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Jüdisches Leben – Teil deutscher Geschichte
Gedenkstunde zum Gedenktag an die Opfer des Nationalsozialismus am 27. Januar 2021 im Deutschen Bundestag
Jüdisches Leben in Deutschland ist Teil unserer Geschichte – „der hellen, wie der dunkelsten“. Mit diesen Worten eröffnete Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble die Gedenkstunde für die Opfer des Nationalsozialismus im Deutschen Bundestag. Er verwies auf die unvergesslichen Verbrechen durch Nazi-Deutschland und den notwendigen Umgang damit in kommenden Jahrzehnten.
Wolfgang Schäuble: Judentum ist Teil der deutschen Geschichte
„Heute vor 76 Jahren befreite die Rote Armee das KZ Auschwitz. Wir gedenken alljährlich am 27. Januar aller Opfer des Nationalsozialismus. Wir gedenken der europäischen Juden, der Sinti und Roma, der Zwangsarbeiter, der Kriegsgefangenen, der Homosexuellen, der Behinderten. Und wir verneigen uns vor jedem einzelnen.” Bundestagspräsident Wolfgang machte zu Beginn seiner Rede deutlich, wofür der alljährliche Gedenktag steht. Für das dunkelste Kapitel deutscher Geschichte.
„Nach der Shoah schien jüdisches Leben in Deutschland unmöglich“, so Wolfgang Schäuble. Heute gebe es ein neues deutsch-jüdisches Selbstverständnis und vielfältiges jüdisches Leben in Deutschland. Das sei „ein unglaubliches Glück für unser Land.” Dies zu bewahren, ist unser aller Auftrag: „Wir müssen die Formen des Erinnerns erneuern. Unsere kollektive Verantwortung bleibt”, fordert Schäuble.
Charlotte Knobloch: überzeugte Jüdin und stolze Deutsche
Ein sehr persönliches Lebensbild zeichnete Charlotte Knobloch in der Gedenkstunde. Mit immer wieder unterdrückten Tränen schilderte sie ihre Jugend mit Ausgrenzung, Verfolgung und drohender Vernichtung. Die Nationalsozialisten haben voll Hass und Gleichgültigkeit das Schicksal von Millionen von Juden besiegelt.
Knobloch schildert anschaulich, wie sie sich ihr neues Leben in Deutschland mühsam erarbeiten musste. Aus dem „Exil“ in Franken kam sie zurück nach München, hatte ihre Auswanderung lange geplant – und blieb doch. „Ich hatte meine Heimat verloren. Ich habe sie mir wieder erkämpft und ich habe sie wiedergefunden. Ich bin eine stolze Deutsche.”
Die ehemalige Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland sieht eine gute Entwicklung des Landes und seiner Menschen. Sie warnt aber auch vor neuem Antisemitismus und Rassismus, vor Hass und Gewalt gegen andere. An die jungen Menschen gewandt sagte Charlotte Knobloch: „Lasst Euch nie einreden, wen Ihr zu lieben und wen Ihr zu hassen habt.“
Maria Weisband: deutsch und doch fremd
Die Publizistin Maria Weisband kam mit ihren Eltern aus der Ukraine nach Deutschland. Sie kamen, weil Deutschland vor 30 Jahren als tolerant und weltoffen bekannt war. Als Juden waren sie willkommen. Heute gebe es wieder Angriffe auf Juden, stellt Weisband fest. Jüdische Einrichtungen werden hier geschützt – und das ist gut. „Aber das macht was mit uns”, schildert sie aus ihrem eigenen Leben und Empfinden.
Auch deshalb ist sie in die Politik gegangen, hat sich einer Partei angeschlossen. Ihr Appell an uns alle, vor allem die jüngeren Generationen: „Wir sind jene, die alle aus der Vergangenheit gezogenen Lehren in die Zukunft überführen müssen.”
Übrigens: Einmal jährlich führt die CDU Deutschlands eine Aktionswoche zu aktivem jüdischem Leben in Deutschland durch. Beispiele finden Sie hier: cdu.de/schabbat-schabbat
Von Toleranz bis Verfolgung, von Hochachtung bis Hass, von Ansiedlung bis Vertreibung und Vernichtung – es gibt fast nichts, das Juden in Mitteleuropa und in Deutschland nicht erlebt hätten. Dabei hat jüdisches Leben, Denken und Handeln das Leben in vielfacher Weise reicher gemacht. Das soll so bleiben. Ein Auszug:
Leben, Handel und Wohlstand
Es war nicht der geborene Jude Karl Marx, der den Wohlstand nach Mitteleuropa brachte. Wohl aber die jüdischen Händler, die im Mittelalter enge Beziehungen in den Orient pflegten. Sie brachten nicht nur Pfeffer und Gewürze, auch den in Kirchen gebrauchten Weihrauch. Weil man Juden Handwerksberufe untersagte, wurden sie damals auch zu Mitbegründern des modernen Bank- und Kreditwesens.
Bis heute gäbe es auch keine Jeans ohne Levi Strauss. Kein Rosenthaler Porzellan ohne Philipp Rosenthal. Schon gar nicht in den von Berthold Kempinski erstmals etablierten Luxushotels, wie dem Berliner Adlon. Nachzulesen im Verlag von Samuel Fischer.
Hätten Sie’s gewusst? Das Briefgeheimnis wurde von Rabbi Gerschom ben Juda eingeführt – vor rund 1000 Jahren in Mainz.
Literatur, Musik, Malerei
Wer kennt ihn nicht, den „Hochzeitsmarsch“ von Felix Mendelssohn Bartholdy? Bis heute begleitet er viele Brautpaare an den Altar. Auch der Komponist entstammt einer jüdischen Familie. Mit ihm Gustav Mahler genauso wie die Maler Marc Chagall und Max Liebermann, die Schriftsteller Heinrich Heine, Franz Kafka, Vicki Baum, Kurt Tucholsky, Else Lasker-Schüler und Anna Seghers. Bleibt noch: „Licht aus, Spot an!“ Ilja Richter machte Popmusik mit „Disco“ in Deutschland populär und Hans Rosenthal hätte dazu gesagt: „Das ist spitze!“
Hätten Sie’s gewusst? Der Schriftsteller Benjamin Disraeli war 1868 und 1874-80 erster jüdischer Premierminister in Großbritannien.
Film und Fernsehen
Star Wars, Jurassic Park oder Indiana Jones sind ohne Steven Spielberg nicht denkbar, viele Hollywood-Komödien nicht ohne Billy Wilder und die Musik Bert Brechts nicht ohne Kurt Weill. Der Blaue Engel wäre 1930 ohne Josef von Sternberg nicht gedreht worden. Und ohne Stanley Kubrick gäb’s die „Odyssee im Weltraum“ heute nur im Space-Shuttle.
Hätten Sie’s gewusst? Die Parade-Nordmänner Erik und Einar aus dem Film „Die Wikinger“ sind so gesehen gar keine. Auch Tony Curtis und Kirk Douglas waren jüdischen Glaubens.
Wissenschaft
Mit Albert Einstein verlor Deutschland durch den Nazi-Terror einen seiner klügsten Forscher. Berühmte Denker waren Erich Fromm und Sigmund Freud. Rudolf Hertz hat den Weg zur drahtlosen Telegrafie geebnet – wäre ohne ihn Mobilfunk heute möglich? Und die moderne Medizin forscht heute noch im Paul-Ehrlich-Institut.
Sprache
Hebräisch mag uns fremd anmuten – aber Jiddisch klingt mitunter vertraut. Die Sprache der osteuropäischen Juden stammt aus dem Südwesten Deutschlands. Sie prägt die deutsche Sprache auch im Alltag. Ein Beispiel gefällig?
„Meine Mischpoke kommt aus einem kleinen Kaff. Moos oder Kies hatte keiner, die Pleite war näher als der Reibach. Trotz harter Maloche ging es allen oft mies. Weil viele wegen dieses Schlamassels oft beschickert waren und zockten, gab es immer wieder Zoff.“ Aber, reden wir mal Tacheles: Die Geschichte ist natürlich nicht koscher, sondern Stuss.
Hätten Sie’s gewusst? Auch der Wunsch zum „Guten Rutsch“ in Neue Jahr kommt aus dem Jiddischen. Dort wünscht man sich zum jüdischen Neujahrsfest „Gut Rosch“ – ein gutes Jahr!