tauber_bart_p0b9993_toko_780x439.jpg
Offene Herzen und klare Regeln
Frage: Herr Tauber, glaubt man den Meinungsforschern, sind der größte Feind der CDU das Alter und der Tod. Was macht die versprochene Runderneuerung?
Tauber: Alle großen Organisationen stehen vor den Herausforderungen einer älter werdenden Gesellschaft – Parteien, Kirchen, Vereine, selbst das Rote Kreuz und die Feuerwehr. Der Unterschied ist: Deren Arbeit ist unumstritten, über Parteien wird sehr oft abfällig geredet und berichtet. Das wird den vielen hunderttausend Ehrenamtlichen nicht gerecht, die unsere Demokratie am Laufen halten. Aber es gibt auch positive Entwicklungen: In Niedersachsen, wo Kommunalwahlkampf ist, steigen unsere Mitgliederzahlen.
Frage: Alles eine Soße – so lautet das FDP-Urteil über Union, SPD und Grüne. Wo sehen Sie das Alleinstellungsmerkmal der CDU?
Tauber: Drei Wörter: das christliche Menschenbild. Ich finde deswegen die Aussagen von FDP-Chef Lindner dumm. Denn er weiß genau, dass es nach wie vor erhebliche Unterschiede gibt: Nehmen Sie die Debatte um das Transatlantische Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA, das für Arbeitsplätze und Wohlstand bei uns so wichtig ist. Da sind die Grünen und die CDU Lichtjahre voneinander entfernt. Oder nehmen Sie die Europafeindlichkeit der AfD: So etwas würde es in der Europapartei CDU nie geben. Genauso wenig wie eine Debatte über den NATO-Austritt. Aber immerhin bleibt die FDP sich treu: Denen geht es nicht um Inhalte, sondern – siehe Rheinland-Pfalz – nur um Macht und Posten. Da hat sie wahrlich ein Alleinstellungsmerkmal.
Frage: Muss die Rente Wahlkampfthema werden, weil der CDU sonst ein fester Wählerstamm von der Fahne geht?
Tauber: In der Großen Koalition wurde so viel für Rentner getan wie lange nicht mehr: Verbesserung der Mütterrente, Rente mit 63 nach 45 Beitragsjahren, ein Rentenanstieg so stark wie seit über 20 Jahren nicht mehr. Nur drei Prozent der Rentner leben von Grundsicherung. Ich warne dringend davor, gute Dinge schlecht zu reden, wie es die SPD wegen ihrer schlechten Umfragewerte macht. Im Wahlkampf wird selbstverständlich über alles diskutiert, was den Menschen unter den Nägeln brennt. Wir müssen aber auch darüber reden, was die Grundlage für unseren Sozialstaat ist: eine starke Wirtschaft, die Wettbewerbsfähigkeit und Innovation braucht.
Frage: Drei Monate hat sich die Kanzlerin Zeit gelassen, um auf die Klageandrohung von CSU-Chef Seehofer in Sachen Flüchtlingspolitik zu antworten. Ist jetzt klar, wer Ober und wer Unter ist?
Tauber: Das ist in meinen Augen keine Kategorie. Entscheidend ist doch, dass Angela Merkels Plan, den wir auf unserem Parteitag im Dezember bekräftigt haben, aufgegangen ist: Sicherung der EU-Außengrenzen und Bekämpfung der Fluchtursachen. In Griechenland kommen pro Tag deutlich weniger als 100 Flüchtlinge an, nun müssen wir schauen, dass es zum Beispiel über Libyen keine neuen Routen gibt.
Frage: Zeit für ein Friedensangebot Seehofers?
Tauber: Wir sollten keine Debatten aufwärmen, sondern nach vorne blicken. Und vordringlich ist, dass Europa zusammenbleibt – das leitet unsere Kanzlerin.
Frage: Merkels schärfster Kritiker, der ungarische EU-Gegner Viktor Orbán, sieht die Kanzlerin jetzt auf seinem Kurs. Beifall von der falschen Seite?
Tauber: Ich empfehle, die Worte von US-Präsident Barack Obama wirken zu lassen. Er hat in Hannover mit einer eindrucksvollen Rede uns Europäer zur Einigkeit ermutigt. Diese Sicht von außen tut mancher Debatte gut.
Frage: Wenn alles so gut läuft, warum erlebt die CDU-Chefin dann massive Sympathieverluste?
Tauber: Wir hatten im letzten halben Jahr die größte Herausforderung seit der Deutschen Einheit zu bewältigen. Dass da die Umfragewerte nicht so sind, wie wir uns das wünschen, ist normal. Aber was viele vergessen: Die Union hat ein gutes Jahr vor der letzten Bundestagswahl zeitweise schlechter dagestanden als jetzt – und dann einen fulminanten Wahlsieg errungen. Wir krempeln die Ärmel hoch und packen an, dann wird das Vertrauen auch wieder steigen. Im Übrigen: Wenn Sigmar Gabriel die Zustimmungswerte der Kanzlerin hätte, würde er sich doch auf der Sänfte durchs Land tragen lassen.
Frage: Wen hat Merkel mehr enttäuscht: Die Anhänger ihrer Willkommenspolitik oder diejenigen, die Grenzen schließen wollen?
Tauber: Sie hat stets deutlich gemacht: Wir helfen Menschen, die vor Krieg fliehen mussten. Aber wer keinen Anspruch darauf hat, wird auch schnell wieder gehen müssen. Offene Herzen und klare Regeln – das ist für die CDU kein Widerspruch, sondern macht christdemokratische Haltung aus.
Frage: Der türkische Präsident Erdogan will sich seine Hilfe in der Flüchtlingskrise gut bezahlen lassen – mit besseren Chancen für den Beitritt zur EU. Wird es so kommen?
Tauber: Nein. Und er tut gerade auch alles dafür, sich weiter von Europa zu entfernen. Für die CDU bleibt es dabei: Ein Beitritt steht nicht auf der Tagesordnung.
Frage: Beim Gipfel mit der Türkei hat die EU das Ziel festgeschrieben, die Visapflicht für Türken spätestens bis Ende Juni aufzuheben…
Tauber: Erst muss die Regierung in Ankara die dafür festgelegten 72 Bedingungen erfüllen. Da liegt noch viel Arbeit vor ihr.
Frage: Die CSU warnt dringlich vor Eile und dem Import türkischer Probleme nach Deutschland…
Tauber: Die Verhandlungen sind kompliziert. Schnelligkeit ist da nicht das entscheidende Kriterium.
Frage: Zum Schluss: In Österreich erleben wir bei der Bundespräsidentenwahl einen massiven Rechtsruck. Schlechtes Omen für die bevorstehenden Wahlen in Deutschland?
Tauber: Das sehe ich nicht. Der Rechtspopulismus hat in Österreich eine lange Tradition. Und dort regiert seit Jahrzehnten – nur mit kleineren Unterbrechungen – eine Große Koalition. Das stärkt natürlich die Ränder. Deshalb kämpfen wir dafür, dass wir nach der nächsten Bundestagswahl zwischen mehreren möglichen Partnern auf der Tanzfläche wählen können – und da nicht nur Sigmar Gabriel rumsteht.
Frage: Schwarz-Grün ab 2017?
Tauber: Erstmal muss die Wahl gewonnen werden. Und dann wird uns die Frage leiten: Mit wem können wir am besten CDU-Politik umsetzen? Denn das ist gut fürs Land.
Die Fragen stellte Beate Tenfelde.