Ergebnisse des Koalitionsausschusses vom 08. März 2020
Die Ergebnisse des Koalitionsausschusses vom 8. März 2020 kurz zusammengefasst. Die Große Koalition beschließt,
- mit Humanität und Ordnung die Lage der Flüchtlinge in Griechenland unter Kontrolle zu bringen,
- mit der Förderung von Kurzarbeitergeld und Liquiditätshilfen die wirtschaftlichen Folgen von Corona zu begrenzen,
- mit einer Investitionsoffensive für Bauen, Wohnen und Digitalisierung und durch steuerpolitische Maßnahmen das Wirtschaftswachstum zu steigern und
- mit schnelleren Planungs- und Genehmigungsverfahren die Infrastruktur voranzubringen.
Die Ergebnisse des Koalitionsausschusses im Detail:
I. Unterstützung für Griechenland und humanitäre Hilfe für die Region Idlib
Griechenland hat als Land an der Außengrenze Europas die Aufgabe, diese Außengrenze zu schützen. Griechenland hat dabei unsere Unterstützung und Solidarität. Genauso wie bei der Unterbringung und Versorgung der in Griechenland ankommenden Flüchtlinge.
Ordnung und Humanität gehören für uns zusammen. Deswegen wollen wir Griechenland bei der schwierigen humanitären Lage von etwa 1000 bis 1500 Kindern auf den griechischen Inseln unterstützen.
Es handelt sich dabei um Kinder, die entweder wegen einer schweren Erkrankung dringend behandlungsbedürftig oder aber unbegleitet und jünger als 14 Jahre alt sind, die meisten davon Mädchen.
Auf europäischer Ebene wird in diesen Tagen über eine humanitäre Lösung verhandelt, um in einer „Koalition der Willigen“ die Übernahme dieser Kinder zu organisieren. In diesem Rahmen steht Deutschland bereit, einen angemessenen Anteil zu übernehmen.
Der Krieg in Syrien, insbesondere die Kämpfe in Idlib, haben längst zu einer humanitären Katastrophe geführt. Mittlerweile sind 980.000 Menschen auf der Flucht, die meisten davon sind Frauen und Kinder.
Die Vereinbarung einer Waffenruhe in Idlib und die Einrichtung eines Sicherheitskorridors müssen nun genutzt werden, um die dringend benötigte humanitäre Hilfe zu der leidenden Zivilbevölkerung vor Ort zu bringen.
Dafür hat die Bundesregierung aktuell 125 Mio. Euro zur Verfügung gestellt, die von den Vereinten Nationen zur Akuthilfe in Idlib genutzt werden.
II. Maßnahmen zur Unterstützung von Unternehmen, die von den Auswirkungen des Coronavirus betroffen sind
Der Arbeitsmarkt in Deutschland ist in sehr guter Verfassung. Zurzeit ist aber nicht absehbar, in welchem Umfang der Corona-Virus Unternehmen in Deutschland treffen wird und welche Auswirkungen das auf Beschäftigung und den Arbeitsmarkt haben wird. Durch die Corona-Krise soll möglichst kein Unternehmen in Deutschland in Insolvenz geraten, möglichst kein Arbeitsplatz verloren gehen.
Den betroffenen Unternehmen stehen die bewährten Förderinstrumente zur Verfügung. Sollte sich die Lage verschärfen, wollen wir schnell und passgenau reagieren können. Wir wollen Arbeitsplätze erhalten und Arbeitnehmern und Arbeitgebern Planungssicherheit geben. Dies können wir über Verbesserungen beim Kurzarbeitergeld erreichen.
Deswegen werden wir befristet bis Ende 2021 Verordnungsermächtigungen einführen, mit der die Bundesregierung die Voraussetzungen für den Bezug von Kurzarbeitergeld absenken und die Leistungen wie folgt erweitern kann:
- Absenken des Quorums der im Betrieb Beschäftigten, die vom Arbeitsausfall betroffen sein müssen, auf bis zu 10 %·
- Teilweise oder vollständiger Verzicht auf den Aufbau negativer Arbeitszeitsalden
- Ermöglichung des Kurzarbeitergeldbezugs auch für Leiharbeitnehmer
- Vollständige Erstattung der Sozialversicherungsbeiträge durch die Bundesagentur für Arbeit.
- Die Verordnungen selbst sollen zunächst bis Ende 2020 befristet werden.
An den am 29.01.2020 bereits beschlossenen Verbesserungen bei Kurzarbeit in Kombination mit Weiterbildung halten wir fest und setzen diese gesetzlich um. Wir werden die Regelungen zum Kurzarbeitergeld in dem vom BMAS vorgelegten Gesetzentwurf zur Förderung der beruflichen Weiterbildung im Strukturwandel und zur Weiterentwicklung der Ausbildungsförderung schnellstmöglich umsetzen. Der Gesetzentwurf soll deshalb am 11.03.2020 vom Bundeskabinett beschlossen werden und in einem verkürzten Verfahren in der ersten Aprilhälfte in Kraft treten.
Darüber hinaus wird die Bundesregierung Vorschläge für Liquiditätshilfen für Unternehmen unterbreiten, die besonders von den Auswirkungen des Coronavirus betroffen sind. Ein Gespräch mit den Spitzenverbänden der Deutschen Wirtschaft und den Gewerkschaften wird in Kürze erfolgen.
III. Investitionsoffensive für Deutschland
1. Investitionen stärken, Wirtschaftswachstum steigern
Wir erneuern unser Land und sorgen für Investitionen auf Rekordniveau. Es bleibt weiterhin viel zu tun – der öffentliche Investitionsbedarf für die nächsten 10 Jahre wird in einer Studie der Institute IW und IMK auf über 450 Milliarden Euro beziffert. Rechnet man entsprechend der bisherigen Anteile der staatlichen Ebenen an den öffentlichen Investitionen, kommen auf den Bund in den nächsten Jahren Investitionsaufgaben in Höhe von 140 Mrd. Euro zu. Aus diesem Grund hat der Bund bereits gehandelt und sowohl den Bundeshaushalt als auch die Finanzplanung umgestellt und mit einem Vorfahrtsschild für Investitionen versehen:
Die Investitionsausgaben des Bundes sind in den letzten Jahren bereits erheblich angestiegen und betrugen im Referenzjahr 2019 insgesamt 38,07 Mrd. Euro. Das Soll für die Investitionen im Bundeshaushalt 2020 liegt bei 42,91 Mrd. Euro. Mit den Eckwerten zum Bundeshaushalt 2021 und zum Finanzplan bis 2024 soll dieses hohe Investitionsniveau verstetigt werden.
Unterstellt man ab 2025 bis 2030 eine jährliche Steigerung der Investitionsausgaben in Höhe des durchschnittlichen Wachstums der Investitionsausgaben der letzten 10 Jahre, ergeben sich rechnerisch zusätzliche Investitionsausgaben i.H.v. rd. 70 Mrd. Euro für den Bund. Hinzu kommen Ausgaben für Bildung und Forschung.
Zudem sind die Investitionen des Bundes zu berücksichtigten, die aus den Sondervermögen geleistet werden. Allein 2020 bis 2024 stehen knapp 37 Mrd. Euro an Investitionsmitteln bereit (darunter unter anderem knapp 17,5 Mrd. Euro aus dem Energie- und Klimafonds, 4,8 Mrd. Euro aus dem Kommunalinvestitionsförderfonds, eine 3⁄4 Mrd. Euro aus dem Sondervermögen „Kinderbetreuungsfinanzierungsgesetz“, knapp 12,8 Mrd. Euro aus dem Fonds „Digitale Infrastruktur“ und 1 Mrd. Euro aus dem Aufbauhilfefonds). Weitere 2 Mrd. Euro kommen bis 2025 aus dem Sondervermögen Ganztagsschulbetreuung hinzu.
Unter Zugrundelegung der Haushaltsplanungen wird bei Fortschreibung des Trends über den Finanzplanzeitraum hinaus das Ziel erreicht werden, zusätzlich 140 Mrd. Euro in den kommenden 10 Jahren bereit zu stellen.
Um Deutschland fit für Gegenwart und Zukunft zu machen, wollen wir die Investitionslinie des Bundes bis zum Ende des Finanzplanzeitraums auf dem hohen Niveau von 2020 verstetigen und bis 2030 dynamisieren. Die für die nächsten Jahre erforderlichen zusätzlichen Investitionsmittel von 12,4 Mrd. Eurowerden insbesondere aus dem Überschuss des Jahres 2019 zur Verfügung stehen.
Um die gesamtstaatliche Investitionstätigkeit abgestimmt und koordiniert zu erhöhen, will die Bundesregierung im Rahmen einer „Nationalen Investitionsallianz“ gemeinsam mit Ländern und Kommunen Ziele und investitionspolitische Leitlinien beschließen. Die Bundesregierung legt künftig dem Deutschen Bundestag jährlich einen Investitionsbericht vor.
2. Investitionsverstärkung in der Finanzplanung 2021-2024
Wir werden die Investitionen des Bundes in den Jahren 2021 bis 2024 um jeweils um 3,1 Mrd. Euro verstärken und so vereinbarte Investitionspfade ausbauen und neue Prioritäten in Höhe von insgesamt 12,4 Mrd. Euro ermöglichen.
- Investitionen in die Verkehrswege des Bundes werden nicht nur auf dem hohen Niveau des Jahres 2020 gehalten, sondern um etwa 8 Mrd. Euro bis 2024 verstärkt werden.
- Die Städtebaumittel werden wir anheben. Aus diesen Programmmitteln soll auch die Reaktivierung von Brachflächen finanziert werden, die in Städten und Gemeinden dringend für den Bau neuer und bezahlbarer Wohnungen gebraucht werden. Das Brachflächenprogramm des Bundes wird fortgesetzt, sodass bis zur Mitte des Jahrzehnts insgesamt eine halbe Milliarde Euro an Bundesmitteln vor Ort zur Verfügung stehen wird. Zudem werden wir das Förderprogramm für die Sanierung und Modernisierung von Sportstätten so fortsetzen, dass die Mittel rasch und zielgenau eingesetzt werden können und möglichst vielen Sportstätten zugutekommen. Dafür werden wir neue Finanzmittel zur Verfügung stellen.
- Die Unterstützung des Bundes für den sozialen Wohnungsbau der Länder werden wir fortsetzen. 2018 bis 2021 haben wir dafür über die ursprünglich zugesagten Entflechtungsmittel hinaus 2,5 Mrd. Euro vorgesehen. Anschließend werden wir sicherstellen, dass den Ländern bis 2024 jährlich eine Milliarde Euro zur Verfügung stehen wird.
- Die Bundesregierung hat insbesondere im Rahmen ihrer Digitalstrategie und der Initiative für Künstliche Intelligenz an zahlreichen Stellen weiteren Investitionsbedarf identifiziert, den wir nun ebenfalls prioritär verstärken wollen. So werden die in der KI-Strategie vereinbarten 3 Mrd. Euro für Künstliche Intelligenz mit einer dritten Tranche verstärkt, das Engagement des Bundes im Quantencomputing um über 200 Mio. Euro zusätzlich ausgeweitet und Mittel für IT-Sicherheit in Höhe von mehr als 400 Mio. Euro sichergestellt. Wir werden weitere Investitionen über passgenaue Förderprogramme für die deutsche Raumfahrt, die Wasserstoffstrategie und die Digitalisierung sowie High-Tech- / Robotik-Ausstattung von Krankenhäusern bereitstellen und zum Ausbau der digitalen Infrastruktur den Zuschuss in das dazu errichtete Sondervermögen von knapp einer Milliarde Euro in 2021 auf knapp 3 Mrd. Euro in 2024 erhöhen.
3. Weitere Maßnahmen zur Stärkung öffentlicher und privater Investitionen
Wir werden nicht nur das staatliche Investitionsniveau verstetigen, sondern auch die Wirtschaft mit steuerpolitischen Maßnahmen stärken, um Anreize für private Investitionen zu setzen.
Steuerpolitische Maßnahmen
- Die Abschreibungsmöglichkeiten für „digitale Wirtschaftsgüter“ werden verbessert. Um eine konsensfähige Definition für „digitalen Wirtschaftsgüter“ zu finden, wird es zeitnah einen Meinungsaustausch zwischen Bundesregierung, Wirtschaft und Experten geben.
- Mit der Einführung einer Option zur Körperschaftsteuer wird es Personengesellschaften ermöglicht, steuerlich wie eine Kapitalgesellschaft behandelt zu werden. Die unterschiedlichen Besteuerungsformen können heute zu einer höheren Steuer für Personenunternehmer führen. Dies sollen Personenunternehmen durch die neue „Veranlagungsoption“ zukünftig vermeiden können.
- Aufgrund der in den letzten Jahren gestiegenen Gewerbesteuerhebesätze Anhebung des Ermäßigungsfaktors bei § 35 EStG auf 4,0, so dass es unter Berücksichtigung der Wirkung auf den Solidaritätszuschlag bei Personenunternehmern bis zu einem Gewerbesteuerhebesatz von rd. 420 % zu einer vollständigen Entlastung von der Gewerbesteuer kommt.
- Gemeinsam mit unseren Partnern bei den G20 und in der OECD arbeiten wir an einer Neuordnung der internationalen Besteuerung. Dabei wollen wir Regelungen zur globalen Mindestbesteuerung auf den Weg bringen. In diesem Zusammenhang wollen wir zur Entlastung der Wirtschaft und zum Abbau unnötiger Steuerbürokratie auch in Deutschland die Hinzurechnungsbesteuerung im Außensteuerrecht rechtssicher ausgestalten und modernisieren. Wir werden bis Ende 2020 den Niedrigbesteuerungssatz entsprechend der „Minimum Taxation“-Initiative anpassen. Die Koalition ist sich einig, dass die ATAD-Umsetzung jetzt schnell erfolgen soll.
Weitere investive Maßnahmen
- Der verbleibende finanzielle Spielraum wird insbesondere für eine „Investitionsoffensive Strukturwandel und gleichwertige Lebensverhältnisse“ genutzt werden. Dazu erhöht der Bund die Baransätze und VE der „Gemeinschaftsaufgabe Regionale Wirtschaftspolitik“ (GRW).
- Die Bundesregierung prüft, ob es einen nationalen politischen Konsens zum Thema kommunale Altschulden gibt. Unverändert wird der Klimaschutz große investive Anstrengungen verlangen, über die schon geplanten Investitionen hinaus. Die Mittel für das GVFG werden bis 2025 auf 2 Mrd. Euro steigen und danach weiter dynamisch verstetigt werden.
4. Verteidigungsausgaben
Der Verteidigungshaushalt wird es ermöglichen, die international vereinbarten Fähigkeitsziele zu erreichen und Fähigkeitslücken zu schließen.
IV. Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren
Die Koalition hat in dieser Legislaturperiode eine Reihe von dringlichen Maßnahmen zur Beschleunigung von Planungsverfahren im Infrastrukturbereich beschlossen, die bereits gesetzlich umgesetzt wurden und Wirkung entfalten. Damit wurden wichtige Voraussetzungen geschaffen, um Investitionen schneller und effektiver realisieren zu können.
Wir wollen gleichwohl unsere Anstrengungen verstärken und weitere Beschleunigungspotenziale noch in dieser Legislaturperiode heben. Damit die für Investitionen zur Verfügung stehenden Mittel in Rekordhöhe schneller realisiert werden können, werden wir weitere Maßnahmen zur Planungsbeschleunigung vor allem in den Bereichen Verkehr und digitale Infrastruktur ergreifen und auch das Verfahrensrecht anpassen:
1. Die Bundesregierung wird gebeten, den Entwurf eines Investitionsbeschleunigungsgesetzes bis Juli 2020 zu beschließen mit dem Ziel, dass das Gesetzgebungsverfahren im Herbst 2020 abgeschlossen wird. In dem Gesetz sollen auch die in den anliegenden Eckpunkten aufgeführten Maßnahmen zur Planungsbeschleunigung geregelt werden.
2. Die Bundesregierung wird gebeten, bis zur Sommerpause einen Vorschlag für die in ihrem Zuständigkeitsbereich liegenden exekutiven Maßnahmen vorzulegen, in den unter anderem die Maßnahmen aus den anliegenden Eckpunkten einfließen.
3. Der Koalitionsausschuss bittet die Bundeskanzlerin, in ihren Besprechungen mit den Regierungschefinnen und -chefs der Länder die zügige Umsetzung der bereits beschlossenen und noch zu beschließenden Maßnahmen zur Planungs- beschleunigung regelmäßig zu erörtern, damit auch alle Beschleunigungspotentiale umgesetzt werden.
4. Darüber hinaus wird die Bundesregierung gebeten, gegenüber der Europäischen Kommission darauf hinzuwirken, dass diese – als allein initiativberechtigte europäische Institution – Vorschläge zur Vereinfachung von planungsrechtlich relevanten Rechtsakten der Europäischen Union vorlegt.
Anlage: Eckpunkte der Maßnahmen zur Planungsbeschleunigung
Diese Eckpunkte stehen beispielhaft für den Willen der Koalitionspartner, die Investitionen in Deutschland zu beschleunigen.
1. Planungsbeschleunigung für den Verkehrsinfrastrukturausbau
- Wir wollen das Raumordnungsverfahren und das Planfeststellungsverfahren besser verzahnen und wo möglich zusammenlegen, um langwierig Mehrfachbefassungen der Behörden sowie der Öffentlichkeit zu vermeiden.
- Die Einführung einer rechtssicheren materiellen Präklusionswirkung für die Bereiche Schiene, Straße und Wasserstraße kann eine Beschleunigung von Genehmigungs- und Gerichtsverfahren bewirken. Wir prüfen im Lichte der im Herbst erwarteten EuGH-Entscheidung eine europarechtskonforme materielle Präklusion gesetzlich wieder einzuführen.
- Eine bessere Öffentlichkeitsbeteiligung spart Zeit. Unser Ziel ist eine positive Beteiligungs- und Planungskultur mit potenziell Betroffenen. Die Planungspraxis in anderen Ländern hat gezeigt, dass eine frühzeitige, ausführliche und für die Bürgerinnen und Bürger auch in der Wirkung ihrer Einlassungen transparente Beteiligung in hohem Maß befriedend und damit planungsverkürzend wirkt.
- Wir wollen die Digitalisierung von Planungs- und Genehmigungsverfahren deutlich beschleunigen, indem unter anderem das Onlinezugangsgesetz im Bereich von Leistungen und Genehmigungsverfahren in der Umweltverwaltung prioritär umgesetzt wird. Zudem wird ein zentrales „Internet-Artenschutzportal“ aufgebaut, um den digitalen Zugang zu relevanten Informationen zu vereinheitlichen. Bauen 4.0 ist insbesondere im Tiefbau eine große Chance für die Beschleunigung in der baulichen Realisierung. Bund und Ländern sollten die Fortschritte in diesem Prozess regelmäßig überprüfen.
- Eine Herausforderung sind die artenschutzrechtlichen Anforderungen, bei deren Erfüllung bei Vorhabenträgern und Behörden zum Teil große Unsicherheiten bestehen. Standardisierungen und Vollzugshinweise würden die Prüfung des Artenschutzes im Rahmen der Zulassungsverfahren daher wesentlich erleichtern.
- Wir wollen prüfen, wie die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Schutz gegen Baulärm, überarbeitet und so angepasst werden kann, dass insbesondere für Lärmsanierungsmaßnahmen, Brückensanierungen sowie Bahnhofs- und Stadtbahnmodernisierungen eine einfache Plangenehmigung ausreicht. Allein wegen des entstehenden Baulärms soll kein Planfeststellungsverfahren durchgeführt werden müssen, da sich sonst die Abhilfe einer Belastungssituation für die Bürgerinnen und Bürger unnötig verzögert.
- Wir setzen uns für ein schnelles Inkrafttreten der Bundeskompensationsverordnung zur Anwendung der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung für Bundesvorhaben ein.
- Wir werden ferner prüfen, inwieweit Maßnahmen ergriffen werden können, um die Elektrifizierung von Schienenstrecken und gegebenenfalls weitere kleine Baumaßnahmen zu beschleunigen, insbesondere durch den möglichen Verzicht auf ein Planfeststellungsverfahren.
- Auf Basis der Vorschläge der Länder werden wir weitere Maßnahmen realisieren: Dies betrifft die Verbesserung der Abläufe der Projektplanung im Straßenbau und Prüfung für Schienenbau und gegebenenfalls andere Fachgebiete.
2. Digitale Infrastruktur
- Wir wollen die Genehmigungsvoraussetzungen und Verfahrensvorgaben beim Glasfaserausbau reduzieren. Dazu werden wir die Regelungen zur Benutzung öffentlicher Wege überarbeiten. Bei geringfügigen baulichen Maßnahmen sollen die zuständigen Behörden vor Ort flexibler handeln können. Gleichzeitig werden wir eine Frist vorgeben, bis wann Behörden Anträge auf Nutzung der Straßen zum Ausbau auf Vollständigkeit geprüft haben müssen. Für den Glasfaserausbau im ländlichen Raum wollen wir die Nutzung von Forst-, Wald- und Wirtschaftswegen durch eine Duldungspflicht erleichtern.
- Um einen effektiven Ausbau der Mobilfunkmasten zu gewährleisten, wird prioritär auf Grundstücke und Liegenschaften der öffentlichen Hand zurückgegriffen. Zudem prüfen wir Erleichterungen für die Kontaktaufnahme zu den Eigentümern von geeigneten Grundstücken. Außerdem werden wir die bürokratischen Hürden für Standorte im freien Gelände (Außenbereich) und damit gerade in den ländlichen Regionen reduzieren.
- Die Mobilfunkinfrastrukturgesellschaft soll im Jahr 2020 ihre Arbeit aufnehmen und den Bau von Masten in den sog. weißen Flecken unterstützen.
- Zur Verbesserung des Mobilfunknetzausbaus an den Verkehrswegen wollen wir geltende gesetzliche Mindestabstände von Mobilfunkstandorten an Autobahnen und Bundesstraßen streichen, wobei etwaige Sicherheitsbelange vorab zu prüfen sind. Damit können die Mobilfunknetzbetreiber Standorte entlang der Straße auf bundeseigenen Flächen errichten und müssen nicht mehr auf private Grundstücke zurückgreifen. Darüberhinausgehend werden wir prüfen, ob Brücken und Schilderbrücken an Autobahnen und Bundesstraßen verstärkt für den Mobilfunknetzausbau genutzt werden können, und hierzu bundesweit einheitliche Vorgaben entwickeln.
- Die Einführung einer Konzentrationswirkung für den Bereich der digitalen Infrastruktur, wie er bei Planfeststellungsverfahren existiert, wollen wir prüfen.
- Um die Mitnutzung von vorhandenen Infrastrukturen einschließlich der öffentlichen Liegenschaften zu erleichtern, werden wir die Planungsdatenbanken weiterentwickeln und verbessern.
- Wir begrüßen ferner, dass die Bundesregierung in Umsetzung der Mobilfunkstrategie eine Kommunikationskampagne zu 5G beschlossen hat. Ziel ist es, die Akzeptanz des Mobilfunks vor Ort zu stärken. Dazu werden in einem ersten Schritt die Kommunen bundesweit als Ansprechpartner der Bürgerinnen und Bürger vor Ort mit Informationen zu den häufigsten Bürgerfragen versorgt werden.
Die nachfolgenden Abschnitte III. und IV. umfassen grundlegende Reformvorschläge für die Gerichts- und Verwaltungspraxis. Da viele der vorgeschlagenen Maßnahmen im Zuständigkeitsbereich der Länder liegen, werden wir bei der Prüfung dieser Vorschläge die Länder eng einbinden und sie gemeinsam mit den Ländern einer Lösung zuführen.
3. Gerichtsverfahren
Gerichtsverfahren im Zusammenhang mit Planungs- und Genehmigungsverfahren wollen wir beschleunigen. Hierzu werden wir unter anderem folgende Maßnahmen ergreifen:
- Den Katalog für die erstinstanzliche Zuständigkeit der Oberverwaltungsgerichte bzw. Verwaltungsgerichtshöfe für Planfeststellungsverfahren wollen wir um wichtige infrastrukturelle Großvorhaben erweitern, die mit den bereits in § 48 Abs. 1 VwGO aufgeführten Projekten hinsichtlich Bedeutung und Komplexität vergleichbar sind. Dies sind Landesstraßen, die Errichtung, Erweiterung oder Änderung von Wasserkraftwerken mit einer elektrischen Nettoleistung von mehr als 100 Megawatt und Vorhaben nach dem Bundesberggesetz. Ferner werden wir den Gesetzesentwurf des Bundesrates zum Hafenbeschleunigungsgesetz aufgreifen. Wir wollen prüfen, ob die Verwaltungsgerichtsbarkeit durch die Einrichtung von Planungs- und Wirtschaftsspruchkörpern spezialisiert und entlastet werden kann. Ferner befürworten wir stärkere länderübergreifende Kooperationen benachbarter Oberverwaltungsgerichte. Wir werden prüfen, ob die Revision gegen Entscheidungen der Oberverwaltungsgerichte/Verwaltungsgerichtshöfe auf Abweichungen von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungs- oder des Bundesverfassungsgerichts (Divergenzrüge) beschränkt wird.
- Der Einsatz von abgeordneten Richtern auf Lebenszeit, Richtern auf Probe sowie Richtern kraft Auftrags an Kammern der Verwaltungsgerichte soll flexibler ausgestaltet werden. Abweichend von § 29 Abs. 1 DRiG, der die Mitwirkung von nur einer abgeordneten Richterin/ eines abgeordneten Richters bei einer gerichtlichen Entscheidung erlaubt, soll für einen Übergangszeitraum auch eine Mitwirkung von entweder zwei abgeordneten Richterinnen/ Richtern auf Lebenszeit oder einer abgeordneten Richterin/ eines abgeordneten Richters auf Lebenszeit und einer Richterin/ eines Richters auf Probe oder einer Richterin/ eines Richters kraft Auftrags zulässig sein. Eine entsprechende Regelung könnte bis zum Ablauf des Jahres 2025 befristet werden.
- Wir wollen weitere Maßnahmen zur Straffung und Effektivierung der Gerichtsverfahren: Wir werden die Frist zur Eröffnung von Gerichtsverfahren prüfen. Ferner befürworten wir eine auskömmliche personelle Ausstattung der Gerichtssenate mit rechts- und naturwissenschaftlichen Mitarbeitern neben den Richterstellen. Berichterstatter in Gerichtsverfahren sollten bei einer Änderung der Geschäftsverteilung für bereits begonnene Verfahren zuständig bleiben können.
- Im Bereich des vorläufigen Rechtsschutzes wollen wir weitere Beschleunigungspotenziale heben, unter anderem indem wir wirtschaftliche Entwicklung und Klimaschutz als Abwägungsbelange in die VwGO aufnehmen.
4. Allgemeines Verfahrensrecht
- Durch den flexiblen Einsatz von Planungs- und Umweltrechtsexperten und die Bildung von projektbezogenen Planungsteams in den Vollzugsbehörden können Genehmigungsprozesse auf Bundesebene gestärkt und beschleunigt werden.
- Die Bildung von Kompetenzteams - behördenübergreifende Pools von Experten mit Großprojekterfahrung und flexibler Einsatzmöglichkeit nach dem Vorbild von anderen EU-Mitgliedstaaten - soll erprobt werden. Ferner streben wir an, einen regelmäßigen Erfahrungsaustausch über Gesetzesanwendung und best practices zwischen Behörden und Vorhabenträgern einzurichten.
- Wir wollen Änderungen bei den Vorschriften zur Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) prüfen. Soweit EU-rechtlich zulässig, könnten demnach Änderungsvorhaben unterhalb bestimmter Schwellenwerte zukünftig weder einer UVP noch einer UVP-Vorprüfung bedürfen. Die bestehenden UVP-Verwaltungsvorschriften sind veraltet. Die neuen UVP- Verwaltungsvorschriften sollen an den aktuellen Stand des Gesetzes und der Rechtsprechung angepasst werden. Die Konkretisierung der gesetzlichen Vorgaben in Verwaltungsvorschriften ist eine wertvolle Unterstützung der Behörden bei komplexen Zulassungsentscheidungen. Ferner wollen wir das Potential zentraler UVP-Internetportale zur Verbesserung der Information und Beteiligung der Öffentlichkeit nutzen.
- Wir werden weitere Verfahrensoptimierungen prüfen und gegebenenfalls realisieren, um die zeitlichen Planungsabläufe zu straffen. Hierzu gehört unter anderem eine verbesserte Abstimmung der Planunterlagen vor Beantragung eines Genehmigungsverfahrens, eine intensivere und frühzeitige Beratung für Antragsteller und Vorhabenträger, eine Ausschlussfrist für Einwendungen im Verfahren sowie feste zeitliche Rahmensetzungen für die Beteiligung.
- Vorhabenträger sollen mehr Planungssicherheit erhalten. Wir werden daher die Einführung einer gesetzlichen Stichtagsregelung im Rahmen von Genehmigungsverfahren prüfen, mit der zeitverzögernde Anpassungen von Planungsverfahren infolge von Rechtsänderungen vermieden werden können.