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Interview von CDU-Generalsekretär Peter Tauber mit der Thüringischen Landeszeitung
Die Pressestelle der CDU Deutschlands teilt mit:
CDU-Generalsekretär Dr. Peter Tauber gab der Thüringischen Landeszeitung (heutige Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte Elmar Otto.
TLZ: Herr Tauber, ist Deutschland ein Einwanderungsland?
Peter Tauber: Aus meiner Sicht: Ja. Wir müssen nur aufpassen, dass wir nicht alles in einen Topf werfen und Dinge vermischen, die formal nichts miteinander zu tun haben. Von Deutschland als Einwanderungsland zu sprechen bedeutet, dass wir Regeln festlegen, nach denen jemand zu uns kommen und bleiben kann, um Deutscher zu werden und sich hier eine Zukunft aufzubauen. Momentan beschäftigt die Menschen aber am meisten, wie wir mit Asylbewerbern und Flüchtlingen umgehen. Auch wenn von denen sicher der eine oder andere bei uns bleiben wird, sind das aber nicht die klassischen Einwanderer.
TLZ: Müssen wir nicht mehr tun, um Flüchtlingen ein menschenwürdiges Leben bei uns zu ermöglichen?
Tauber: Ich glaube, wir Deutschen müssen uns im Vergleich zu vielen anderen Ländern in der Welt nicht verstecken. Wir nehmen das Grundrecht auf Asyl sehr ernst. Wir erleben, dass viele Menschen, die aus Syrien, dem Irak oder Afghanistan zu uns kommen, dringend unsere Hilfe brauchen. Wir erleben aber auch, dass Menschen zu uns kommen, die sich zwar auf das Grundrecht auf Asyl berufen, aber aus Ländern stammen, in denen es keine politische, rassische oder religiöse Verfolgung gibt. Das muss also sehr differenziert angeschaut werden. Die Abschiebung derjenigen, die keinen Anspruch auf Asyl haben,
ist Aufgabe der Länder. Unterbringung und Integration derjenigen, die bleiben dürfen, müssen die Kommunen leisten, die dabei vom Bund finanziell unterstützt werden.
TLZ: Thüringen erwartet in diesem Jahr rund 9000 Flüchtlinge. Länder und Kommunen fühlen sich bei der Bewältigung der Flüchtlingsströme vom Bund im Stich gelassen.
Tauber: Davon kann keine Rede sein. Einfach nur den Schwarzen Peter rüberzuschieben und zu sagen: Der Bund muss mehr Geld geben, löst das Problem nicht. Die CDU-geführte Bundesregierung gibt dieses und nächstes Jahr insgesamt eine Milliarde Euro zusätzlich. Ich empfehle dringend, dass alle überlegen, ob sie ihre Aufgaben auch erfüllen. Wenn jetzt die Länder – auch Thüringen – daran gehen würden, diejenigen, die keinen Anspruch auf Asyl haben, abzuschieben, wären mehr Kapazitäten für die Menschen vorhanden, die unsere Hilfe brauchen. Was aber nicht heißt, dass wir am Ende des Tages noch einmal gemeinsam reden, wo nachjustiert werden kann. Es ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.
TLZ: Ministerpräsident Bodo Ramelow hat gestern in der TLZ ihren Parteifreund, Innenminister Thomas de Maizière, und die EU-Grenzschutzmission Triton angesichts der Flüchtlingskatastrophe im Mittelmeer harsch kritisiert. Ramelow sagte: Triton heiße, Menschen ertrinken zu lassen, und der Innenminister kalkuliere offen mit dem Abschreckungseffekt des Meeres.
Tauber: Das finde ich eine bodenlose Unverschämtheit. Herr Ramelow redet hier offenbar ziemlich frei von Sachkenntnis. Fakt ist: Triton hat mehr Menschen gerettet als das Vorgängerprogramm. Natürlich darf man – wenn man sich die absoluten Zahlen der Geretteten ansieht – nicht außer Acht lassen, dass zurzeit auch mehr Menschen auf der Flucht sind. Aber es ist schlicht falsch, dass Triton uneffektiv ist und man zynisch darauf setzt, dass Menschen ertrinken. Herr Ramelow sollte überlegen, ob er diesen Vorwurf ernsthaft aufrechterhält.
TLZ: Was muss die EU mehr tun, um solche Flüchtlingsdramen künftig zu verhindern?
Tauber: Die Wahrheit ist: Es wird nicht reichen, dafür zu sorgen, dass die Menschen gerettet werden. Es ist mindestens genauso wichtig, den Schleusern das Handwerk zu legen. Das ist organisierte Kriminalität. Damit wird zum Teil mehr Geld verdient als mit dem Drogenhandel. Thomas de Maizière hat das bereits bei einem Treffen mit den europäischen Innen- und Außenministern angemahnt. Und wir werden auch darüber reden müssen, was wir zusätzlich tun können, um die Ursachen für die Flucht zu lindern, um den Menschen eine Perspektive in ihren Heimatländern zu eröffnen. Die Bundesregierung tut jedenfalls alles, um dieser Herausforderung gerecht zu werden.
TLZ: Können Sie Menschen verstehen, die Vorbehalte haben gegen Flüchtlingsunterkünfte in ihrer Nachbarschaft?
Tauber: Ich empfehle diesen Menschen, sich die Situation dort anzuschauen, wo es schon Flüchtlinge gibt. Oft gibt es da, wo sich viele Deutsche ehrenamtlich in der Flüchtlingshilfe engagieren, keine Probleme. Die Flüchtlinge sind in der Regel froh und dankbar, dass sie bei uns sind und nehmen gerne Hilfe an. Natürlich ist unter ihnen auch der eine oder andere, der unsere Regeln und unser Verhalten nicht zu kennen scheint. Darüber muss man dann eben ins Gespräch kommen. Es gilt: miteinander, nicht übereinander reden.
TLZ: In Thüringen findet heute ein Flüchtlingsgipfel statt, in dem alle Verantwortlichen gemeinsam nach Lösungen suchen. Macht die Politik oftmals den Fehler, die Menschen zu spät in Entscheidungen, wie beispielsweise über Flüchtlingsstandorte, einzubeziehen?
Tauber: Die Flüchtlingszahlen sind in den vergangenen Wochen rasant gestiegen. Deshalb war es wohl nicht immer möglich, die Bürger vor Ort sofort bei Standortfragen einzubeziehen. Ich bin grundsätzlich aber der Meinung, die Politik sollte den Menschen möglichst frühzeitig erklären, was geschehen wird. Damit kann man ihnen sicher einen Teil ihrer Sorgen nehmen und dazu beitragen, die mitunter doch sehr emotionale Debatte zu versachlichen.
TLZ: Im Freistaat ging die Debatte über Emotionen hinaus. Regierungschef Ramelow hat wegen seiner Flüchtlingspolitik Morddrohungen erhalten.
Tauber: Ich glaube, viele Politiker in verantwortlicher Position leben damit, dass sie E-Mails und Hassbriefe von Menschen erhalten, die sich offensichtlich nicht daran erinnern, was unsere Eltern uns zum Thema respektvoller höflicher Umgang miteinander beigebracht haben, die sich nicht an die Art und Weise halten, wie wir eigentlich miteinander über Probleme diskutieren. Als Politiker sind wir gewählt, um Verantwortung zu übernehmen. Und dann muss man für seine Überzeugungen eintreten und darf nicht jammern.
TLZ: Die SPD, ihr Koalitionspartner im Bund, fordert ein Einwanderungsgesetz. Sie stehen dem offen gegenüber. Der Bundesinnenminister lehnt ein solches Gesetz ab.
Tauber: Wir dürfen nicht zwei unterschiedliche Debatten – das Grundrecht auf Asyl und die klassische Einwanderung – miteinander vermischen. Beim Thema Einwanderung reden wir darüber, wie Unternehmen in manchen Regionen ihren Fachkräftebedarf decken können. Das werden wir – darüber sind wir uns alle einig – über kurz oder lang nicht ohne Einwanderung hinbekommen. Dafür brauchen wir keine völlig neuen Regeln, da bin ich nah bei Thomas de Maizière, aber ich persönlich glaube, dass wir ein paar Regeln besser machen können.
TLZ: Was ist schlecht am von der SPD favorisierten Punktesystem nach kanadischem Vorbild?
Tauber: Der SPD-Vorschlag konzentriert sich darauf, den Zugang zum Arbeitsmarkt zu organisieren, und lässt dabei einen wesentlichen Aspekt außen vor: Wie machen wir aus den Menschen, die zu uns kommen, deutsche Bürger, wie wecken wir bei ihnen Empathie für unser Gemeinwesen und unser Land.
TLZ: Sie waren vor Ostern in Ottawa. Was kann Deutschland von Kanada lernen?
Tauber: Genau das, was ich gerade angesprochen habe. Für Kanadier ist von zentraler Bedeutung: Wie mache ich aus Einwanderern Bürger unserer Nation. Das bleibt beim SPD-Vorschlag völlig unberücksichtigt.