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Bouffier: "Schwarz-gelbes Erfolgsmodell fortsetzen"
Motiviert, geschlossen und voller Tatendrang startet die CDU in Hessen in den bevorstehenden Landtagswahlkampf. Zeitgleich mit der Bundestagswahl am 22. September will Hessens Ministerspräsident Volker Bouffier (CDU) erreichen, dass die erfolgreiche Koalition aus CDU und FDP auch in Hessen fortgesetzt wird und eine der wirtschaftsstärksten Regionen der Bundesrepublik auch in Zukunft erfolgreich bleibt. Sowohl im Bund als auch im Land gelte: "Wer das Erfolgsmodell Deutschland weiterentwickeln will, hat jeden Grund, der CDU und Angela Merkel zu vertrauen", betonte Bouffier in einem Interview mit der „Welt“.
Lesen Sie hier das Interview in voller Länge:
Die Welt: Herr Ministerpräsident, haben Sie schon Pläne für die Zeit nach der Hessen-Wahl?
Volker Bouffier: Ja, wir wollen die Koalition von CDU und FDP unter meiner Führung fortsetzen. Hessen gehört zu den erfolgreichsten Regionen Europas. Es macht Spaß, hier zu arbeiten.
Die Welt: Es herrscht Wechselstimmung in Ihrem Land. Wie wollen Sie verhindern, dass im Herbst Thorsten Schäfer-Gümbel von der SPD in die hessische Staatskanzlei einzieht?
Bouffier: Wir wollen Wahlen gewinnen, keine Umfragen. In Hessen ist es immer sehr knapp gewesen in den letzten 20 Jahren, hier gibt es keine gesicherten Mehrheiten. Wir werden einen engagierten Wahlkampf führen und deutlich machen, dass es am 22. September um eine klare Richtungsentscheidung geht: Wollen wir noch mehr Staat, noch mehr Bürokratie, noch mehr Bevormundung, noch mehr Abkassieren? Oder setzen wir das schwarz-gelbe Erfolgsmodell in Deutschland und Hessen fort?
Die Welt: Ist Schwarz-Gelb nicht eher ein Auslaufmodell? Sie sind einer von drei verbliebenen Ministerpräsidenten der Union, die mit der FDP regieren...
Bouffier: Bei Landtagswahlen muss man jede Situation selbstständig bewerten. In Niedersachsen war es zuletzt denkbar knapp. Aber man muss nüchtern sehen, dass es eine Pendelwirkung gibt: Wer im Bund regiert, hat es in den Ländern schwerer. Ich bin zuversichtlich, dass wir sowohl im Bund als auch in Hessen erfolgreich sein werden.
Die Welt: Ihre Schwesterpartei CSU, die in Bayern mit den Liberalen koaliert, hat mit der Spezl-Affäre zu kämpfen: Minister und Abgeordnete haben Familienmitglieder auf Kosten der Steuerzahler beschäftigt. Mindert das die Chancen der Union im Wahljahr?
Bouffier: Ich halte diese bayerische Regelung schon für bemerkenswert. Sie steht dort aber im Gesetz. Und wenn ich das richtig sehe, waren außer der FDP alle dabei. Dass die SPD in ihrer Verzweiflung das jetzt zum Aufreger macht, kann ich verstehen. Aber Horst Seehofer hat die Dinge dort sofort geregelt. Und die Leute wissen schon, dass es am Ende um wichtigere Fragen geht.
Die Welt: Polarisierung vermeiden und den Gegner einlullen – lässt sich die Strategie des vergangenen Bundestagswahlkampfs wiederholen?
Bouffier: Wahlkämpfe haben doch einen relativ einfachen Zweck: dem Bürger klarzumachen, wofür die einen und wofür die anderen stehen. Das ist auch unsere Pflicht. Und daraus ergibt sich dann ganz automatisch eine Kontroverse. Ich halte wenig von der Idee, den Wahlkampf so anzulegen, dass man gar nicht über Themen redet. In der SPD geht doch nahezu alles schief. Steinbrück ist als Kanzlerkandidat verbrannt – egal, was er noch macht. Wer den Gewerkschaftsführer Wiesehügel, einen der radikalsten Bekämpfer der SPD, zum Arbeitsminister machen will, kann sich selbst nicht wirklich ernst nehmen. Wiesehügels Kollege Bsirske hat neulich formuliert, Steinbrück sei die Rückentwicklung vom Finanzminister zum sozialdemokratischen Basiskämpfer gelungen. Ja, genauso ist es. Ich bin sicher: Das wird ein munterer Wahlkampf. Mobilisieren werden wir – in Hessen allemal.
Die Welt: Wenn Schwarz-Gelb die Mehrheit verfehlt: Sind es Sozialdemokraten oder Grüne, die besser zur Union passen?
Bouffier: Wir müssen so viele Stimmen bekommen, dass gegen uns nicht regiert werden kann. Ich bin sicher, dass die Union in Deutschland wie in Hessen klar stärkste Partei bleiben wird. 40 Prozent plus X bleibt unser Ziel. Die Übereinstimmung mit den Freien Demokraten ist nach wie vor am größten. Wenn Grüne und Rote ernst meinen, was sie gerade beschlossen haben, kann man weder mit den einen noch mit den anderen regieren. In der Steuerpolitik unterscheiden sich SPD und Grüne nur noch minimal von der Linkspartei.
Die Welt: Wird es im Wahlprogramm der Union um Steuersenkungen gehen?
Bouffier: Das kann ich nicht erkennen. Ich sehe auch nicht, dass Steuersenkungen das Thema der Zeit sind.
Die Welt: Der Staat nimmt Steuern ein wie nie zuvor.
Bouffier: Wir haben uns Anspruchsvolles vorgenommen – sei es bei der Bildung, sei es bei der Infrastruktur. Ich würde niemandem Steuersenkungen versprechen.
Die Welt: Versprechen Sie wenigstens, dass die Steuern mit der Union nicht steigen?
Bouffier: Das muss unser klares Ziel sein.
Die Welt: Erhöht eine FDP, die für Mindestlohn und doppelte Staatsbürgerschaft eintritt, die Wiederwahlchancen von Schwarz-Gelb?
Bouffier: Ich bin dankbar, dass sich die FDP unserer Vorstellung einer Lohnuntergrenze auf tarifvertraglicher Basis angenähert hat. Da haben wir eine gute gemeinsame Grundlage. Bei der doppelten Staatsbürgerschaft ist das anders. Ich halte das geltende Optionsmodell für klug, und ich möchte, dass wir dabei bleiben. Man tritt doch niemandem zu nahe, wenn man ihm nach zehn Jahren mit zwei Pässen sagt: Entscheide dich! Zur Staatsbürgerschaft gehört auch ein Bekenntnis. Deutschland braucht keinen generellen Doppelpass. Die hessische FDP sieht das im Übrigen genauso.
Die Welt: Roland Koch, Ihr Vorgänger, hat seine erste Landtagswahl mit einer Kampagne gegen die doppelte Staatsbürgerschaft gewonnen. Wird das auch Ihr Joker?
Bouffier: Ich verrate Ihnen doch nicht, welchen Joker ich für den Wahlkampfendspurt habe. Ich sage nur, dass ich von Remakes wenig halte. Das klappt beim Film schon selten und in der Politik noch seltener.
Die Welt: Wie verändert die neue Partei Alternative für Deutschland die Lage?
Bouffier: Man muss die Situation um die AfD schon beachten und auch ernst nehmen, aber eine Partei, die nur Unbehagen verbreitet und keine konstruktiven Vorschläge macht, hat keine politische Zukunft. Jede Stimme für die AfD ist eine verschenkte Stimme. Wer das Erfolgsland Deutschland weiterentwickeln will, hat jeden Grund, Angela Merkel und der CDU zu vertrauen.
Die Welt: Unterstützen Sie die Forderung nach einer offensiveren Bekämpfung der AfD, wie sie auch der hessische CDU-Fraktionschef Christean Wagner in einem Protestpapier erhoben hat?
Bouffier: Ich akzeptiere ausdrücklich, dass sich jemand Gedanken macht, wie die CDU am meisten Stimmen bekommen kann. Aber ich halte wenig von Memoranden. Wir sollten die AfD nicht interessant machen, indem wir sie zum Hauptgegner aufblasen.
Die Welt: Ist eine Koalition mit der AfD vorstellbar?
Bouffier: Ich glaube nicht, dass diese Partei, die nur ein Thema hat, ins Parlament kommt. Die AfD hat keine Vorstellung von der Gestaltung unserer Zukunft. Der Vorschlag, aus dem Euro auszutreten, ist geradezu kindisch. Ein Zurück zur D-Mark würde zu einem ökonomischen Schiffbruch führen.
Die Welt: Sie sind lange in der Politik. Welchen Personen gehört die Zukunft in den bürgerlichen Parteien?
Bouffier: Solche Spekulationen sind sinnlos. 1998, nach der Abwahl des ewigen Kanzlers, wäre es eine kühne Vorhersage gewesen, dass Angela Merkel an die Spitze der CDU aufsteigt. Aber mir ist nicht bang. Wir hatten in Union und FDP immer gute Leute.
Die Welt: Sie hätten die junge Bundesministerin aus Hessen nennen können: Kristina Schröder.
Bouffier: Ich hätte viele nennen können. Auch sie gehört dazu.
Die Welt: Welche Zukunft hat Schröder?
Bouffier: Ich sehe ganz klar, dass sie eine Zukunft in der Politik hat. Kristina Schröder gehört zu unserer Spitzentruppe, und das soll auch so bleiben.
Die Welt: Warum hat ein Politiker der Vergangenheit – der frühere Verteidigungsminister Franz Josef Jung – den Spitzenplatz auf der Landesliste bekommen?
Bouffier: Kristina Schröder hat selbst entschieden, nicht auf Platz eins zu kandidieren.
Die Welt: Ist es in Ordnung, wie im Konflikt um die Frauenquote mit ihr umgegangen wurde?
Bouffier: Ich habe das Modell einer Flexi-Quote, das Kristina Schröder vertritt, immer unterstützt. Das war eine mehr als emotionale Debatte, auch in der Union. Manches konnte ich nicht nachvollziehen, einiges hat die Partei ganz erheblich in Anspruch genommen. Ich bin davon überzeugt: Für die Entwicklung Deutschlands ist es nicht entscheidend, ob im Vorstand eines Dax-Unternehmens 30 oder 35 Prozent Frauen sitzen. Wichtig ist, dass wir die Frauenförderung insgesamt nach vorne bringen. Wir müssen dafür sorgen, dass man Familie und Beruf besser unter einen Hut bringen kann.
Die Welt: Arbeitsministerin von der Leyen hat sich durchgesetzt. In ihrem Wahlprogramm will sich die Union für eine starre Frauenquote einsetzen.
Bouffier: Ich habe kein Problem damit, wenn wir ins Wahlprogramm schreiben, dass wir bis 2020 so weit sein wollen. Ich bin dagegen, dass wir jede Branche gleich behandeln. Unser Ansatz muss umfassender sein. Die Frage der Gleichberechtigung von Mann und Frau darf sich nicht auf Dax-Unternehmen reduzieren.
Die Welt: Herr Bouffier, wie gut kennen Sie eigentlich Angela Merkel?
Bouffier: Gut.
Die Welt: Haben Sie mit ihr auch über ihr Leben in der DDR gesprochen?
Bouffier: Ja. Nachdem ich mich entscheiden hatte, als Stellvertreter in der Bundespartei zu kandidieren, gab es viele gute und intensive Gespräche. Wir wollten mehr voneinander wissen, als man bei Google nachlesen kann. Unser Leben ist sehr unterschiedlich verlaufen. Ich bin ein klassisches West-Kind, das in der Apo-Zeit von der Jungen Union geprägt wurde. Diese Prägung kann Angela Merkel gar nicht haben. Umgekehrt kannte ich von der DDR nicht mehr als Eisenach und Ost-Berlin.Die Welt: Welchen Eindruck haben Sie in den Gesprächen gewonnen?
Bouffier: Angela Merkel war eine hochbegabte junge Frau, die mit tollen schulischen Leistungen hervorgetreten ist. Ich bewundere das auch, weil ich in Naturwissenschaften sehr wenig zu bieten habe. Bei Physikern und Mathematikern empfinde ich immer höchste Hochachtung. Angela Merkel war ein Mädchen wie Hunderttausende andere in der DDR. Sie ist in einer schwierigen Umbruchzeit ihren Weg gegangen, der nicht immer einfach war, und ist heute die Bundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutschland und eine der meist geachteten Frauen in der Welt.
Die Welt: In neuen Veröffentlichungen über ihre frühen Jahre wird Merkel als Reformkommunistin beschrieben...
Bouffier: Ich habe das Buch nicht gelesen, und was darüber berichtet wird, überrascht mich nicht. Mein Eindruck ist: Es gibt nichts wesentlich Neues.
Die Welt: Merkel hat in einem Berliner Kino ihren Lieblingsfilm vorgestellt: "Die Legende von Paul und Paula", der 1973 in der DDR erschienen ist. Kennen Sie ihn?
Bouffier: Das ist ein schöner Film. Wenn ich mich richtig erinnere, habe ich ihn mit meiner Frau vor langer Zeit im Fernsehen angeschaut.
Die Welt: Was ist Ihr Lieblingsfilm?
Bouffier: "Ein Fisch namens Wanda", er ist spannend, humorvoll und nicht gewalttätig. Das gefällt mir sehr.
Die Fragen stelle Jochen Gaugele. Quelle: Die Welt, 16.5.2013