Merkel: "Den Menschen überzeugende Antworten geben"
"Ich will die christlich-liberale Koalition fortsetzen, und ich will mich als Bundeskanzlerin in der ganzen nächsten Legislaturperiode weiterhin für unser Land und die Menschen einsetzen", betonte Bundeskanzlerin Angela Merkel in der Bild-Zeitung. Die Menschen in unserem Land wollten wissen, was die Wahl für ihre Familie, ihre Arbeit und ihr Land bedeute. Die CDU werde darauf überzeugende Antworten geben, so Merkel weiter.
Das Interview im Wortlaut:
Bild: Frau Bundeskanzlerin, Anfang der Woche schrieb Bild von deutlichen Hinweisen, dass Sie bei einer gewonnen Wahl im Herbst dann 2015 freiwillig zurücktreten...
Angela Merkel: Nein, ich habe mich bisher immer, wenn ich mich um ein Amt beworben habe, ernsthaft geprüft, was genau damit für die Zukunft auch für mich ganz persönlich verbunden ist. So habe ich es auch jetzt wieder getan.
Bild: Und?
Merkel: Ich will die christlich-liberale Koalition fortsetzen, und ich will mich als Bundeskanzlerin in der ganzen nächsten Legislaturperiode weiterhin für unser Land und die Menschen einsetzen.
Bild: Würden Sie 2017 dann noch einmal antreten?
Merkel: Sie wissen doch, dass ich die Dinge dann entscheide, wenn Sie anstehen.
Bild: Wie wird der Wahlkampf 2013? Die SPD setzt auf Sozial-Themen. Was setzen Sie dagegen?
Merkel: Wegen einer Person allein wird eine Partei in Deutschland nicht gewählt. Und aus Dankbarkeit für das, was ihr in den letzten vier Jahren gelungen ist, auch nicht. Bei der Bundestagswahl entscheiden Millionen von Menschen darüber, was sie von der Politik für ihr Leben erwarten. Sie fragen sich, was bedeutet die Wahl für ihre Familie, ihre Arbeit, ihr Land? Auf diese Fragen möchte ich mit der CDU überzeugende Antworten geben.
Bild: Warum laufen Sie dann der SPD hinterher? Zum Beispiel bei der starren Frauen-Quote, die die CDU jetzt plötzlich auch will.
Merkel: Die CDU ist die große Volkspartei in Deutschland, die sich schon seit langem mit der Frage befasst, wie wir mehr Frauen in Spitzenpositionen bringen können. Und als Vorsitzende dieser Volkspartei nehme ich es ernst, wenn das quer durch alle Gruppierungen so viele meiner Kollegen bewegt.
Bild: Wichtige Wortführerin in dem Streit war Ministerin von der Leyen. Wurden Sie unter Druck gesetzt?
Merkel: Vielen Frauen in der CDU, nicht nur Ursula von der Leyen, ist die Gestaltung der Quotenfrage ein großes Anliegen. Fragen von Gleichstellung, Familienpolitik, auch das Betreuungsgeld – so etwas wird bei uns in der CDU immer mit sehr viel Herzblut diskutiert. Und man lernt: Nicht alle Frauen denken gleich.
Bild: Am Ende hat sich die Minderheit, die eine starre Quote will, durchgesetzt.
Merkel: Vergessen Sie nicht, dass schon unser Parteitagsbeschluss für die flexible Quote darauf verweist, dass wir für die Zukunft ein noch stärkeres Maß an Verbindlichkeit brauchen. Und genau dazu haben wir jetzt den Beschluss gefasst, eine feste Quote von 30 Prozent ab 2020 für die Aufsichtsratsmandate der mitbestimmungspflichtigen Unternehmen im Wahlprogramm festzuschreiben. Bis dahin soll die flexible Quote die Unternehmen per Selbstverpflichtung dazu bringen, mehr als bisher zu tun – und es gibt Hinweise, dass sich einiges bewegt. Erst danach greift die feste Quote.
Bild: Was sind im Vergleich dazu die großen Herausforderungen bis 2017?
Merkel: Erstens: Die Welt steht nicht still, andere Länder werden stärker. 90 Prozent des weltweiten Wachstums finden außerhalb Europas statt. China, Indien, Südkorea, Brasilien, sie alle machen enorme Anstrengungen, um aufzuholen, um immer bessere Produkte herzustellen. Das muss uns nicht einschüchtern, wir haben große Stärken – aber auf denen dürfen wir uns nicht ausruhen. Wenn wir unsere Spitzenerzeugnisse weiter weltweit verkaufen wollen, und daran hängen Millionen Arbeitsplätze, dann brauchen wir dafür noch bessere Bildung, noch bessere Bedingungen für unsere Wissenschaftler, die besten Fachkräfte. Und zweitens: Wie halten wir unsere Gesellschaft zusammen? Wir erleben einen tiefgreifenden demographischen Wandel, wir werden insgesamt weniger, durch die Migranten vielfältiger und im Durchschnitt älter. Auch das können wir bewältigen, es liegen sogar viele Chancen darin, aber wir müssen uns aktiv darauf einstellen.
Bild: Die SPD klagt, dass die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter aufgehe. Macht die CDU beim Wettrennen um die sozialste Politik mit?
Merkel: Die CDU ist die Partei der sozialen Marktwirtschaft. Für mich ist das eine Verpflichtung zu wirtschaftlich erfolgreicher und sozial ausgewogener Politik. Ich bin deshalb eine Gegnerin jeder Art von Vermögenssteuer oder einer Verschärfung der Erbschaftssteuer. Unsere wirtschaftliche Entwicklung ist nicht so robust, wie manche meinen, sie würde dadurch nur gefährdet. Soziale Politik heißt für mich auch, für Lohnuntergrenzen einzutreten, und zwar solche, die regionale und Branchenunterschiede berücksichtigen und nicht etwa einen von Politikern festgelegten Einheits-Mindestlohn. Viele Länder in Europa haben doch genau deshalb eine viel höhere Arbeitslosigkeit als wir, weil Löhne und Leistung bei ihnen zu weit auseinander klaffen.
Bild: Wie viel Abstand zwischen Arm und Reich verträgt Deutschland?
Merkel: Auf Dauer keinen zu großen, darauf müssen wir immer achten. Aber: Die Ungleichheit der Einkommen nimmt seit einigen Jahren wieder ab, weil so viele Menschen Arbeit haben wie seit 20 Jahren nicht. Und die Erwerbstätigenquote von Frauen ist seit 2005 auf über 70 Prozent gestiegen, auch dank der Kita-Angebote. Ein Arbeitsplatz schützt am ehesten vor Armut und ich bin froh, dass es uns allen zusammen, Bürgern, Wirtschaft, Gewerkschaften und Politik, gelungen ist, wieder mehr Arbeit zu schaffen.
Bild: Geht es in Deutschland nun ungerechter oder gerechter zu als früher?
Merkel: Für diejenigen, die nicht mehr arbeitslos sind, mit Sicherheit gerechter, denn durch ihre Arbeit können sie ganz anders am Leben teilnehmen. Seit ich Bundeskanzlerin bin, ist die Arbeitslosenzahl um knapp zwei Millionen gesunken, wurde die Jugend-Arbeitslosigkeit halbiert. Da müssen wir weiter machen. Natürlich müssen wir darauf achten, dass die sozialen und rechtlichen Bedingungen in den Betrieben stimmen. Aber weniger Beschäftigung und wieder mehr Arbeitslosigkeit wären das Unsozialste überhaupt.
Bild: Müssen wir dann auch alle länger arbeiten?
Merkel: Die Rente mit 67 wird schrittweise und bis 2029 gestreckt eingeführt. Sie ist angesichts unserer Altersentwicklung eine Notwendigkeit, wenn wir den jüngeren Generationen später auch Chancen bieten wollen. Dann schulden wir den Menschen aber, dass sie bis zum Rentenbeginn auch wirklich Arbeit haben. Zum Glück steigt die Zahl älterer Arbeitnehmer ständig, aber wir sind noch lange nicht am Ziel, die Unternehmen müssen noch viel mehr tun.
Das Interview führten Nikolaus Blome und Alfred Draxler. In: Bild-Zeitung, 18. April 2013.