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Interview von CDU-Generalsekretär Peter Tauber mit "Die Welt"
Die Pressestelle der CDU Deutschlands teilt mit:
CDU-Generalsekretär Dr. Peter Tauber gab der Zeitung "Die Welt" (heutige Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellten Dr. Ulf Poschardt und Robin Alexander.
Die Welt: Herr Tauber, Sie sind jung, konservativ, aus Hessen, und Angela Merkel hat Sie völlig unerwartet aus dem Hut gezaubert – sind Sie die neue Kristina Schröder?
Tauber: Nein, ich habe deutlich weniger Haare.
Die Welt: Bei Ihrer Nominierung waren alle überrascht.
Tauber: Ich war selbst völlig überrascht, als mich die Kanzlerin um ein Gespräch bat. Das ist ja durchaus etwas Besonderes für einen Abgeordneten, der gerade erst am Beginn seiner zweiten Legislaturperiode steht. Als ich zu dem Gespräch ging, hatte ich mir natürlich die Frage gestellt, ob sie mir eine Aufgabe anbieten möchte – ich dachte aber aufgrund meiner bisherigen Arbeit eher an etwas Netzpolitisches.
Die Welt: Aber dann sagte Merkel...
Tauber: ...sie hat mir wohl eine gewisse Nervosität angemerkt und mir erst einmal einen Kaffee eingeschenkt. Dann sagte sie, sie habe eine Aufgabe für mich, aber wohl eine, mit der ich nicht rechne. Sie hat mir angeboten, die Aufgabe des Generalsekretärs zu übernehmen. Meine Antwort war: „Wenn Sie mir das zutrauen, dann mache ich das.“
Die Welt: Ihre Vorgänger haben dieses Amt sehr unterschiedlich interpretiert. In welche Fußstapfen wollen Sie treten?
Tauber: Ich tue mich schwer damit, meine Vorgänger zu bewerten. Ein Generalsekretär hat die Aufgabe, in seiner Zeit genau das Richtige zu tun. Eine wesentliche Aufgabe ist es, Wahlen zu gewinnen – und da waren viele meiner Vorgänger erfolgreich. In diese Fußstapfen möchte ich treten.
Die Welt: Wie wollen Sie den Posten interpretieren?
Tauber: Aus dem Auftrag, Wahlen zu gewinnen, ergibt sich die Frage: Wie macht man das heute? Die Antwort auf diese Frage hat sich innerhalb kürzester Zeit verändert. Hermann Gröhe war bei seinem Amtsantritt vor vier Jahren mit anderen Fragen konfrontiert, als ich es jetzt bin, weil sich unsere Gesellschaft ständig verändert. Außerdem haben wir jetzt eine Große Koalition, in der die Aufgabe des Generalsekretärs sicherlich einen anderen Zuschnitt braucht. Mein Ziel ist es, dass wir bei der Bundestagswahl 2017 ähnlich erfolgreich abschneiden wie 2013. Die Arbeit dafür beginnt jetzt.
Die Welt: Was wollen Sie verändern?
Tauber: Es ist absehbar, dass es 2017 keinen Lagerwahlkampf geben wird. Die FDP ist aus dem Bundestag ausgeschieden und kämpft um den Wiedereinzug, die CDU regiert in Hessen mit den Grünen. 2017 wird jede Partei voraussichtlich nur für sich werben. Deshalb ist es wichtiger denn je, dass erkennbar ist, wofür die CDU steht. Natürlich werden wir in der Großen Koalition auch Kompromisse schließen, aber wir müssen immer wieder deutlich machen, was CDU pur ist. Das ist eine Herausforderung, denn die Erfahrung zeigt: Die CDU trägt gefundene Kompromisse mit und nimmt sie an. Die SPD schließt Kompromisse, um sofort darüber zu mäkeln. Ich will deshalb unsere Positionen auch jenseits des Regierungshandelns aufzeigen und so helfen, die eigene Truppe bei der Fahne zu halten.
Die Welt: Haben Sie ein Beispiel?
Tauber: Beim Mindestlohn haben wir einen solchen Kompromiss gefunden. Und dazu gehört, dass wir über Ausnahmen beispielsweise bei Erntehelfern oder Zeitungsausträgern in der Gesetzgebung sprechen müssen.
Die Welt: Die CSU und die SPD waren zwischen den Jahren aber viel deutlicher als die CDU.
Tauber: In Hessen würde man sagen: „Mer sacht ja nix, mer redd ja nur.“ Ich bin da ganz gelassen. Im Bundestag haben sich noch nicht einmal die Ausschüsse konstituiert, das Kabinett berät seine Vorhaben auf einer Klausurtagung Ende Januar. Dann geht die Arbeit richtig los. Der eine oder andere wollte eben schon vorher seinen Namen in der Zeitung lesen. Ich finde es schön, wenn wir am Ende von Diskussionen auch Ergebnisse präsentieren können.
Die Welt: Die CDU hat niemanden unter 50 im Kabinett. Sie als Jüngerer sollen eine ganze Generation repräsentieren.
Tauber: Wir waren bei der Bundestagswahl bei den jungen Leuten mit Abstand stärkste Kraft. Das ist ein riesiger Vertrauensbeweis für die Union. Zu meiner Schulzeit war es nicht sonderlich cool, auf dem Schulhof zuzugeben, dass man CDU gewählt hat. Das ist heute anders. Hierin liegt eine Riesenchance für die CDU, langfristig Wähler an sich zu binden. Dafür müssen wir der jungen Generation aber auch zeigen, dass wir ihre Belange aufgreifen.
Die Welt: Aber es wurde doch noch nie so einseitig Politik für die Älteren gemacht wie jetzt in der großen Koalition!
Tauber: Es wäre ein Fehler, zu glauben, dass die Jüngeren ihrer Mama nicht die Mütterrente gönnen. Bei denen geht es nicht um Sozialleistungen. Sie fragen nach den Rahmenbedingungen: Wie sieht es mit Jobs aus? Wie sieht es mit Mobilität aus? Wie sieht es mit Infrastruktur aus? Das sind die Fragen der jungen Leute. Und wir geben eine überzeugende Antwort: Wir stecken fünf Milliarden in die Verbesserung der Infrastruktur. Wir geben drei Prozent vom Bruttoinlandsprodukt für Forschung aus. Wir machen Tempo beim Breitbandausbau, weil schnelles Internet die Lebensqualität der jungen Generation auch auf dem Lande bestimmt. Selbst der Hof eines Milchbauers muss heute vernetzt sein. Deshalb ist unsere Botschaft: Rente und Breitband – wir machen beides.
Die Welt: Es gibt nicht nur eine technische, sondern auch eine gesellschaftliche Modernisierung. Die definierte die CDU bisher so: Wir vollziehen die Programme von SPD und Grünen mit zehn Jahren Verspätung nach.
Tauber: Bei vielen Debatten ärgert mich, dass Gegensätze konstruiert werden. Wer homosexuelle Lebenspartnerschaften rechtlich besserstellen möchte, ist nicht gegen die klassische Familie. Wer gegen das Adoptionsrecht für gleichgeschlechtliche Paare ist, ist nicht homophob. Die moderne Frage ist: Tun wir genug für Kinder? Denn nur sie sichern den Fortbestand der Gesellschaft. Das sehen auch die ein, die – noch – keine Kinder haben. Dazu gehöre ich ja auch. Ich hätte gerne Kinder. Ich weiß, dass diejenigen, die Kinder aufziehen, damit auch meine Altersversorgung erarbeiten.
Die Welt: Unionsabgeordnete aus Ihrer Generation haben deshalb vorgeschlagen, Eltern bei den Sozialbeiträgen zu entlasten. Ist dies in einer zunehmend kinderlosen Gesellschaft nicht mehr durchsetzbar?
Tauber: Gerade deshalb sollte man darüber nachdenken. Grundsätzlich gibt es gute Gründe, über eine unterschiedliche Belastung von Eltern und Kinderlosen in der Renten- und Pflegeversicherung zu sprechen. Es geht aber nicht nur um materielle Fragen, wir müssen auch eine familienfreundlichere Atmosphäre schaffen. Ein einfaches Beispiel: Wer in die USA einreist, sieht am Flughafen eine Extra-Lane für Leute mit Kids. So etwas brauchen wir bei uns auch!
Die Welt: Ihre Vorgänger haben modern und konservativ bisweilen gegeneinander definiert. Ist die CDU keine konservative Partei, wie Volker Kauder sagt?
Tauber: Die CDU ist eine Union. Für mich ist das U von zentraler Bedeutung – denn das macht auch unseren Erfolg aus: Bei uns fühlen sich Konservative genauso heimisch wie Liberale und Christlich-Soziale.
Die Welt: Sind Sie ein Konservativer?
Tauber: Es gibt Themen, da bin ich liberal, und andere, bei denen bin ich konservativ. Mir ist mein Vaterland wichtig, ich habe einen Bezug zu meiner Nation.
Die Welt: Von ihrem Vorgänger Hermann Gröhe ist auf YouTube die schon legendäre Szene geblieben, wie er sich auf der Feier nach dem Wahlsieg ein schwarz-rot-goldenes Fähnchen von Angela Merkel aus der Hand nehmen lässt. Hätten sie sich die Fahne auch aus der Hand nehmen lassen?
Tauber: Deutschland ist ein tolles Land. Das zu betonen ist wichtig, gerade für Zuwanderer, die sich bei uns integrieren wollen und denen wir mit unserer freien Gesellschaft ein gutes Angebot machen. Darüber sollten wir auch öfter sprechen. Es ist eine spannende Frage, ob wir uns in Deutschland stärker über unser Streben nach einer guten Zukunft definieren – im vollen Bewusstsein unserer Geschichte –, oder ob wir weiter vor allem aus der Rückschau leben.
Die Welt: Vorsicht, sonst landen Sie noch beim politisch-unkorrekten Wort „Leitkultur“.
Tauber: Ach, wir führen die Leitkulturdebatte in Wirklichkeit doch jeden Tag. Wir brauchen in unserer Gesellschaft einen Konsens darüber, was uns verbindet. Die Diskussion darüber ist allerdings nie abgeschlossen und geht immer weiter. Durch Zuwanderer wird sie bereichert. Gemeinsamkeiten müssen immer wieder festgestellt werden – aber auch das, was nicht zu uns passt. Bei den schönen Einbürgerungszeremonien, die in unseren Kommunen stattfinden, wird nicht zufällig das Grundgesetz überreicht.
Die Welt: Leitkultur ist Grundgesetz plus Schwarz-Rot-Gold?
Tauber: Das sind drei wunderschöne Farben! Und natürlich sind Emotionen und Symbole wichtig, an denen sich die Identifikation mit unserer Heimat festmacht.
Die Welt: Also, hätten Sie sich die Fahne jetzt aus der Hand nehmen lassen oder nicht?
Tauber: Wenn mir die Vorsitzende die Fahne aus der Hand genommen hätte, hätte sie mir die Fahne aus der Hand genommen. Ob ich so frech gewesen wäre, mir aus dem Publikum eine neue zu holen, lassen wir mal offen.
Die Welt: Die Union verlangt von Neubürgern heute, ihren alten Pass abzugeben.
Tauber: Wir haben uns bei der Ablehnung der doppelten Staatsbürgerschaft leider Illusionen gemacht. Die Idee dabei war, eine bewusste Entscheidung herbeizuführen. Doch viele haben das umgangen: Sie haben sich den deutschen Pass geholt, und anschließend bei der Botschaft des Herkunftslandes auch wieder den alten. Es war so ähnlich wie früher beim Wehr- oder Zivildienst: Die Verweigerung, die eigentlich eine Gewissensentscheidung sein sollte, wurde einfach aus dem Internet heruntergeladen. Heute wissen wir, dass sich die bewusste Entscheidung von Zuwanderern, Deutschland als neue Heimat anzunehmen, nicht allein an der Frage einer doppelten Staatsbürgerschaft festmachen lässt.
Die Welt: Aus vermeintlichen Modernitätsgründen soll auch nicht mehr über kontroverse Themen wie Abtreibung gesprochen werden. „Spiegel Online“ hat jüngst versucht, Ihnen aus einem Papier aus Ihrer Zeit in der Jungen Union einen Strick zu drehen.
Tauber: Mich hat daran vor allem geärgert, dass meine ganze Person auf eine einzelne Position reduziert werden sollte. Für mich hat das Thema Lebensschutz einen hohen Stellenwert. Und damit bin ich in meiner CDU sicher nicht alleine. An den geltenden gesetzlichen Regelungen wollen wir nichts ändern. Aber es tut unserer Gesellschaft gut, wenn wir über den Lebensschutz ausgiebig diskutieren. Das haben wir in der letzten Legislaturperiode beim Thema Spätabtreibung gottseidank wieder einmal getan. Der Staat kann die Entscheidung für das Leben nicht erzwingen. Es kann uns aber nicht kaltlassen, dass es in Deutschland über 100.000 Abtreibungen im Jahr gibt. Jede Einzelne davon ist eine schwere Entscheidung und bedeutet Leid – nicht nur für das abgetriebene Leben, sondern auch für die Frauen und ihre Partner.
Die Welt: Im Bundestag wird bald über ein Gesetz zur Sterbehilfe entschieden.
Tauber: Ich bin der Meinung, dass jede Form von Sterbehilfe verboten werden soll. Aber schon die Debatte darüber bringt uns weiter, weil wir dann auch stärker über Alternativen wie Palliativmedizin oder die Hospizbewegung sprechen. Die Patientenverfügung war ein wichtiger Schritt.
Die Welt: Justizminister Heiko Maas möchte die im Koalitionsvertrag vereinbarte Vorratsdatenspeicherung nun doch nicht umsetzen und will auf das Urteil des europäischen Gerichtshofes dazu warten.
Tauber: Der Justizminister muss aufzeigen, wie er die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung umsetzen will. Wenn das Urteil des Europäischen Gerichtshofs ergeht, muss er sofort sprechfähig sein. Man sollte nicht erst danach beginnen, sich mit der Frage zu beschäftigen. Sollte aus dem Justizministerium dann nicht zügig ein Vorschlag kommen, muss diese Frage eben vom Parlament vorangetrieben werden.
Die Welt: Sie verantworten jetzt die Wahlkämpfe der Partei – wird es wieder welche mit Inhalt geben?
Tauber: Wir haben 2013 sehr viel über Inhalte gesprochen. Was stimmt ist, dass es nicht das eine dominierende politische Thema gab. Es gab das große Vertrauen in Angela Merkel und darüber hinaus viele einzelne Sachfragen, zu denen wir die besten Antworten hatten.