Vom Wort zur Tat: Gefahr durch Anhänger von Verschwörungsmythen
Anhänger von Verschwörungsmythen radikalisieren sich zusehends. Studien zeigen dabei: Verschwörungsgläubige tendieren nicht nur deutlich stärker zu Ausländerfeindlichkeit oder Antisemitismus. Verschwörungsmythen sind auch Gewaltbeschleuniger: So geht der Glaube an Verschwörungserzählungen mit einer erhöhten Wahrscheinlichkeit ein, Gewalt zu befürworten oder selbst gewalttätig zu werden.
In der jüngsten Vergangenheit gab es zahlreiche Vorfälle, bei denen aus Worten Taten wurden:
- Bei den rechtsextremen Anschlägen in Hanau im Februar 2020 wurden zehn Personen ermordet. Der Täter hatte sich Anfang November 2019 mit seinen Verschwörungstheorien in einer „Strafanzeige gegen eine unbekannte geheimdienstliche Organisation“ an den Generalbundesanwalt gewandt.
- Am 4. Dezember 2016 drang in Washington D.C. ein Mann mit einem Gewehr in eine Pizzeria ein, um die angeblich dort festgehaltenen und missbrauchten Kinder im Keller zu befreien. Er war der Überzeugung, dass das Restaurant die Zentrale eines pädophilen Netzwerks war, an dem auch Hillary Clinton verwickelt sein sollte. Der Täter war auf ein Verschwörungsmythos in einer Online-Community hereingefallen. In dieser Community tauchen Hinweise eines unbekannten Nutzer „Q“ auf. Dessen Anhänger nennen sich QAnons. QAnons verehren US-Präsident Donald Trump als Heilsbringer und gewinnen auch auf den Demonstrationen gegen die staatlichen Coronamaßnahmen in Deutschland Zulauf. Der Bundesverfassungsschutz beobachtet das mit Sorge. Dessen Präsident Thomas Haldenwang sagte dazu im Tagesspiegel: „Unter dem Dach des Grundgesetzes ist vieles an Verschwörungstheorie erlaubt. Bei QAnon prüfen wir noch, wohin sich das entwickelt und wie sich die Anhängerschaft zusammensetzt.“
- Mitte Oktober 2016 hat ein Reichsbürger aus Mittelfranken auf Beamte eines Spezialeinsatzkommandos geschossen. Dabei starb ein Polizist, zwei weitere wurden verletzt. Die Spezialeinheit sollte helfen, die rund 30 Waffen im Haus von P. zu beschlagnahmen.
- Ebenfalls 2016 schoss ein mutmaßlicher Reichsbürger bei der Zwangsräumung seines Grundstückes im Burgenlandkreis auf einen SEK-Mann. Nur dank seiner Schutzkleidung sei der Polizist nicht getötet worden.
Ohnehin sind die Reichsbürger längst im Visier der staatlichen Behörden. Im Verfassungsschutzbericht heißt es dazu: „Die Szene der „Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“ ist durch ihre staatsfeindlichen Einstellungen und Verschwörungstheorien geprägt. Letztere befördern auch eine Anschlussfähigkeit an antisemitische Erklärungsmuster. Daher finden sich bei „Reichsbürgern“ und „Selbstverwaltern“ immer wieder antisemitische Einstellungen und Äußerungen. Reichsbürgern“ und „Selbstverwaltern“ wurden dabei 2019 insgesamt 675 politisch motivierte Straftaten zugerechnet, von denen 589 als extremistisch eingeordnet wurden. Bundesinnenminister Horst Seehofer hat Anfang des Jahres auch zum ersten Mal eine Reichsbürger-Gruppierung bundesweit verboten. Ihre Ideologie sei ein Mix aus Esoterischem, Rassismus und einer Begeisterung für das "Germanische".
In einigen Bundesländern sehen Verfassungsschützer inzwischen starke Tendenzen, dass vor allem Rechtsextremisten die sogenannten „Hygiene-Demos“ unterwandern und dort Verschwörungsmythen und Fake News verbreiten. In diesen Szenen, so warnen Verfassungsschützer, könnten sich auch gewaltbereite Personen radikalisieren. Nordrhein-Westfalens Innenminister Heribert Reul sagte dazu: „Die Mischung ist dann noch gefährliche".