Zwischen Mutterrolle und Karriere
Zwischen Mutterrolle und Karriere, zwischen Vatersein und Überstunden: Kaum ein gesellschaftliches Thema bestimmt die politische Landschaft mehr als die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Wer sich als Unternehmer darauf einlässt, Brücken zwischen Job und Familie zu bauen, wird nicht enttäuscht. Aber der Aufwand ist kein geringer, wie Dr. Antje von Dewitz, Geschäftsführerin der Bergsport- und Outdoormarke „VAUDE“, in ihrem Namensbeitrag exklusiv für das Union Magazin skizziert:
Es gilt heute als erwiesen, dass gemischte Arbeitsteams – dank eines vielseitigeren Erfahrungshintergrunds – kreativere und lebensnähere Entscheidungen treffen können. Tatsächlich betrachten viele Unternehmen es daher als wichtiges Anliegen, die beruflichen Chancen von Frauen zu verbessern und Frauen für alle Berufsfelder und Hierarchiestufen zu gewinnen. Dennoch steigt beispielsweise der Prozentsatz von Frauen in Führungspositionen in Deutschland seit vielen Jahren nur sehr zögerlich. Unternehmen führen dies häufig darauf zurück, dass viele Frauen gar keine Karriere anstrebten oder es einfach zu wenig qualifizierte Frauen für die betreffenden Stellen gäbe. Häufig ist jedoch auch eine männlich geprägte Unternehmenskultur wirksam, in der Frauen so ohne weiteres gar nicht ihr volles Potential entfalten können oder wollen.
Es zeigt sich, dass weibliche Erfahrungen und Lebensauffassungen andere betriebliche Rahmenbedingungen benötigen. So wird gemäß unserer Erfahrung bei VAUDE, die berufliche Karriere von Frauen – ob mit oder ohne Kinder – häufig als eine von mehreren wichtigen Lebensfeldern angesehen, die es miteinander auszubalancieren gilt. Erscheint das nicht möglich oder werden auch andere Faktoren von den betreffenden Frauen als kritisch eingeschätzt, dann wird eher mal auf den betrieblichen Aufstieg als auf die mögliche Lebensqualität verzichtet. Männer erleben wir bei VAUDE bis heute meist stärker auf die eigene Karriere fokussiert. Aber auch hier ist ein ähnlicher Trend deutlich spürbar.
VAUDE beschäftigt sich seit über zehn Jahren mit den daraus folgenden Erfordernissen an unser Unternehmen als Arbeitgeber. Aufbauend auf einem vertrauensvollen und partnerschaftlichen Umgang mit unseren Mitarbeitern gehören dazu beispielsweise: Kinderbetreuung in der Firma, Teilzeitarbeit in allen Spielvarianten (auch für Führungskräfte), Job-Sharing oder Mitarbeit aus dem Home-Office heraus.
Wir gehen aktiv gegen Abendtermine oder Überstunden an und begleiten Schwangerschaften und Elternzeiten im offenen Dialog. Die Resultate sind in zweierlei Hinsicht erfolgreich: Über 30 Prozent unserer Führungskräfte sind heute Frauen. Und: Unsere „innerbetriebliche Geburtenrate“ liegt weit über dem deutschen Durchschnitt. Allein 2013 sind 40 Personen in Elternzeit oder stehen kurz davor – was etwa 8 Prozent unserer Mitarbeiter entspricht.
Erreicht haben wir damit einen sehr guten Ruf als Arbeitgeber und positive Strahleffekte auf unsere Marke. Wir genießen ein entspanntes Betriebsklima und sind stolz auf unsere motivierten und engagierten Kollegen, die eine hohe Bindung an das Unternehmen haben. Und wir haben ein Klima geschaffen, das tatsächlich die für den Job Geeignetsten weiterkommen lässt – völlig unabhängig von ihrem Geschlecht. Jedoch sind bei allen positiven Effekten weder die Kosten noch der Aufwand zu unterschätzen, die benötigt werden, um eine solche Kultur aufzubauen und, für uns damals überraschend, um diese Kultur (angesichts der hohen Geburten- und Teilzeitraten) auch zu erhalten. Doch für uns, unsere Mitarbeiter und deren Familien, lohnt es sich.
Auch in anderen Unternehmen wird die Entwicklung einer familienfreundlichen und chancengerechten Kultur ein tiefgreifendes und oft kostspieliges Change Management erfordern, das zunächst einmal als solches erkannt und dann nicht allein von der Personalabteilung gestemmt werden kann. Der gezielte Anstoß von außen, gern in Form einer Quote, würde aus meiner Sicht wesentlich dazu beitragen, eine grundlegende Auseinandersetzung mit dem Thema in den Unternehmen anzustoßen und den Veränderungsprozess breitflächig einzuleiten. Die Zeit dafür ist reif.