Interview von CDU-Generalsekretär Peter Tauber mit der "Berliner Zeitung"
Die Pressestelle der CDU Deutschlands teilt mit:
CDU-Generalsekretär Dr. Peter Tauber gab der „Berliner Zeitung“ (heutige Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellten Daniela Vates und Thomas Kröter.
Berliner Zeitung: Herr Tauber, wie sieht das durchschnittliche CDU-Mitglied aus?
Peter Tauber: Das durchschnittliche CDU-Mitglied heute ist ein freundlicher Herr Ende 50, wahrscheinlich graumeliert oder mit einer ähnlichen Frisur wie ich.
Das soll jetzt anders werden. Sie wollen die CDU jünger, weiblicher, bunter machen.
Ja, wobei man darüber diskutieren kann, ob „bunt“ aussagekräftig genug ist. Das kann ja auch beliebig klingen. Es ist ein schönes Wort, das jeder mag. Eigentlich rede ich doch lieber von…
…schwarz...?
Nein, davon, dass wir auf Menschen mit Zuwanderungsgeschichte zugehen.
Sie könnten auch Multi-Kulti-CDU sagen.
Sicher nicht. Mit Multi-Kulti haben wir weiterhin nichts am Hut. Zuwanderer ist doch ein schönes Wort. Es ist wärmer, weniger abstrakt als Migranten. Es macht auch deutlich: Da kommt jemand zu etwas dazu, was schon da ist. Natürlich ist der Prozess, der dann folgt, nicht einseitig. Integration heißt nicht nur, dass man sich einfügt, sondern auch, dass die Aufnehmenden sich öffnen.
Und wie groß ist die Abwehrreaktion in der Partei?
Wenn ein immer größerer Teil des Landes ausländische Wurzeln hat, sollte die CDU das abbilden. Da kann es auch mal kontroverse Diskussionen geben, was das heißt. Aber Menschen, die sich hier etwas aufbauen wollen oder aufgebaut haben, die hier ihre Zukunft sehen und unser Gemeinwesen gestalten wollen – das sind doch Menschen, die gut zu uns passen. Das U in unserem Namen steht für die Überwindung der Konfessionsgrenzen, für die Suche nach Gemeinsamkeiten, für die Integration der Heimatvertriebenen und der Spätaussiedler. Diesen Anspruch müssen wir ins Heute übersetzen.
Trennen Sie sich vom Christlich, vom C im Namen, weil die Festlegung auf eine Religion auch ausgrenzt?
Das auf keinen Fall! Wir sind eine Partei, die durch christliche Werte geprägt ist, wir sind aber keine Kirchenpartei. Und es gibt eine erkennbare Zahl von Muslimen, die gerade wegen des Cs in die CDU kommen. Unsere Werteorientierung ist bereits eine verbindende Brücke.
Müssen Sie bei Ihrem Reformeifer darauf Rücksicht nehmen, dass es mit der AfD erstmals eine neue Partei im konservativen Lager gibt?
Die AfD ist nicht konservativ, sie ist reaktionär. Es ist ein großer Unterschied, ob ich versuche mich zu erinnern, was gut war und was davon bewahrenswert ist. Oder ob ich nur an etwas festhalte, um es nicht loszulassen. Für mich gilt: Wir wollen die Flamme bewahren und nicht die Asche weitertragen. Ich kann bei der AfD nicht erkennen, was sie tut, damit die Flamme heller leuchtet. Sie führt rückwärtsgewandte Angstdebatten. Alles was sie europapolitisch fordert, ist meilenweit weg von der Union. Ich glaube also, dass Konservative in der CDU sehr gut aufgehoben sind.
Merken Sie an der Basis, dass es Konkurrenz gibt von der AfD – etwa durch Übertritte?
Ich habe den Eindruck: Dort, wo AfDler von uns kommen, will sie von uns keiner geschenkt zurück. Es sind oft die, die wenig diskussionsfähig waren, die immer alles besser wussten. Die müssen dann eben eine neue Heimat finden. Mich interessieren daher eher die Wähler und die Themen als die Funktionäre der AfD. Und ich rate uns im Umgang zu einer gewissen Gelassenheit.
In den Umfragen liegt die AfD meist über fünf Prozent.
Ja, so war das auch bei den Piraten. Die lagen teilweise sogar im zweistelligen Bereich. Die Arbeit der AfD ist doch nur von Streitereien, Intrigen und Rücktritten geprägt. Ich glaube, dass sie auf Dauer den Weg der Piraten gehen und verschwinden wird.
Gibt es diesen altkonservativen 50er-Jahre-Flügel der CDU noch?
Man sollte schon darüber diskutieren, was eigentlich konservativ ist. Für mich als Konservativen ist das vor allem eine Frage der Haltung. Jammern und Wehklagen, dass angeblich niemand auf einen hört, ist nicht konservativ.
Sondern: Zähne zusammenbeißen?
Ja. Lerne leiden ohne zu klagen. Wobei ich nicht finde, dass es viel Grund zu klagen gibt.
Sie sagen, Ihre Partei sei offen für Modernisierung. Ihr Parteikollege, der frühere Bundespräsident Christian Wulff, beklagt, dass er zurücktreten musste, weil er zu modern war. Weil er den Satz gesagt hat „Der Islam gehört zu Deutschland“ und ihm das konservative Kreise übel genommen hätten. Sehen Sie das auch so?
Nein, das wäre auch zu monokausal. Aber Christian Wulff hat ja auch noch einige selbstkritische Töne gefunden. Wenn ich das für mich übersetze, bin ich weit davon entfernt, dass alles, was ich mache erstens richtig ist und zweitens klappen wird. Wenn Sie nicht bereit sind, auch ein Scheitern hinzunehmen, dürfen Sie keine neuen Ideen äußern. Wenn ich etwas verändern will, muss ich gewisse Risiken eingehen. Wenn ich ein politisches Amt habe – wie das des Generalsekretärs – versuche ich, möglichst alle für einen Weg zu begeistern. Je mehr ich begeistern kann, umso mehr wird dieser Weg erfolgreich sein. Aber was am Ende rauskommt, entscheide ich nicht alleine. Also muss man immer die Möglichkeit einkalkulieren, dass auch etwas nicht klappt. Die Schuld den anderen zuzuschieben – das ist nicht meine Herangehensweise.
Sie sehen sich eigentlich in der üblichen Wadenbeißer-Rolle?
Ich kann auch ganz schön beißen, aber ich muss einen guten Anlass haben. Und es muss schmecken.