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Merkel: „Eine Islamisierung sehe ich nicht“
„Der Islam gehört zu Deutschland.“ Diesen Satz – 2010 vom damaligen Bundespräsidenten Christian Wulff zum 20. Jahrestag der Wiedervereinigung ausgesprochen – hat die Bundeskanzlerin Angela Merkel in der Reaktion auf die Anschläge in Paris in den vergangenen Tagen immer wieder gesagt. Im Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) erklärt sie am Freitag, was dieser Satz für sie bedeutet: „Dass sehr viele Muslime hier in Deutschland leben, insgesamt rund vier Millionen Menschen, die entweder die deutsche Staatsangehörigkeit oder jedenfalls dauerhaft hier ihren Lebensmittelpunkt haben und in ihrer übergroßen Mehrheit rechtschaffene, verfassungstreue Bürger sind.“
„Wir erwarten, dass sie die deutsche Sprache sprechen“
Sie seien ein Teil von Deutschland, und der Glaube, der ihnen wichtig ist, sei es inzwischen auch, führt Merkel aus. Diese Menschen brächten sich mit ihrer Kraft hier ein. Die Bundeskanzlerin macht deutlich: „Wir erwarten, dass sie die deutsche Sprache sprechen, wir erwarten, dass sie sich zu unserer Rechtsordnung bekennen, und sie dürfen von uns erwarten, dass wir sie dann auch als zu uns gehörig annehmen.“ Religionsfreiheit und Toleranz meinten nicht, dass im Zweifelsfall die Scharia über dem Grundgesetz stehe. Freiheit und Toleranz bedeuteten nicht wegsehen oder das Messen mit zweierlei Maß.
Die Bundeskanzlerin bekennt ganz klar: „Natürlich stehen wir auf dem Fundament der christlich-jüdischen Traditionen aus den vergangenen Jahrhunderten.“ Unsere Gesellschaft sei durch eine gemeinsame Geschichte in Europa gegangen, daraus haben sich Aufklärung, die heutige Werteordnung und das Verhältnis von Staat und Glauben ergeben. Aber: „Wenn wir heute darüber sprechen, dass inzwischen auch der Islam zu Deutschland gehört, dann sprechen wir über die Realität unserer heutigen Gesellschaft.“
Mehrheit der Muslime vor Generalverdacht schützen
Wie bereits in ihrer Regierungserklärung am Donnerstag legt Merkel auch Im Gespräch mit der FAZ dar: „Meine Aufgabe ist es, die übergroße Mehrheit der Muslime in Deutschland vor einem Generalverdacht zu schützen und Gewalt im Namen des Islams zu bekämpfen.“ Gleichzeitig halte die CDU-Vorsitzende es für wichtig und dringlich zu klären, wie „Mörder, die sich für ihre Taten auf den Islam berufen, nichts mit dem Islam zu tun haben sollen“. Diese Klärung fordert sie in aller Deutlichkeit von der Geistlichkeit des Islams.
Der Trauermarsch am Sonntag in Paris und auch die Mahnwache der muslimischen Verbände am Brandenburger Tor in Berlin haben „ein starkes Signal der Solidarität und Entschlossenheit“ gesendet, freut sich die Bundeskanzlerin. Sie gibt zu: „Wir halten so oft Reden darüber, aber in diesen Tagen spürt man: Die Freiheit, das ist für die allermeisten Menschen ein Lebensbedürfnis.“
„Muslime und der Islam sind Teil unseres Landes“
Der Furcht vor Islamisierung erteilt Merkel eine klare Absage: „Die Muslime und ihre Religion, der Islam, sind Teil unseres Landes. Eine Islamisierung sehe ich nicht.“ Vielmehr sehe sie eher für Christen die Notwendigkeit, noch mehr und selbstbewusst über ihre christlichen Werte zu sprechen und ihre eigenen Kenntnisse ihrer Religion zu vertiefen. Das sei aber keine klassische Aufgabe für die Politik, hier seien die Kirchen und die Gläubigen selbst gefordert.
Merkel hebt allerdings klar hervor: Salafismus und Islamismus gehörten nicht zu Deutschland – dem begegne der Rechtsstaat mit den Mitteln des Strafrechts. Sogenannte Ehrenmorde oder mit der Scharia eine Paralleljustiz zu schaffen, würden nicht geduldet.
Das vollständige Interview, in dem Angela Merkel auch über die Sanktionen für Russland und das Verhältnis Großbritanniens zur EU spricht, lesen Sie in der Freitagsausgabe der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“.