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Gastbeitrag zum 50. Todestag Konrad Adenauers
In der Mittagszeit des 19. April 1967 läuft eine Eilmeldung über den Ticker. Im ganzen Land senken sich die Fahnen auf Halbmast. Rundfunk und Extrablätter verkünden den Tod Konrad Adenauers. Der Gründungskanzler war um 13.21 Uhr in seinem Haus in Rhöndorf verstorben.
Die Welt verneigt sich
Fast 100 Staats- und Regierungschefs, Außenminister, Botschafter und Vertreter der europäischen Institutionen kommen nach Bonn, um Adenauer die letzte Ehre zu erweisen. Hunderttausende stehen an den Straßen und den Ufern des Rheins, die Adenauers Sarg passiert. Die Beisetzungsfeierlichkeiten werden fast in die ganze Welt übertragen.
Gerade einmal 20 Jahre nach Diktatur, Krieg und Holocaust verneigt sich die Welt vor dem deutschen Kanzler Konrad Adenauer und seinem Lebenswerk – der Schaffung eines demokratischen Deutschland im Herzen Europas.
„Wir sind alle Erben dieses bedeutenden Mannes“ (Willy Brandt)
In keiner Kanzlerzeit haben sich Deutschland und Europa so verändert wie in den 14 Jahren der Ära Adenauer. Aus Trümmern entstand ein modernes Land. Die Soziale Marktwirtschaft setzte ökonomische Dynamik frei, sorgte für Teilhabe und sicherte gegen Not. Die erfolgreiche Integration von Millionen Flüchtlingen und Vertriebenen, aber auch der Millionen Parteigänger und Funktionsträger des Nationalsozialismus gab der jungen Bundesrepublik sozialen Frieden. Der starke Kanzler versöhnte die Deutschen mit der Demokratie.
Außenpolitisch führte Adenauer das Land in das westliche Bündnis. Es war für ihn nicht nur eine strategische Entscheidung, sondern auch ein Wertebekenntnis. Ähnliches galt für das erste Wiedergutmachungsabkommen mit Israel; Adenauer hielt es für politisch geboten und moralisch verpflichtend.
Keiner hat unser Land so geprägt wie Adenauer. „Wir sind alle Erben dieses bedeutenden Mannes“, gestand selbst Willy Brandt seinem einstigen Rivalen zu. Bis heute folgt deutsche Politik den von Adenauer eingeschlagenen Wegen.
Gründervater Europas
Die deutsch-französische Aussöhnung und die Einigung Europas betrachtete Adenauer als die beiden Seiten ein und derselben Medaille. Als im Mai 1950 der französische Außenminister Robert Schuman die Schaffung einer Montanunion vorschlug, war Adenauer sofort mit dabei. Es begann ein beispielloser Integrationsprozess, der der jungen Bundesrepublik die doppelte Chance der Rückkehr auf die politische Bühne und der wirtschaftlichen Entfaltung bot. Mit Schuman, Alcide de Gasperi, Jean Monnet und anderen wurde Adenauer zum Gründervater Europas.
Realist mit dem Sinn für das Machbare
Auch in den Anfangsjahren war das vereinte Europa nicht frei von Rückschlägen. Der Plan einer Europäischen Verteidigungsgemeinschaft scheiterte am französischen Souveränitätswillen; aus dieser Krise der Integration entstanden mit den Römischen Verträgen 1957 die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft und die Europäische Atomgemeinschaft. Als eine Politische Union misslang, unterzeichnete Adenauer mit Charles de Gaulle 1963 den Elysée-Vertrag, der der deutsch-französischen Zusammenarbeit einen in die Zukunft weisenden Impuls gab. In einem Punkt allerdings irrte der Gründungskanzler, wie wir heute wissen: der wirtschaftlichen Integration folgte nicht automatisch eine politische. Adenauer hatte einen klaren politischen Kompass und als Realist einen ausgeprägten Sinn für das Machbare: „Wenn nicht gleich die bestmögliche Lösung erreicht werden kann, so muss man eben die zweit- oder drittbeste nehmen. Wenn nicht alle mittun, dann sollen die handeln, die dazu bereit sind.“
Wir tun gut daran, uns Adenauers zu erinnern
Adenauers europapolitisches Vermächtnis bleibt zeitlos. In seiner letzten großen Rede in Madrid zwei Monate vor seinem Tod mahnte er die Europäer: „Wenn der politische Einfluss der europäischen Länder weiterbestehen soll, muss gehandelt werden. (…) Europa muss groß sein, muss Kraft haben, muss Einfluss haben, um seine Interessen in der Weltpolitik zur Geltung bringen zu können.“ Wir tun gut daran, uns Konrad Adenauers zu erinnern. Denn Europa braucht mehr Europäer wie ihn, Europäer mit Realismus und Leidenschaft.
Corinna Franz ist seit 2004 Geschäftsführerin der Stiftung Bundeskanzler-Adenauer-Haus, Bad Honnef-Rhöndorf. Seit 2012 ist sie zugleich Mitglied des Vorstands.