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CDU in Ost und West – gleiche Wurzeln, unterschiedliche Wege
Wenn wir als CDU Deutschlands in diesem Jahr an die Gründungsaufrufe der deutschen Christdemokratie vor 75 Jahren erinnern, dann denken wir an die Frauen und Männer in ganz Deutschland, die nach dem Ende eines furchtbaren Krieges und nach dem Zivilisationsbruch der Shoah gemeinsam am Aufbau der eigenen Heimat mitwirken wollten. Überall in Deutschland kamen engagierte und überzeugte Demokraten zusammen, um über die Konfessionsgrenzen hinweg zur Gründung einer christdemokratischen Partei aufzurufen: In Berlin, in Weimar, in Köln, in Chemnitz, in Bonn, in Neubrandenburg, in Vechta und an vielen anderen Orten unseres Landes. Während in den von den Westalliierten besetzten Gebieten – der späteren Bundesrepublik – die CDU maßgeblich am Aufbau einer auf Freiheit und Rechtsstaatlichkeit stehenden Demokratie mitwirkte, war die CDU in den von der Sowjetunion besetzten Gebieten von Beginn an Repressionen ausgesetzt. Auch nach Gründung der DDR wurden Christdemokraten schikaniert, verfolgt und eingesperrt. Nicht wenige flüchteten in den Westen.
Die CDU in der Bundesrepublik hat immer – auch gegen erhebliche Widerstände – am Auftrag zur Deutschen Einheit festgehalten. Vor 30 Jahren haben wir Deutsche dieses Ziel erreicht. Für die CDU war damit auch der Weg zu einer gesamtdeutschen Partei geebnet. Jedoch stellte sich die Frage, wie mit der Ost-CDU umzugehen war, die eine ganz eigene Entwicklung innerhalb eines diktatorischen Unrechtsstaat genommen hat.
Für Differenzierung – gegen Pauschalisierung
In unserem Grundsatzprogramm von 1994 haben wir bereits festgehalten:
„Es gehört zur Tragik der deutschen Nachkriegsgeschichte, dass Deutschland geteilt wurde und die Menschen im Osten Deutschlands erneut den Diktaturen eines totalitären Systems unterworfen wurden. Von aufrechten Frauen und Männern gegründet, geriet die CDU in der Sowjetischen Besatzungszone und in der DDR zunehmend in das Mahlwerk des totalitären Regimes. An die Stelle demokratischer Prinzipien traten die Mechanismen des sozialistischen Zentralismus. Vielen Menschen, die den christlich-demokratischen Werten nahestanden, war so der Weg zur Mitarbeit versperrt. Andere blieben trotz innerer Zweifel in der Partei. Trotz Benachteiligungen und persönlicher Risiken haben viele Mitglieder ihre innere Unabhängigkeit bewahrt. Sie konnten jedoch nicht verhindern, dass Bequemlichkeit, Opportunismus und Kollaboration bis hin zur persönlichen Skrupellosigkeit einzelner das Bild der Partei prägten. Die CDU nimmt die ganze Geschichte Deutschlands und damit auch die der eigenen Partei an und stellt sich dem notwendigen Prozess der Aufarbeitung und Erneuerung. Wir wollen dabei auch das Erbe der Bürgerbewegungen in der ehemaligen DDR aufnehmen und fortführen.“
Deshalb ist es keine Frage:
Es gab Menschen, die in der Ost-CDU Mitglied waren, weil sie ihre christliche Überzeugung auch im politischen Engagement zeigen wollten. Und es gab Menschen, die in der Ost-CDU Mitglied waren, weil sie Karriere machen wollten.
Es gab Menschen, die in der Ost-CDU Mitglied waren, weil sie einen Rückzugsraum ohne Repressionen gesucht haben. Und es gab Menschen, die in der Ost-CDU Mitglied waren und sich bereitwillig zum Handwerk der staatlichen Stasi-Repressionen machten.
Es gab Menschen, die in der Ost-CDU Mitglied waren, weil sie auf Veränderung und Reform von Innen hofften. Und es gab Menschen, die in der Ost-CDU Mitglied waren und sich schuldig gemacht haben.
Das alles zeigt: Es gab nie das klassische Ost-CDU-Mitglied, das wunderbar in die eine Schublade passte. Die Mitgliedschaft konnte ganz viele unterschiedliche Gründe haben. Aber es gab auch nie einen Zweifel daran, dass die Ost-CDU als Partei Teil des staatlichen Systems der DDR war. Und als Teil dieses Systems hat die Ost-CDU als Institution auch Schuld auf sich geladen.
Ist Versöhnung möglich?
Daher spielte für aufrechte Christdemokraten in den Wendejahren die Frage eine Rolle: Wie hältst Du‘s mit der Ost-CDU? Aber gerade für Christdemokraten ist ‚Schuld‘ auch immer offen für ‚Versöhnung‘. Voraussetzung für Versöhnung ist das Eingeständnis von Schuld und ein glaubwürdiges Bekenntnis zu den grundlegenden Werten von Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit.
Daher konnte niemand eine Heimat in der gesamtdeutschen CDU finden, der den Unrechtscharakter der DDR-Diktatur infrage stellte oder auch nur relativierte. Daher konnte niemand eine Heimat in der gesamtdeutschen CDU finden, der ein klares Bekenntnis zu unserem freiheitlichen und demokratischen Rechtsstaat verweigerte. Daher konnte niemand eine Heimat in der gesamtdeutschen CDU finden, der erlittenes Leid infrage stellte und geschehenes Unrecht nicht als das bezeichnete, was es war – nämlich Unrecht.
Und genau hierin liegt eben der Unterschied zur SED-Nachfolgepartei, die noch heute Mitglieder – auch Abgeordnete – in ihren Reihen hat, die sich weigern, die DDR einen Unrechtsstaat zu nennen, die Opfer der Stasi verhöhnen und geschehenes Leid relativieren.
In der CDU Deutschlands relativiert niemand DDR-Unrecht. Unsere Mitglieder bekennen sich aus voller Überzeugung zu unserem freiheitlichen und demokratischen Rechtsstaat. Und zur Wahrheit gehört auch: Die gesamtdeutsche CDU hat auf die Altvermögen, auf gewerbliche Unternehmen und auf Grundstücke der Ost-CDU unwiderruflich verzichtet – ganz anders als die PDS/Linkspartei/Linke.
Aufarbeitung fortsetzen
Gerade deshalb wird es mit der CDU Deutschlands auch keine Schlussstrich-Rhetorik geben; das betrifft auch die Aufarbeitung der Geschichte der Ost-CDU. Allzu oft wird vergessen, wie viel hier bereits geleistet wurde. Dennoch liegen in den Archiven noch viele Unterlagen, deren Auswertung Teil der Aufarbeitung sein müssen. Die Geschichtswissenschaften sind aufgerufen, den eingeschlagenen Weg fortzusetzen, die Geschichte weiterhin zu erforschen und die Archive zu erschließen.
Mehr Informationen
Sie finden die Dokumentation hier, inkl. lesenswerter Literatur zum Thema.