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Interview von Hermann Gröhe in der Fuldaer Zeitung
CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe gab der „Fuldaer Zeitung“ (heutige Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte Bernd Loskant.
Fuldaer Zeitung: In der Fuldaer CDU brodelt es: Vor einigen Wochen hat die Partei eine Mitteilung verbreitet, die die Überschrift trägt: „Bundes-CDU läuft dem Zeitgeist hinterher!“ Erwarten Sie bei der Regionalkonferenz heute die sibirische Kälte, die die Menschen in unserer Region normalerweise erst im Winter spüren?
Gröhe: Aus Fulda hat mich lediglich ein Brief erreicht, der die Ablehnung einer Gleichstellung von eingetragenen Lebenspartnerschaften beim Ehegatten-Splitting fordert. Dazu kann ich nur sagen: Sowohl die Parteivorsitzende Angela Merkel als auch ich haben immer wieder betont, dass wir uns ausdrücklich zur besonderen Förderungswürdigkeit von Ehe und Familie bekennen, also keinen Anlass für eine steuerrechtliche Gleichstellung sehen. Das entspricht sicher auch den Vorstellungen unserer Fuldaer Parteifreunde.
Fuldaer Zeitung: Dann ist die scharfe Kritik des Fuldaer Stadtverbandsvorsitzenden Dr. Wolfgang Dippel offenbar gar nicht zu Ihnen vorgedrungen. Auch im Vorfeld der Regionalkonferenz wurde gemunkelt, dass sich viele nicht trauen, offen Kritik zu üben, wenn die Kanzlerin da ist. Sind die Regionalkonferenzen nur eine Farce?
Gröhe: Überhaupt nicht! Die Regionalkonferenzen haben sich als Ort der offenen Aussprache bewährt. Mich beeindruckt es, wie viele Mitglieder ans Mikrofon treten und sagen, was ihnen unter den Nägeln brennt. Da gibt es kaum ein Thema, das nicht angesprochen wird. Und vor allem: Da wird von der Parteispitze nicht nur gesendet, sondern auch die Meinung der Basis empfangen. Zum Beispiel wurde unser Parteitagsbeschluss im vergangenen Jahr zu Lohnuntergrenzen maßgeblich geprägt von Diskussionen auf den vorangegangenen Regionalkonferenzen.
Fuldaer Zeitung: Aber dann müsste doch auch die Unzufriedenheit, die sich bei vielen Konservativen in der Partei regt, offen zu Tage treten. Ist die in Fulda spürbare Verärgerung über die Parteispitze ein Einzelfall?
Gröhe: Die Stimmung in der Partei ist deutlich zuversichtlicher als vor ein oder zwei Jahren. Die Europapolitik von Angela Merkel erfährt große Zustimmung in der Bevölkerung. Die steigenden Umfragewerte für die Union beflügeln unsere Mitglieder. Aber natürlich werden bei den Regionalkonferenzen auch die Sorge um die Stabilität unserer Währung angesprochen, die Energiewende oder das Thema Alterssicherung.
Fuldaer Zeitung: Heißt das, die Debatte um den Wandel der CDU bei Grundpositionen wie Atomausstieg, Wehrpflicht oder Homo-Ehe ist beendet?
Gröhe: Eine lebendige Volkspartei lebt von der Debatte! Aber ich möchte festhalten: Bei den genannten Themen sind wir nicht von Grundpositionen abgewichen. Wir sind die einzige politische Partei in Deutschland, die ohne Wenn und Aber an der besonderen Förderungswürdigkeit von Ehe und Familie festhält. Wir sind und bleiben die Partei der äußeren Sicherheit. Und gerade deshalb hat ein Bundesparteitag entschieden, dass eine auf Professionalität und Freiwilligkeit beruhende Armee den heutigen Sicherheitsherausforderungen besser gerecht werden kann als eine Wehrpflichtarmee. Wir haben nach Fukushima beschlossen, den bereits eingeschlagenen Weg hin zu erneuerbaren Energien zu beschleunigen. Auch dies wird von einer sehr deutlichen Mehrheit in der Partei getragen.
Fuldaer Zeitung: Diskutiert wird in der Partei derzeit Einiges, was aus dem Hause von Arbeitsministerin Ursula von der Leyen kommt: Zuschussrente, Mindestlohn, Umverteilung von Vermögen, Frauenquote in Unternehmen. Setzt die Ministerin da auf die richtigen Themen?
Gröhe: Einen linken Umverteilungsstaat lehnen wir entschieden ab. Im Gegensatz zur SPD, die einen Staat will, der den Reichen nimmt und den Armen gibt, sind wir die Partei der Sozialen Marktwirtschaft. Wir wollen Chancen für Alle durch Vollbeschäftigung, keine Steuererhöhungen. Mit dem Schutz vor Altersarmut hat Frau von der Leyen zu Recht ein wichtiges Thema aufgegriffen. Jetzt gibt es weitere Vorschläge aus der Jungen Union, aus der CSU und auch aus der FDP. Ich bin zuversichtlich, dass wir das inhaltlich gut zusammenführen können.
Fuldaer Zeitung: Eine unendliche Geschichte ist auch das Betreuungsgeld, das von der FDP, aber auch von großen Teilen der Union abgelehnt wird. Wagen Sie mal eine Prognose: Wie wird die Lösung am Ende aussehen?
Gröhe: Durch den Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz machen wir den elterlichen Willen zum Maßstab, während SPD und Grüne Lebensmodelle gegeneinander ausspielen. Wir wollen auch Eltern, die für ihre Kinder keinen Kita-Platz in Anspruch nehmen, eine Förderung zukommen lassen. Und deshalb wird es das Betreuungsgeld geben.
Fuldaer Zeitung: Union und FDP haben sich auf SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück eingeschossen. Nun ist bekannt, dass auch Spitzenpolitiker von Union und FDP keine Kostverächter sind, wenn es um gut dotierte Nebentätigkeiten geht. Was ist an Steinbrücks Verhalten verwerflich?
Gröhe: Es geht nicht darum, jede Nebentätigkeit in Zweifel zu ziehen. Aber es muss schon kritisch nachgefragt werden dürfen. Dafür gibt es die Transparenzvorschriften. Herr Steinbrück will das wichtigste politische Amt übernehmen – und die SPD betreibt einen harten Anti-Banken-Wahlkampf, bei dem SPD-Chef Gabriel Teile des Bankgewerbes in die Nähe der organisierten Kriminalität rückt. In einer solchen Situation berührt es die Glaubwürdigkeit des Kandidaten, wenn er genau aus dieser Branche Spitzenhonorare für Vorträge erhalten hat.
Fuldaer Zeitung: Steinbrück fordert nun volle Transparenz – alle Abgeordneten sollen ihre Nebeneinkünfte auf Heller und Pfennig offenlegen. Was spricht dagegen?
Gröhe: Damit lenkt Herr Steinbrück von der eigentlichen Debatte ab. Denn die Frage ist ja nicht: Reichen die Transparenzvorschriften aus? Im Falle von Steinbrück sieht man ja, dass sie funktionieren. Denn sie haben ihre Aufgabe, dass im Zweifel Interessenskonflikte offengelegt und Nachfragen ermöglicht werden, erfüllt.
Fuldaer Zeitung: Aber noch transparenter wäre es doch, alles offenzulegen?
Gröhe: Man muss einen Unterschied machen: Ein Ex-Minister, der im Ministeramt erworbenes Fachwissen mit Vorträgen marktgerecht versilbert, ist etwas anderes als ein Handwerksmeister oder ein mittelständischer Unternehmer, dessen Sachverstand dem Parlament guttut.
Fuldaer Zeitung: Derzeit müssen die Einkünfte von Nebentätigkeiten nur in drei Stufen angegeben werden. Reicht das also aus?
Gröhe: In der Rechtstellungskommission des Bundestags wird seit längerem über die Einführung weiterer Stufen nachgedacht. Das könnte in der Tat ein geeignetes Mittel sein.
Fuldaer Zeitung: In der großen Koalition galten die Bundeskanzlerin und Herr Steinbrück als verlässliche Partner. Mal ganz plakativ gefragt: Warum darf Steinbrück kein Kanzler werden?
Gröhe: Peer Steinbrück war ein erfolgloser Ministerpräsident in Nordrhein-Westfalen, und er war unter Führung von Angela Merkel in der großen Koalition ein guter Finanzminister. Aber er tritt für eine nach links gerückte SPD an, deren Programm vor allem aufs Umverteilen setzt. Eine solche Politik ist nicht geeignet, die bislang positive wirtschaftliche Entwicklung zu verstetigen, um unser Ziel Vollbeschäftigung zu erreichen.
Fuldaer Zeitung: Durch die Schwäche der FDP glauben nicht wenige an eine Neuauflage der großen Koalition. Wie will Schwarz-Gelb in dem verbleibenden Jahr bis zur Wahl das Ruder noch rumreißen?
Gröhe: Heute vor einem Jahr glaubte Rot-Grün an einen sicheren Sieg. Von dem sind sie weit entfernt. Ein Jahr ist jede Menge Zeit. Die Union ist auf einem guten Weg, wie unsere steigenden Umfragewerte zeigen. Ich bin davon überzeugt, dass die FDP dem nächsten Bundestag angehören wird. Deshalb wird es an uns gemeinsam liegen, die Menschen durch gute Arbeit zu überzeugen. Dabei stehen an erster Stelle die Stabilität unserer Währung und die wirtschaftliche Entwicklung.