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AKK: "Ein Jahr für Deutschland und ein Chancenjahr"
Freiwillige Feuerwehr, THW, Rotes Kreuz und viele mehr – sie alle leben vom freiwilligen Engagement der Bürgerinnen und Bürger. Doch Studien zeigen, dass die Bereitschaft schwindet, sich langfristig ehrenamtlich zu engagieren. Als mögliche Lösung wird in der CDU die Einführung einer allgemeinen Dienstpflicht diskutiert. Der Ursprung dieses Vorschlags geht auf die Gespräche zurück, die die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer im Rahmen der Zuhör-Tour mit den CDU-Mitgliedern vor Ort geführt hatte. Die Ergebnisse fanden Eingang in den Prozess zur Erarbeitung des neuen Grundsatzprogramms. Bei dem hochkarätig besetzten Werkstattgespräch im Berliner Konrad-Adenauer-Haus diskutieren externe Experten und CDU-Politiker das Für und Wider einer allgemeinen Dienstpflicht.
In ihrer Begrüßung betonte Annegret Kramp-Karrenbauer, dass es letztlich um die Bindung des Bürgers an den Staat gehe. Angesichts eines Anstiegs der Zahl der Populisten müsse man sich auch die Frage stellen: „Gibt es überhaupt noch Kitt, der unsere Gesellschaft zusammenhält?“
Zum Auftakt des Werkstattgesprächs "Dienstpflicht" ließ die CDU-Vorsitzende offen, ob der gesellschaftliche Zusammenhalt durch eine verpflichtende Dienstzeit oder durch verbesserte freiwillige Angebote gestärkt werden könne. Wenn es freiwillig sein sollte, müsse man auch darüber nachdenken, mit welchen Anreizen diese Freiwilligkeit gefördert werden könne, und was das kosten würde, machte sie deutlich.
Ziel des Werkstattgesprächs sei, eine sachliche Diskussion unter Einbeziehung praktischer, rechtlicher und gesellschaftlicher Aspekte sowie „konzertierte Arbeit an der Sache“, so Kramp-Karrenbauer. Sie erhoffe sich eine belastbare Grundlage, um noch in dieser Legislaturperiode „zielführende politische Diskussionen“ führen oder das Thema in ein Wahlprogramm aufnehmen zu können. Die Ergebnisse vorangegangener Werkstätten seien bisher immer zu konkreter Regierungsarbeit geworden, hob sie die Bedeutung der Veranstaltung hervor.
Welskop-Deffaa: Viele junge Leute sind bereit
In einem ersten Auftakt-Statement hob Eva Welskop-Deffaa aus dem Vorstand des Deutschen Caritasverbands hervor, dass Engagement einer Haltung entspringe und dann zur Handlung werde, wenn Menschen sich freiwillig für die Gesellschaft einsetzen. Viele junge Menschen hätten bereits ein Ehrenamt, bekämen jedoch Schwierigkeiten, dieses nach der Schule auch in Ausbildung und Beruf weiter fortzuführen.
Tauber: „Der Dienst nimmt nicht nur, er gibt auch“
Peter Tauber, Staatssekretär im Bundesverteidigungsministerium, sprach sich im Anschluss klar für ein verpflichtendes Dienstjahr aus. „Wer fühlt sich denn heute noch fürs große Ganze verantwortlich?“, stellte er als Frage in den Raum und betonte, dass der derzeitige Bundesfreiwilligendienst zwar ein sehr wichtiges Element sei, jedoch längst nicht alle Menschen erreiche. Dass junge Menschen aber mit anderen Lebenswelten in Kontakt kämen, sei von großer Bedeutung. Zudem erfahren Freiwillige auch Wertschätzung für das, was sie tun, lernen sich selbst neu kennen und könnten so ihre Interessen besser ausloten. „Der Dienst nimmt nicht nur, er gibt auch“, betonte Tauber und schob hinterher: „Verantwortung muss man lernen“. So entstünde Zusammenhalt, Empathie und ein neuer gesellschaftlicher Zusammenhalt.
Als nächste Schritte schlug Tauber vor, den Bundesfreiwilligendienst zu stärken und finanziell besser auszustatten und die juristischen Rahmenbedingungen für ein verpflichtendes Dienstjahr zu prüfen.
Werkstatt 1 „Für und Wider die Dienstpflicht – rechtliche Grundlagen und politische Überlegungen“ wurde von Dr. Jens Kreuter geleitet. Kreuter war von 2006 bis 2011 Bundesbeauftragter für den Zivildienst. Gegenwärtig ist er Geschäftsführer von „Engagement Global“. Impulse zu dieser Werkstatt steuerten Gitta Connemann MdB und Philipp Amthor MdB bei.
Kreuter führte aus, dass die Einführung einer Dienstpflicht rechtlich möglich wäre. Diese Frage stand in den vergangenen Monaten unbeantwortet im Raum. Eine solche Einführung sollte aber im Wege einer Grundgesetzänderung erfolgen, der eine verfassungsrechtliche Überprüfung folgen dürfte. "Das war sicher das große Ergebnis der Arbeitsgruppe", führte Kreuter zusammen. Ein Dienstpflichtjahr an die Schulzeit anzuschließen fiele wegen des föderalen Systems aus, eine reine Wehrpflicht wurde vor dem Hintergrund der Geschlechtergleichheit nicht weiter thematisiert. "Alle werden gebraucht", sagte Kreuter mit Blick auf die Zielgruppen dieser Maßnahmen. Alleine junge Menschen anzusprechen sei vermutlich wenig zielführend. In einer ersten Stufe sollte die Stärke der bisherigen Freiwilligendienste ausgebaut werden. Es wurde auch die Idee eines Rechtsanspruchs auf einen Freiwilligendienst diskutiert, der mit einer Übernahme der Kosten verbunden wäre. Auch kam die Arbeitsgruppe zum Ergebnis, dass die Grenzen zwischen ehrenamtlicher Freiwilligkeit und bezahlten Diensten deutlicher gezogen werden müsse.
Werkstatt 2 „Die Sicht der Jugendlichen: Die Bedeutung der Freiwilligendienste für soziale Kompetenz und gesellschaftlichen Zusammenhalt“ leitete Bettina Wiesmann MdB, die den Bundesfachausschuss Gesellschaftlicher Zusammenhalt leitet. Einen Impuls steuerte Finn Wandhoff bei, Bundesvorsitzender der Schüler Union.
Wiesmann stellte dar, dass die Freiwilligendienste als "etwas gesellschaftlich sehr Wertvolles" bewertet wurden. Ein solches soziales Engagement könne nur auf Basis einer Freiwilligkeit gedeihen, was einer Pflicht zum Dienst widersprechen würde. Ein besonderer Beitrag der Dienstpflicht sei es, alle zu erreichen, auch solche Gruppen, die ggf. durch persönliche Biografien bisher für eine solche Ansprache nicht empfänglich waren. "Zusammenhalt durch gemeinsames Erleben" sei ein besonders zu erwähnendes Ziel, gerade aus der Perspektive prekärer Jugendlicher. Dies ginge einher mit den vermehrt vorhandenen Wünschen der Jugendlichen nach Orientierung. Eine breite Auswahl unter möglichst vielfältigen Angeboten würden den Erfolg der Maßnahme auch bestärken.
Die "Wenn, dann-Überlegung" in der Gruppe: Ein solches Dienstjahr müsste möglichst flexibel gestaltet werden können, um individuellen Biografien gerechter zu werden. Die Arbeitsgruppe bringt deshalb die Idee eines Lebenszeitkontos ins Spiel, auf das eingezahlt werden könne. Ein weiterer Aspekt sei, dass die Teilhabe an einem Freiwilligenjahr nicht zu (finanziellen) Härtefällen in Familien führen dürfe.
In einem letzten Punkt schlägt die Arbeitsgruppe vor, das Engagement zunächst als inländisches Projekt umzusetzen, weil es zuvorderst um einen Zusammenhalt in der eigenen Gesellschaft ginge.
Werkstatt 3 „Die Sicht der Einsatzstellen: Mehr Nachwuchsgewinnung, Sensibilisierung für die Arbeitsbereiche und Attraktivität für bürgerschaftliches Engagement“ wurde von Christian Baldauf MdL geleitet. Als Fraktionsvorsitzender der CDU Rheinland-Pfalz ist er zudem Oppositionsführer im Landtag. Einen Impuls steuerte Anja Schmollack bei, Landesvorsitzende des CDA Brandenburg und Vorsitzende des Landesfachausschusses Rente und Pflege.
Baldauf erläuterte, dass am Schluss der Runde eine Diskussion darüber entbrannte, ob man es Dienstpflicht nennen sollte oder besser abseits der Pflicht eine neue Begrifflichkeit finden könne. Eine erste Idee zu Institutionalisierung wäre ein sog. "Deutschland-Tag", einem Tag des Ehrenamts. Eine bundesweite Werbekampagne und Koordination sollten zu einer besseren Verzahnung von Angebot und Nachfrage in der Freiwilligkeit führen. Auch sollte man bei Gesetzesentwürfen abschätzen, welchen Einfluss sie auf ehrenamtliche Aktivitäten haben.
Es sollte nach Ansicht der Arbeitsgruppe an der generellen Freiwilligkeit festgehalten werden, auch weil viele Arbeitgeber nur selten Mitarbeiter in den Freiwilligendienst ziehen lassen würden. Es müsse also eine Regelung für Arbeitgeber geschaffen werden.
Auch sind Überlegungen in Richtung Schulunterricht angestrengt worden – nach dem Vorbild Mecklenburg-Vorpommerns, wo es bereits ein Schulfach "Feuerwehr" gäbe. Im Kontext der Freiwilligkeit müssten auch Rentenanwartschaften bedacht werden. Den Ursprung der Dienstpflicht betrachtet (Wehrdienst, Zivildienst und das Engagement bei Feuerwehren und technischen Hilfswerken) müssten unter diesen Aspekten mehr Ideen einbezogen und auch mehr Zielgruppen betrachtet werden. Auch könne man den Kreis nicht unbedingt nur auf Jugendliche reduzieren. Nach Auffassung des Arbeitskreises könnten rund 500.000 Menschen den Dienst in Anspruch nehmen.
AKK: "Ein Jahr für Deutschland und ein Chancenjahr"
In ihrem Schlusswort fasste Annegret Kramp-Karrenbauer die Ergebnisse aus den Werkstätten zusammen. Sie habe herausgehört, aber auch durch persönliche Beobachtung festgestellt, "dass es vor allem bei Jugendlichen in der Tat ein Bedürfnis nach Zusammenhalt und Sinnhaftigkeit gibt". Es sei deshalb "ein Jahr für Deutschland und es ist ein Chancenjahr für jeden, der daran teilnimmt", betonte AKK. In einer Zeit, die sehr ökonomisch geprägt sei, sei eine solche Wertschätzung essentiell. Die unterschiedlichen Vorschläge zu passenden Namen bewertete sie als "sehr gut und beachtlich".
Dem Vorwurf, lediglich günstige Arbeitskräfte generieren zu wollen, erteilte Kramp-Karrenbauer indes eine klare Absage: "Ein Deutschlandjahr kann es nicht zum Nulltarif geben."
Der ursprüngliche Gedanke, das Angebot könne sich nicht an Frauen richten, da diese ohnehin mit der Familienorganisation und möglichen Teilzeitbeschäftigungen hieraus schon genug Packen zu tragen hätten, müsse sie aus den heutigen Werkstätten heraus korrigieren. Es sei dort festgestellt worden, dass die Dienstpflicht oder das Dienstjahr es keine reine Männersache sein könne. "Da hat sich die Gesellschaft deutlich weiterentwickelt", sagte AKK.
Auch sei die Debatte um eine Einbindung von Menschen ohne deutsche Staatsangehörigkeit geführt worden. "Wir dienen Deutschland" sei auch bei jenen Menschen als ein Bekenntnis zu verstehen, das über die Grenzen der Staatsangehörigkeit hinwegginge. Gleiches gelte entsprechend auch für Menschen mit Migrationshintergrund.
Unabhängig von der Frage, ob ein solches Jahr generell freiwillig oder verpflichtend sein müsse, würden schon heute deutliche Verbesserungen des ehrenamtlichen Engagements alleine durch die offene Diskussion erreicht. "Vielleicht ist der Weg", so AKK, "sich in ein verpflichtendes Angebot hinein zu entwickeln, so dass es am Ende nur noch ein kleines Gap gibt zwischen freiwilligem oder verpflichtendem Engagement."
Allen Beteiligten sei dabei klar, dass schon heute ein gewisses Klientel über die Freiwilligkeit nicht erreicht werden würde. Kramp-Karrenbauer schilderte ein persönliches Beispiel aus ihrer Zeit als Bevollmächtige für die deutsch-französischen kulturellen Angelegenheiten. Sie sei seinerzeit mit einer Multimedia-Show durchs Land gereist, die sich vornehmlich an Abiturienten gerichtet habe. Es gab "unendlich viele Widerstände und Sorgen", ob Jugendliche aus prekären Familien- und Lebensverhältnissen überhaupt für ein Thema wie die deutsch-französische Freundschaft empfänglich seien. "Diese Zeit hat mich gelehrt: Wir unterschätzen permanent Menschen und überlassen sie sich selbst in ihren Lebensverhältnissen." Wenn es deshalb einer Pflicht bedürfe, sei dies ein starkes Argument dafür, sagte sie.
Auch könne man das Angebot nicht nur an Jugendliche richten. Sinnstiftung sei sicher auch am Ende eines Berufslebens gefragt.
Abschließend sagte sie: "Ich muss feststellen, diese Werkstatt hat heute schon unglaublich viele Aspekte mit auf die Tagesordnung gehoben." Die CDU werde nun die Ergebnisse sichern "und daraus Vorschläge ableiten, die Hand und Fuß haben". Nach einer weiteren Diskussion im kommenden Jahr solle abgeleitet werden, was bereits jetzt aufgenommen und ohne eine Grundgesetzänderung umgesetzt werden könne. Dann müsse entschieden werden, ob es bei der Freiwilligkeit oder einer Verpflichtung bliebe oder ob sich beide Angebote nicht bestens ergänzen. "Wir kommen dann sehr gerne wieder auf Sie zurück", adressierte sie dankend an die Teilnehmer.
Hier sehen Sie Teil 1 des Werkstattgesprächs bei CDU.TV.
Hier sehen Sie Teil 2 des Werkstattgespräches mit der Präsentation der Ergebnisse bei CDU.TV.
Hier sehen Sie unseren CDU.TV-Bericht über das Werkstattgespräch.