierung. Diese Herausforderungen wird sie in eigener Verantwortung meistern. Schon im Landtags-Wahlkampf hat es nicht gutgetan, dass von außen lautstarke Ratschläge gegeben wurden. Aber natürlich sind auch in Berlin aktive Politiker, die so wie ich aus Nordrhein-Westfalen kommen, in der Pflicht, ihrer Partei in schwieriger Zeit zu helfen. Der größte CDU-Landesverband ist für die ganze Partei von großer Bedeutung und kann sich daher auf unsere politische Unterstützung verlassen.
FAZ: Sie selbst wollen ja nicht für den Landesvorsitz kandidieren. Haben Sie einen Favoriten?
Gröhe: Ich sehe meine Aufgabe als Generalsekretär der Bundespartei nicht darin, der Landespartei öffentlich zu empfehlen, wen sie wählen sollte. Gerade jetzt erscheint es mir notwendig, dass die Landespartei durch einen Landespolitiker geführt wird.
FAZ: Sollen Landesvorsitz und Fraktionsvorsitz im Landtag in einer Hand liegen?
Gröhe: Das muss die Landespartei entscheiden.
FAZ: Soll Röttgen Ihrer Meinung nach im Herbst wieder zum stellvertretenden CDU-Vorsitz kandidieren?
Gröhe: Auch das ist eine Entscheidung, die die NRW-CDU zu treffen hat. Ihr geht sicher die Entscheidung über die personelle Neuaufstellung der Landespartei voraus.
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