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Interview von Hermann Gröhe in der Zeitung DIE WELT
WELT: Herr Gröhe, machen Sie sich schon mit den Einzelheiten der Energiewende vertraut?
Gröhe: Selbstverständlich.
WELT: Dann können Sie ja Umweltminister werden, wenn Norbert Röttgen nach Düsseldorf wechselt...
Gröhe: Ich bin sehr optimistisch, dass Norbert Röttgen zum Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen gewählt wird. Aber ich bin mit Begeisterung Generalsekretär und möchte meine Arbeit über die siegreiche Bundestagswahl hinaus gerne fortsetzen.
WELT: Kann Röttgen einfach nach Berlin zurückgehen, wenn er die Landtagswahl verliert?
Gröhe: Nach dem grandiosen Scheitern von Rot-Grün haben wir gute Chancen, die Wahl zu gewinnen. Alles andere sind Spekulationen. Norbert Röttgen wird hervorragende Arbeit leisten - ob in Düsseldorf oder Berlin.
WELT: Die Demoskopen sagen eine rot-grüne Mehrheit voraus. Hilft der CDU ein Kandidat auf Durchreise?
Gröhe: Norbert Röttgen ist durch und durch Rheinländer, der mit Herz und Verstand für eine gute Zukunft Nordrhein-Westfalens eintritt. Eine solch gute Zukunft für Nordrhein-Westfalen erfordert keinen neuen Oppositionsführer, sondern einen neuen Ministerpräsidenten.
WELT: Röttgen wird von Parteifreunden aufgefordert, keine Rückfahrkarte zu lösen...
Gröhe: Ich halte nichts von öffentlicher Nachbereitung dieser Frage. Jetzt steht die politische Auseinandersetzung mit Frau Kraft im Mittelpunkt. Rot-Grün ist in NRW krachend gescheitert. Darüber werden wir in den nächsten Wochen mit den Menschen sprechen. Frau Kraft hat eine unverantwortliche Schuldenpolitik betrieben und auf die Unterstützung der Linkspartei gesetzt. Es wird höchste Zeit, das Ruder herumzureißen.
WELT: Der Solidarpakt Ost ist zum Wahlkampfthema West geworden. Fließen Fördermittel in die falsche Richtung?
Gröhe: Die SPD hetzt mal wieder die Leute gegeneinander auf, statt selbst etwas für die Menschen zu tun. Frau Kraft sagt, sie stelle den Solidarpakt nicht in Frage. Und was passiert jetzt? Sie schickt ihre SPD-Ruhrgebietsbürgermeister vor, die genau das machen. Frau Kraft will nur davon ablenken, dass ihre Landesregierung versagt hat und den Kommunen nicht wirklich hilft. Für die unionsgeführte Bundesregierung ist die Stärkung und Wiederherstellung kommunaler Handlungsfähigkeit ein ganz wichtiges Ziel.
WELT: Das merkt nicht jeder.
Gröhe: Die wachstumsorientierte Wirtschaftspolitik der Bundesregierung trägt wesentlich dazu bei, dass wir bei den Gewerbesteuern auch in Nordrhein-Westfalen einen deutlichen Anstieg haben. Außerdem übernimmt der Bund schrittweise die milliardenschweren Kosten der Grundsicherung im Alter, die Rot-Grün den Städten und Gemeinden aufgebürdet hatte. Wir können mit Fug und Recht behaupten: Die CDU steht fest an der Seite der Kommunen. Die SPD spaltet die kommunale Familie in NRW, indem sie den vermeintlich Reichen das Geld wegnimmt, um es anderen zu geben.
WELT: Tatsache bleibt: Im Osten geht es vielen Gemeinden besser als im Westen...
Gröhe: Es ist unfair, eine marode Straße in Oberhausen mit dem Platz vor der Frauenkirche in Dresden zu vergleichen. Neben den stolzen Leuchttürmen gibt es im Osten noch viel zu tun. Wir als CDU stehen deshalb zum Solidarpakt bis 2019. Es ist unanständig, wenn die SPD die Menschen gegeneinander in Stellung bringt anstatt zusammen die Dinge anzupacken.
WELT: Würde sich die CDU auf die Grünen einlassen? Deren Stratege Jürgen Trittin sagt, Schwarz-Grün schade allen Beteiligten...
Gröhe: Sollte sich Jürgen Trittin als linker Grüner einmal für Schwarz-Grün aussprechen, müssten wir uns fragen, ob wir etwas falsch gemacht haben. Bei den Grünen findet gerade ein beispielloses Hauen und Stechen statt. Als ökologisch gesonnener Christdemokrat ist man versucht, Artenschutz für grüne Realos zu verlangen.
WELT: In Hamburg ist die CDU abgestürzt, und im Saarland droht an diesem Sonntag der Verlust der Staatskanzlei. Spricht für Trittins These...
Gröhe: In Frankfurt arbeitet Schwarz-Grün im Rathaus gut zusammen. In Hamburg haben sich die Grünen aus der Verantwortung gestohlen. Jamaika im Saarland ist an der Zerstrittenheit der FDP gescheitert. Man muss von Fall zu Fall genau hinsehen, was möglich ist. In Nordrhein-Westfalen gibt es Wichtiges, was CDU und Grüne trennt - etwa in der Industrie- und Infrastrukturpolitik. Aber es gibt auch Gemeinsamkeiten. In der Sozialpolitik, insbesondere beim Thema Generationengerechtigkeit, sind die Grünen eher bereit als die SPD, Realitäten anzuerkennen. Die CDU wird mit allen demokratischen Parteien, mit denen sie eine Mehrheit bilden kann, Gespräche führen.
WELT: Ist Schwarz-Grün 2013 auch im Bund möglich?
Gröhe: SPD und Grüne marschieren bei ihrer Identitätssuche stramm nach links, Reformen sollen zurückgedreht werden, und mit dem Sparen will man am liebsten wieder aufhören. Die Union hingegen will das Wirtschaftswachstum verstetigen, den Industriestandort modernisieren und die sozialen Sicherungssysteme zukunftsfest machen. Das ist am besten mit der FDP zu machen.
WELT: Planen Sie noch mit der FDP?
Gröhe: Wir kämpfen für eine starke Union und schauen nach der Wahl, mit wem wir unsere Politik am besten umsetzen können. Es wäre völlig falsch, 18 Monate vor der Bundestagswahl die FDP abzuschreiben. Es kommt jetzt darauf an, in der Koalition weiterhin fair miteinander umzugehen. Nervöse liberale Wahlkämpfer formulieren mitunter wenig koalitionsverträglich. Wir sollten nicht in die anfänglichen Unsitten der schwarz-gelben Koalition zurückzufallen. Die Menschen sollen uns beim Arbeiten zusehen und nicht beim Streiten. Die Zustimmungswerte der Kanzlerin, die in Europa ohne Beispiel sind, zeigen: Rackern für Deutschland wird von der Bevölkerung honoriert. Schielen auf kurzfristigen Profilgew inn stößt die Wähler ab.
WELT: Das klingt, als hätten Sie FDP-Chef Rösler noch nicht verziehen, dass er Joachim Gauck als Bundespräsidenten durchgesetzt hat...
Gröhe: Darum geht es mir nicht. Wir haben einen hervorragenden Bundespräsidenten. Den mitunter nicht leichten Weg bei der Meinungsbildung brauchen wir jetzt nicht mehr täglich zu kommentieren.
WELT: Gauck hat seine erste Rede als Staatsoberhaupt gehalten. Welchen Eindruck haben Sie gewonnen?
Gröhe: Joachim Gauck hat seine Amtszeit mit einer beeindruckenden und ermutigenden Rede begonnen. Neben der Betonung der Werte Freiheit und Gerechtigkeit bin ich dem Bundespräsidenten für sein klares Bekenntnis zu Europa sehr dankbar. Auch habe ich mich gefreut, dass er das Wirken seines Vorgängers Christian Wulff im Bereich Integration ausdrücklich gewürdigt hat und dieses fortsetzen will.
WELT: Herr Gröhe, in Frankreich wird ein neuer Staatspräsident gewählt. Sie haben der Partei von Nicolas Sarkozy die Unterstützung der Kanzlerin angeboten, doch dann erklärte der Präsident den Wahlkampf zur Sache der Franzosen. Ein Fauxpas?
Gröhe: Die CDU und die französische UMP sind freundschaftlich verbundene Parteien, die sich gegenseitig unterstützen. Ich habe mit meinem Angebot auf eine ausdrückliche Bitte der UMP reagiert. Gleichzeitig bleibt es dabei, dass jede Partei in Eigenverantwortung ihre Wahlkampfstrategie festlegt.
WELT: Sie haben Merkel in den europäischen Raum gestellt wie ein Paket, das nicht abgeholt wird...
Gröhe: Angela Merkel ist überaus beliebt in ganz Europa. Viele Franzosen wissen, dass sie ein Glücksfall für Europa ist. Wir sind zu der Unterstützung bereit, die aus Sicht unserer französischen Freunde besonders dienlich ist. Bemerkenswert finde ich auch, dass SPD-Chef Gabriel den Sozialisten Hollande euphorisch unterstützt, der nicht nur auf maßlose Schuldenmacherei und einen Spitzensteuersatz von 75 Prozent setzt, sondern auch den Fiskalpakt in Frage stellt - was Herr Steinbrück wiederum kritisiert.
WELT: Kommt es noch zu einem Auftritt der Kanzlerin in Paris?
Gröhe: Über die Art unserer weiteren Unterstützung entscheidet die UMP.
WELT: Es ist zu hören, Merkel sei verärgert wegen Sarkozys Sprunghaftigkeit. Stimmt das?
Gröhe: Angela Merkel ist sehr interessiert an der verlässlichen Zusammenarbeit mit Nicolas Sarkozy. Derartige Vermutungen entbehren jeder Grundlage.