Annegret Kramp-Karrenbauer: Zu neuer Stärke - Mein Plan für die CDU
„Dann macht es doch!“, rief während der Regionalkonferenz der CDU in Düsseldorf ein Mitglied unserer Partei dazwischen, als wir lange darüber gesprochen haben, was wir in der CDU alles müssten, sollten und könnten. Dieses Mitglied hat recht. Es geht nicht um „müsste“, „sollte“, „könnte“. Die Menschen erwarten zurecht von uns, dass wir es machen.
Dafür habe ich einen Plan. Einen Plan, nicht für mich, sondern einen Plan für unsere Partei. Es geht darum, die CDU zu neuer Stärke zu führen. Es geht darum, uns als starke Volkspartei der Mitte in den Dienst unseres Landes zu stellen. Wir machen das, weil wir eine Verantwortung haben, die weit über uns selbst hinausgeht. Denn unser Land ist nur dann stabil und stark, wenn es von einer starken Christlich Demokratischen Union regiert wird. Darin haben die Menschen in unserem Land in all den Jahrzehnten immer wieder ihr Vertrauen gesetzt. Eine starke CDU ist die Voraussetzung für ein starkes Deutschland. Und nur ein starkes Deutschland hat eine starke Stimme in Europa. Wir brauchen ein starkes Europa, wenn wir uns in einer sich schnell verändernden Welt behaupten wollen. Darum geht es, wenn wir uns als CDU auf den Weg zu neuer Stärke machen.
Wie erreichen wir das? Erstens durch neue Themen, zweitens durch einen neuen Stil und drittens durch neue Antworten.
1. Neue Themen
Mit meinem Wechsel aus dem Staatsamt der Ministerpräsidentin in das Parteiamt der Generalsekretärin haben wir mit dem Machen bereits begonnen. Wir haben einen Prozess gestartet, den Mitgliedern der CDU neu zuzuhören. Bei der Zuhör-Tour im ganzen Land ging es darum, die Anliegen unserer Mitglieder wieder neu in den Mittelpunkt der Politik der CDU zu stellen. Was treibt die Menschen in Deutschland um, was brennt ihnen auf den Nägeln? Aus den Anliegen unserer Mitglieder entsteht in den nächsten Monaten, nach dem Startschuss auf dem Parteitag in Hamburg, unser neues Grundsatzprogramm, in dem wir
definieren, was es heute und mit Blick auf die Zukunft heißt, konservativ, liberal und christlich-sozial zu sein. Durch das neue Grundsatzprogramm formulieren wir gemeinsam auf der Grundlage des christlichen Menschenbildes eigenständige Positionen der CDU zu den neuen Themen der Zeit. Wir werden unser Profil schärfen, wir werden neu deutlich machen, wofür wir als CDU stehen und wie wir uns von allen anderen Parteien unterscheiden.
Demokratie lebt vom Wettbewerb und von der Auswahl. Demokratie braucht Klarheit und Unterscheidbarkeit der politischen Parteien in den Antworten auf die drängenden Fragen ihrer Bürger. Diese Unterschiede gibt es. Die CDU ist die Partei des Umweltschutzes. Aber anders als die Grünen setzen wir auf marktkonforme Ansätze statt auf Verbote oder Regulierungen. Die CDU ist die Partei der Arbeitnehmer. Aber anders als die SPD und erst recht die Linke setzen wir nicht auf die Allmacht des Umverteilungsstaates, sondern auf die Selbstentfaltungskräfte freier Bürgerinnen und Bürger. Die CDU ist eine liberale Partei. Aber anders als die FDP setzen wir nicht auf das freie Spiel der Kräfte allein, sondern kanalisieren diese vielmehr hin auf ihren letztlichen Bestimmungszweck, das Allgemeinwohl. Die CDU ist die Partei der nationalen Identität. Aber anders als die AfD setzen wir nicht auf einen übersteigerten, geschichtsvergessenen Nationalismus, sondern auf unser nationales Wohlergehen mit starker regionaler Verwurzelung in einem geeinten demokratischen Europa. Wenn es uns gelingt, unsere unverwechselbaren Grundsatzpositionen neu herauszuarbeiten und zum verbindlichen Maßstab unserer Politik zu machen, werden wir als Volkspartei eine blühende Zukunft haben.
Die CDU ist kein politischer Gemischtwarenladen, in dem sich jeder einzelne das, was für ihn passt, heraussuchen kann. Wir haben eine große Erzählung, wir haben eine gemeinsame Linie, wir haben Werte, die uns miteinander verbinden. Das hält uns zusammen.
Aus der Zuhör-Tour, aus den Anliegen der Mitglieder entstand im Sommer bereits die breite Debatte über die Dienstpflicht. Und hätten wir im Sommer diese Debatte weitergeführt, statt uns über Maaßen und sonstige Dinge zu streiten, würden wir heute in den Umfragen deutlich besser dastehen. Das wäre gut für die Bundesrepublik und gut für uns.
Wir können auf Veranstaltungen der CDU immer leicht Begeisterung auslösen, wenn wir uns witzig und kritisch über die politischen Gegner äußern. Aber das reicht mir nicht. Ich will, dass die CDU über unsere eigene Ideen in Begeisterung ausbricht, dass wir aus uns selbst heraus stark sind und nicht nur von der Schwäche der anderen leben.
2. Neuer Stil
Das schaffen wir nur mit einem neuen Stil. Die inhaltlichen Debatten in der Partei müssen wieder vom Kopf auf die Füße gestellt werden. Erst diskutieren und entscheiden wir Themen in der Partei, dann finden unsere Positionen Eingang in die Arbeit der Fraktion, dann in die Regierung. Dabei werden wir auch den Schwung der Zuhör-Tour und dieser Regionalkonferenzen mitnehmen. Die Mitglieder werden sich mehr beteiligen, die Partei wird selbstbewusst eigene Positionen formulieren, die zunächst klar machen, was „CDU pur“ bedeutet, bevor wir in der Regierungsarbeit notwendige Kompromisse eingehen.
Wir reden oft von den „Denkfabriken“ in unserem Land. Aber wir haben über 400.000 Mitglieder der CDU mit großem Sachverstand und mit viel Menschenkenntnis. Die größte Denkfabrik, die es gibt, das ist eine Volkspartei, das sind wir als CDU Deutschlands.
Dieser neue Stil wird sich auch in der Parteiführung zeigen, wo mehrere starke Persönlichkeiten Raum bekommen, die Wirtschaftskompetenz, soziale Kompetenz, Digitalkompetenz, konsequente Rechtsstaatlichkeit und innere Sicherheit, Verteidigungskompetenz, Europakompetenz und Umweltkompetenz auch persönlich deutlich machen. Aus einer Position der Stärke heraus müssen wir die gesamte Breite der Volkspartei CDU abbilden. Wir haben in jedem der Flügel, die unsere Partei ausmachen, genügend schlaue Leute, genügend gute Ideen, denen wir Raum verschaffen müssen. Es ist die Aufgabe einer Vorsitzenden, das zusammenzuführen. Neue Themen, die unsere CDU ausmachen, werden wir durch neue Köpfe sichtbar machen. Auch Ralph Brinkhaus hat in der Fraktion schon damit begonnen.
3. Neue Antworten
Mit diesen neuen Themen und diesem neuen Stil wird die CDU neue Antworten auf die wesentlichen Fragen der Zukunft geben. Die Welt hat sich verändert: Wir arbeiten heute anders, wir kommunizieren heute anders, wir leben heute anders, wir wirtschaften heute anders. Dass wir heute wirtschaftlich stark sind, ist noch nicht die Antwort auf die Frage, ob wir auch morgen stark sein werden.
Wir haben es selbst in der Hand, ob wir willens und in der Lage sind, die Dynamik dieser Welt mitzugehen. Für eine neue Dynamik unserer Wirtschaft im digitalen Wandel und im weltweiten Wettbewerb, stehe ich für:
- strategische Industriepolitik im Wettbewerb mit China und den USA;
- freien Handel mit fairen Regeln für alle;
- gezielte Förderung der Entstehung von Wertschöpfung in Deutschland aus unserer Spitzenforschung;
- wettbewerbsfähige Unternehmenssteuern und die Harmonisierung von Steuern in der EU;
- Abbau von Hindernissen für Unternehmer, wie zu viel Bürokratie und zu wenig Fachkräfte.
Die Menschen in Deutschland werden diese neue Dynamik nur mitgehen, wenn sie neue Sicherheit haben. Ich will einen starken und verlässlichen Staat, der nicht schrill im Ton ist, aber konsequent im Handeln. Ich will einen Rechtsstaat, der sich nicht auf der Nase herumtanzen lässt. Ich stehe für:
- Steuerung und Ordnung der Migration und konsequente Abschiebung für nicht Bleibeberechtigte;
- die Vollendung von Schengen durch den wirksamen Schutz der EU-Außengrenzen und eine europaweite Wiedereinreisesperre für Straftäter;
- eine einsatzfähige Bundeswehr und eine einsatzfähige Europäische Armee im Zusammenspiel mit der Nato;
- einen Staat, der nicht nur von internationaler Verantwortung redet, sondern dazu in der Lage ist, diese wahrzunehmen.
Während der Zuhör-Tour wurde nochmals deutlich, wie vielfältig die Mitglieder der CDU sind, wie vielfältig die Menschen in Deutschland und ihre individuellen Lebensgestaltungen sind. Gleichzeitig gibt es in der CDU und in der deutschen Gesellschaft ein starkes Bedürfnis nach einem neuen Zusammenhalt. Dafür werde ich mich einsetzen. Ich stehe für:
- Stärkung aller in der Mitte der Gesellschaft, die sich anstrengen und die sich an die Regeln halten;
- Entlastung der Leistungsträger der Mitte;
- mehr bezahlbaren Wohnraum;
- klare Regeln für unser Miteinander und deren konsequente Einhaltung;
- Rechte und Pflichten gegenüber unserem Staat.
Die Menschen, die sich anstrengen und an die Regeln halten, müssen es spüren, dass sie im Mittelpunkt unserer Politik stehen. Sie müssen es spüren in ihrer Lohntüte und dadurch, dass sie ein Haus bauen können oder sich eine Wohnung leisten.
Für diesen Zusammenhalt steht auch unser Einsatz für die Familie. Für die CDU ist die Familie mehr als nur der Ort, an dem man sich den Kühlschrank oder das Passwort für das WLAN teilt. Familie ist mehr, dort wird Verantwortung füreinander übernommen und das ist unser Kernthema als CDU.
So schaffen wir neue Dynamik für die Wirtschaft und Wohlstand in der digitalen Welt im globalen Wettbewerb, neue Sicherheit für die Bürger in Deutschland und Europa und neuen Zusammenhalt in unserem Land.
Zu neuer Stärke
Uns gelingt das, wenn wir unseren Kompass auf der Grundlage des christlichen Menschenbildes erhalten, wenn wir das „C“ ernst nehmen. Uns gelingt das, wenn wir unser
„D“ ernst nehmen und breite Debatten führen, in denen wir nicht nur nach dem kleinsten gemeinsamen Nenner suchen. Uns gelingt das, wenn wir nicht vergessen, dass das „U“ Verpflichtung ist, alle Flügel der Partei zusammenzuhalten. Wir sind als Union geboren und müssen gemeinsam als Union in die Zukunft gehen, auch ab Tag 1 nach dem Hamburger Parteitag.
Mit neuen Themen und neuen Antworten auf der Grundlage des christlichen Menschenbildes und unserer Werte, mit einem neuen Stil der Beteiligung und Entscheidungsfindung will ich die CDU zu neuer Stärke führen. Ich bin mir sicher: Wenn wir gemeinsam den nächsten Schritt gehen, werden die Wählerinnen und Wähler für uns statt für die Grünen oder die AfD stimmen, dann werden wir bei Wahlen 40 Prozent und mehr erreichen.
Dazu will ich etwas einbringen: Meine Erfahrung aus der Partei, meine Erfahrung aus der Verantwortung in der Regierungsarbeit, meine Erfahrung aus Wahlkämpfen. Ich weiß, wie man 40 Prozent erreicht und wie gut sich das anfühlt, und ich möchte, dass dieses Gefühl wieder um sich greift, in allen Landesverbänden und in der Bundespartei.