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Ziemiak: „Mir geht es um die Zukunft des Industriestandorts Deutschland“
Unser Generalsekretär Paul Ziemiak will nicht, dass Deutschland zum Industriemuseum wird. Deshalb fordert er eine echte Unternehmessteuerreform, eine radikale Vereinfachung des Planungsrechts und konkrete Unterstützung für Start-ups und Familienunternehmen. Darüber sprach Paul Ziemiak mit Thomas Sigmund & Jan Hildebrand vom Handelsblatt - lesen Sie hier das ganze Interview:
Herr Ziemiak, Deutschland droht eine Rezession und die Große Koalition scheint darauf nicht vorbereitet. Was muss aus Ihrer Sicht passieren?
Ein konjunktureller Abschwung war zur Zeit der Koalitionsverhandlungen mit der SPD so noch nicht absehbar. Die Lage hat sich nun verändert, weshalb wir jetzt neue Prioritäten setzen. Es muss jetzt darum gehen, die Weichen richtig zu stellen, um den Wirtschaftsstandort zu sicher.
Welche Weichen sind das?
Deutschland steht im internationalen Wettbewerb. Deshalb brauchen wir eine echte Unternehmenssteuerreform. Andere Länder in Europa und der Welt sind längst davongezogen, die haben ihre Unternehmenssteuern deutlich gesenkt. Die letzte große Reform der Unternehmensbesteuerung in Deutschland liegt schon viele Jahre zurück. Die Unionsfraktion hat ein konkretes Konzept vorgelegt, das umgesetzt werden muss. Das Ziel ist es, die Steuerbelastung sowohl für Kapitalgesellschaften als auch für Personengesellschaften für nicht ausgeschüttete Gewinne bei maximal 25 Prozent zu deckeln. De facto liegt die Belastung derzeit bei 30 bis 35 Prozent, bei Personengesellschaften sogar bei 45 Prozent.
Das kostet aber einige Milliarden. Und Finanzminister Olaf Scholz sagt, dass er die nicht übrig hat. Wie wollen Sie das finanzieren?
Wir können doch nicht darauf warten, bis sich der Finanzminister dazu bequemt, die Realitäten für unsere Unternehmen im Wettbewerb mit China und den USA anzuerkennen. Es kann nicht nur um die Frage gehen, was wir aus dem Koalitionsvertrag abgearbeitet haben. Mir geht es um die Sicherung und vor allem um die Zukunft des Industriestandortes Deutschland. Hier müssen wir bei der SPD Überzeugungsarbeit leisten.
Die SPD klingt aber bisher wenig überzeugt von der Notwendigkeit einer Steuersenkung für Unternehmen.
Sie sprechen jetzt nicht mit dem Regierungssprecher, sondern mit dem CDU-Generalsekretär. Ich sage Ihnen, dass die SPD eine völlig skurrile Debatte über eine Vermögenssteuer anzettelt, während wir über essenzielle Themen sprechen müssten. Die CDU muss die Frage beantworten: Wie sind unsere Antworten für den Industriestandort Deutschland. Das wollen die Menschen wissen.
Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier stand aber ziemlich allein da, als er seine Pläne zum kompletten Abbau des Soli vorstellte. Warum gab es da keine Rückendeckung von allen Regierungsmitgliedern der Union?
Das Gegenteil ist richtig. Peter Altmaier hat unsere gemeinsame Position als Union deutlich gemacht. Die komplette Abschaffung des Soli bleibt unser Ziel. Die SPD wollte den Soli zuerst überhaupt nicht abschaffen, wir wollten 100 Prozent. Jetzt wird der Soli für 90 Prozent der Steuerzahler abgeschafft, weitere 6,5 Prozent werden entlastet. Das sind zwar nicht 100 Prozent, aber immerhin 96,5 Prozent.
Da haben Sie die Entlastung jetzt aber schöngerechnet. Die zehn Prozent, die ihn ganz oder teilweise weiter zahlen müssen, tragen immerhin mit zehn Milliarden Euro fast die Hälfte des Gesamtaufkommens. Und das sind vor allem Unternehmen und Personengesellschaften, die Sie entlasten wollen.
Ich hätte das auch lieber anders gehabt. Die Union gibt aber die vollständige Abschaffung nicht auf.
Sind Sie angesichts des drohenden Abschwungs und den Kosten für die von Ihnen gewünschte Unternehmenssteuerreform bereit, die schwarze Null aufzugeben, also wieder Schulden zu machen?
Wir geben die schwarze Null nicht auf. Das ist eine Frage der finanzpolitischen Vernunft und der Generationengerechtigkeit. Im Übrigen: Die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse würde ohnehin nur ein Defizit im einstelligen Milliardenbereich erlauben, je nach Konjunkturverlauf. Das heißt, der zusätzliche Spielraum durch die Aufgabe der schwarzen Null wäre relativ gering. Der Vertrauensverlust aber enorm.
Warum ist die Debatte über eine Steuerreform in den vergangenen Jahren von keiner Partei mehr richtig angepackt worden?
Hinter uns liegt eine goldene Dekade. Die Steuereinnahmen sind von Rekord zu Rekord gestiegen. Die Arbeitslosigkeit ist immer weiter zurückgegangen. Die Zahl der Arbeitsplätze liegt auf Rekordniveau. Dennoch wurde fast ausschließlich über das Geldausgeben geredet. Jetzt sind wir an einem Wendepunkt angekommen, wir müssen umsteuern und unsere Gesetzgebung auch auf Innovationsfreudlichkeit überprüfen.
Zum Beispiel?
Ich habe in den vergangenen Monaten mit vielen Start-ups gesprochen. Die haben ein echtes Problem: Ein Bestandteil der Vergütung sind hier häufig Beteiligungen am Unternehmen. Vor allem für Führungskräfte ist das ein Anreiz, sich voll einzubringen. Sie profitieren dann von der späteren Wertsteigerung der Firma. Und das Start-up, das ja in der Anfangsphase häufig wenig Liquidität hat, profitiert durch diese Vergütungskomponente ebenfalls. Das Problem ist nur, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihre Unternehmensbeteiligung sofort voll als Einkommen versteuern müssen. Sinnvoller wäre eine Besteuerung erst zu einem Zeitpunkt des Verkaufs dieser Anteile. Damit macht derzeit der Fiskus dieses sinnvolle Instrument komplett unattraktiv. Andere Länder wie die USA haben die Regeln hier längst angepasst. Das müssen wir auch, wenn wir Start-ups helfen wollen.
Viele Unternehmer warten nicht nur auf eine Steuerreform, sondern sind gespannt auf die Ergebnisse des Klimakabinetts am 20. September. Wie will die CDU künftig CO2 bepreisen?
Wir haben in einem Werkstattgespräch im Konrad-Adenauer-Haus viele Ideen gesammelt, wie eine Bepreisung aussehen könnte. Klar ist: Alles was wir beschließen, um die Klimaziele einzuhalten, muss nachhaltig, marktwirtschaftlich und sozial sein. Außerdem wollen wir für die Unternehmen Anreize zur Innovation setzen.
Die Unternehmen fürchten, dass es für sie unterm Strich teurer wird. Können Sie ihnen diese Sorge nehmen?
Wenn CO2 einen Preis hat, muss den jemand bezahlen. Hier dürfen wir keine falschen Versprechungen machen. Wenn wir das Konzept aber richtig ausgestalten, können wir in der Summe mit Anreizen die Industrie stärken. Es darf keine Belastungen geben, die die Wettbewerbsfähigkeit schwächen und den Industriestandort insgesamt gefährden.
Viele Unternehmer klagen nicht zuerst über die Steuerbelastung, sondern über Bürokratie. Wann kommt der versprochene Bürokratieabbau?
Die Bundesregierung arbeitet derzeit weiter mit Hochdruck am Bürokratieabbau. Zunächst wollen wir aber auch verhindern, dass neue Bürokratie entsteht. Ein Beispiel: Das geplante Transparenzregister für Unternehmen muss verhältnismäßig ausgestaltet sein. Ich bin dagegen, dass jeder alles ohne Angabe von Gründen über die Gesellschafter von Unternehmen anonym erfahren kann. Gerade in Hinblick auf Familienunternehmen halte ich dies für inakzeptabel.
Ein anderes Problem sind die langwierigen Planungsverfahren in Deutschland. Eigentlich wollte die Koalition hier für Beschleunigung sorgen. Warum hört man davon nichts mehr?
Sie haben völlig Recht, das ist ein Riesenthema. Und von dem hängt auch die Zukunftsfähigkeit unseres Landes ab, auch Projekte wie die Energiewende oder der Klimaschutz. Denken Sie mal an Stromtrassen oder den Ausbau der Infrastruktur der Bahn. Hier brauchen wir einen nationalen Kraftakt zur Reform des Planungsrechts.
Wie seht der aus?
Bei Infrastrukturprojekten, die von nationalem Interesse sind, können wir nicht mehr jeden Umwelt- und Naturschutzverband zur Klage zulassen. Bei planungsrechtlichen Verfahren müssen wir das Verbandsklagerecht deutlich einschränken. Wir brauchen auch eine Reform der Rechtsgrundlagen für die Klagen. Bei Verfahren sollte es nur noch eine Tatsacheninstanz geben.
Was heißt das konkret? Wer darf künftig bei solchen Großprojekten noch klagen?
Nur Menschen die unmittelbar betroffen sind und Verbände in einem sehr eingeschränkten Umfang. Wir brauchen auch kürzere Fristen bei Verfahren, die wir künftig elektronisch führen sollten. Ebenso mehr Richter an den zuständigen Verwaltungsgerichten. Wir müssen hier radikal umdenken. Wir planen uns sonst zu Tode. Deutschland darf kein Industriemuseum werden. Wir dürfen nicht vergessen, dass wir in einem globalen Wettbewerb stehen.
Halten Sie Staaten, in denen Bürger wenig Mitspracherechte haben, für ein Vorbild?
Nein, natürlich sollen sich Anwohner bei Projekten, von denen sie betroffen sind, wehren können. Aber das hier wirklich jeder jedes Vorhaben über Jahre oder gar Jahrzehnte aufhalten kann, das führt doch nicht weiter. Und dann sollte ein Gericht entscheiden, und zwar schnell. Wir müssen es schaffen, dass Planungsverfahren höchstens ein Jahr dauern. Alles andere können wir uns nicht leisten.
Gilt das auch für Genehmigungen etwa von Unternehmensansiedlungen?
Auch dafür sind Änderungen des Planungsrechts dringend notwendig. Der Bericht des Innovationsforums Planungsbeschleunigung beinhaltet noch viele sinnvolle Ideen, die bisher leider nicht umgesetzt wurden. Viele sind bisher auch am Widerstand des Justiz- und des Umweltministeriums gescheitert. Beim Kohlausstieg hatten wir eine Diskussion über Sonderwirtschaftszonen, um schnellere Planungen zu ermöglichen. Das brauchen wir für die ganze Republik. Es geht doch längst nicht mehr um Stuttgart gegen Berlin, es geht um die internationale Wettbewerbsfähigkeit.
Für die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts ist eine gute Infrastruktur entscheidend. Einige Bundesminister lassen sich wegen der vielen Funklöcher in Deutschland angeblich keine Gespräche von ausländischen Kollegen mehr auf das Handy stellen. Ist das nicht peinlich?
Absolut. Genauso wie der Flughafen Berlin-Brandenburg. BER – diese drei Buchstaben stehen mittlerweile für Versagen und staatliches Missmanagement. Da sieht man, wohin es führen kann, wenn wir uns mit Ausschreibungen, Planungen und Klagen blockieren, so dass am Ende gar nichts mehr geht.
Bei der Netzabdeckung hat man lange auf die privaten Mobilfunkunternehmen vertraut, die es auch nicht geschafft haben für eine vernünftige Netzabdeckung zu sorgen. Muss es doch der Staat richten?
Es ist zumindest offensichtlich, dass es so wie bisher nicht weitergehen kann. Die Funklöcher kennt jeder, der viel unterwegs ist. Auch der Breitbandausbau geht viel zu langsam voran. Das ist übrigens kein Problem von Ost oder West, sondern leider in vielen Regionen quer durch Deutschland. Nun hat Andreas Scheuer als zuständiger Minister für die Infrastruktur dazu einen Plan vorgelegt, wie der Ausbau mit den Unternehmen zusammen gelingen soll. Der wird umgesetzt. Aber ich sage klar: Wenn es nicht schnell besser wird, dann müssen wir in diesem Bereich neue Wege gehen.
Das wurde nun in den vergangenen zehn Jahren oft versprochen, aber passiert ist wenig. Irgendwo hakt es dann halt doch immer, an irgendeiner Verordnung, einer Vorschrift.
Das sind aber doch keine Naturgesetze! Das wurde alles von Abgeordneten so beschlossen und kann dann auch geändert werden. Ich bin sehr dafür, die Dinge auf den Prüfstand zu stellen. Nehmen Sie die Datenschutzgrundverordnung: Warum sollten wir uns mit der abfinden, wenn wir doch wissen, dass sie gerade für viele kleine Betriebe eine riesige bürokratische Belastung ist? Wir können sie in Europa auch wieder verändern. Oder der Regelungswahnsinn der mit öffentlichen Ausschreibungen verbunden ist. Ich bin ein großer Anhänger des EU-Binnenmarktes. Aber nicht jeder Anstrich einer Kita sollte europaweit ausgeschrieben werden.
Also alles auf den Prüfstand?
Für mich ist klar - es geht um die Zukunftsfähigkeit des Landes. Wir können den jungen Menschen nicht versprechen, dass sie morgen hier noch Arbeitsplätze finden werden und dann die Hände in den Schoß legen. Wir müssen die Sorgen ernst nehmen, ob es um den Kampf gegen den Klimawandel geht oder um zukünftigen Wohlstand. Aber dafür müssen wir auch die Weichen richtig stellen.
Was halten Sie von Greta Thunberg?
Ich kenne sie persönlich nicht und kann mir deshalb kein Urteil erlauben. Ehrlicherweise habe ich mich in den vergangenen Wochen nicht so viel mit ihr beschäftigt. Ich habe mehr mit Menschen in der Lausitz gesprochen, die um ihren Arbeitsplatz fürchten. Und jungen Menschen, die sich aktiv mit konkreten Ideen für unser Klima einsetzen.
Und wie will die CDU als Volkspartei beiden Seiten gerecht werden?
Wir müssen wieder unsere Zusagen einhalten. Unser Gesetz zum Strukturwandel sieht eine Unterstützung für die betroffenen Kohleregionen von bis zu 40 Milliarden Euro vor. Die müssen dort nun auch wirklich ankommen. Und generell gilt für all diese Fragen: Wir dürfen die Menschen nicht gegeneinander ausspielen. Die Verkehrswende mag in den Städten einfacher sein, in der Lausitz oder der Schwäbischen Alb gibt es aber viele, die auf das Auto angewiesen sind. Wir brauchen Regeln, die die Menschen nicht einseitig belasten.
Vizekanzler Olaf Scholz hat den Fortbestand der Großen Koalition davon abhängig gemacht, ob Union und SPD sich auf weitreichende Maßnahmen zum Klimaschutz einigen können. Nehmen Sie die Drohung ernst?
Ich nehme immer ernst, was der Vizekanzler und Bundesfinanzminister sagt. Aber ich weiß auch, dass die SPD sich in einem parteiinternen Wettstreit befindet. Von daher erwarte ich in den kommenden Wochen da noch so manche Debatte. Was das Klimapaket angeht: Wir als CDU wollen, dass es ein gemeinsamer Erfolg wird. Das Thema ist zu wichtig für parteipolitische Profilierungsversuche.
Allerdings versuchen sich CDU wie SPD derzeit zu profilieren angesichts der Schwäche in den Umfragen. Was bedeutet das für die Zukunft der Großen Koalition?
Diese Debatte ärgert mich. Es geht doch nicht darum, welche Partei was durchgesetzt bekommt, sondern ob am Ende ein gutes Ergebnis steht. Wir versuchen jetzt, etwas Vernünftiges auf den Weg zu bringen.
Was sagt es eigentlich über die Durchsetzungsfähigkeit des Bundeswirtschaftsministers aus, wenn der CDU-Generalsekretär sich nun mit einem ordnungspolitischen Appell zu Wort melden muss?
Dass wir uns gut ergänzen und gut zusammenarbeiten….
Er sitzt aus und Sie schieben an?
Wir arbeiten Hand in Hand. Peter Altmaier hat gerade seine Mittelstandsstrategie vorgestellt, für die er aus der Wirtschaft sehr gelobt wurde. Beim Solidaritätszuschlag hat er für unsere Sache gekämpft. Die Wirtschaftspolitik hat für den Generalsekretär der CDU eine hohe Bedeutung genauso wie für Peter Altmaier oder Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus und unsere Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer. Wirtschaftspolitik sehen wir als gemeinsame Herausforderung und Chance.