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„Der SPD fehlt eine gewisse Coolness“
Die Lage in Griechenland, die Debatte um die gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaft, ein Einwanderungsgesetz und Angela Merkel als Chefin waren Themen im Interview, das CDU-Generalsekretär Peter Tauber „Zeit Online“ gab. Auch die Zusammenarbeit mit dem Koalitionspartner kam zur Sprache: „Wir als CDU haben aber immer gute Erfahrungen damit gemacht, bis zum Schluss ordentlich zu regieren.“
Lesen Sie hier das gesamte Interview mit „Zeit Online“. Die Fragen stellten Katharina Schuler und Michael Schlieben.
ZEIT ONLINE: Herr Tauber, Sie haben unlängst eine Facebook-Anfrage zur Homo-Ehe gestartet. Es gab fast 11.660 Kommentare. Haben Sie jemals mit einem anderen Thema so eine Aufmerksamkeit erzielt?
Peter Tauber: Nein, das war eine neue Erfahrung. Das zeigt, dass das ein sehr emotionales Thema ist, das viele Menschen beschäftigt – innerhalb und auch außerhalb der CDU.
ZEIT ONLINE: Sie hatten geschrieben: "Mich interessiert Eure Meinung zur "Ehe für alle". Ein einfaches "Ja oder "Nein" reicht." Wie ist denn Ihre Meinung? Ein einfaches "Ja" oder "Nein" reicht.
Tauber: So leicht ist das nicht. Wer meine politische Arbeit aufmerksam verfolgt hat, beginnend mit meiner Vorstellungsrede vor der Wahl auf dem Parteitag 2014, weiß natürlich, wie ich das persönlich sehe. Als Generalsekretär vertrete ich die Beschlusslage der Partei, und die ist in dieser Frage sehr eindeutig: Eine vollständige Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Partnerschaften lehnen wir derzeit ab. Ehe und Familie haben für die CDU einen sehr hohen Stellenwert. Wenn wir da neue Positionen finden sollten, dann muss die Partei diskutieren und entscheiden. Der Ort dafür ist nicht eine Sitzung des Präsidiums, sondern wenn, dann ein Parteitag.
ZEIT ONLINE: Wie ist denn die private Meinung von Peter Tauber?
Tauber: Ich finde, dass in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften Werte gelebt werden, die auch für eine erfolgreiche Ehe zwischen Mann und Frau Grundvoraussetzung sind: Rücksichtnahme, Verantwortung, das Einstehen füreinander in guten wie in schlechten Zeiten. Als jemand, der über konservative, bürgerliche Werte nachdenkt, finde ich es bemerkenswert, dass die Ehe, die von Grünen und auch manch einem Sozi als altbacken und überflüssig geschmäht wurde, jetzt offenbar wieder so attraktiv ist, dass sich viele eine Ausweitung wünschen.
ZEIT ONLINE: Wie stehen Sie zum vollen Adoptionsrecht für Homosexuelle?
Tauber: Da ist das Kindeswohl entscheidend. Es gibt ja schon gleichgeschlechtliche Paare, die Kinder großziehen. Da erleben viele, dass die das sehr verantwortungsvoll, mit viel Liebe und Zuwendung ausfüllen. Man muss aber auch mal sagen: Verglichen mit anderen familienpolitischen Fragen ist dieses Thema wichtig, aber für mich nicht das entscheidende, schon weil es jedes Jahr nur sehr wenige Adoptionen in Deutschland gibt. Mich beschäftigt eher die geringe Zahl an Geburten oder auch die Frage, warum jedes Jahr Zehntausende Kinder in Obhut genommen werden müssen, weil Eltern mit der Erziehung überfordert sind.
ZEIT ONLINE: Sehen Sie bei einer Öffnung der traditionellen Ehe nicht auch die Gefahr, die Annegret Kramp-Karrenbauer jüngst beschrieb: dass bald die nächsten Forderungen folgen, etwa eine Heirat unter engen Verwandten oder von mehr als zwei Menschen?
Tauber: Nein, diese Gefahr sehe ich absolut nicht. Ich finde aber die Art und Weise, wie manche auf die Aussagen reagiert haben, auch ziemlich daneben. Hier würde ich mir etwas mehr Gelassenheit und Redlichkeit in der Debatte wünschen. Insbesondere auch die verleumderischen Angriffe meiner SPD-Kollegin Fahimi waren weit unterhalb der Gürtellinie. Wobei ich das bei der Kollegin inzwischen gewohnt bin.
ZEIT ONLINE: Kommen wir zu einem anderen Thema, das die CDU in den kommenden Monaten noch beschäftigen dürfte: Der Umgang mit Griechenland. Derzeit wird über die Auszahlung der letzten Tranche aus dem zweiten Hilfspaket verhandelt, doch eigentlich weiß jeder, selbst wenn es dazu kommt: Reichen wird das nicht. Muss die Debatte nicht ehrlicher geführt werden, auch im Hinblick auf ein drittes Hilfspaket?
Tauber: Gerade bei dieser Frage ist es sehr wichtig, dass wir Schritt für Schritt vorgehen. Bevor Griechenland die Voraussetzungen für die vollständige Auszahlung des zweiten Hilfspakets nicht erfüllt, brauchen wir über ein drittes Paket nicht zu reden. Was wäre das für ein Signal? Entscheidend ist, dass wir bei unserer Linie bleiben. Sicher, über den griechischen Finanzminister Varoufakis kann man sich jeden Tag dreimal aufregen. Das darf uns aber nicht von der Sache selbst ablenken: Es ist wichtig, dass wir im Euro zusammenbleiben, aber die europäische Idee lebt auch davon, dass gemeinsam vereinbarte Regeln und Abmachungen eingehalten werden.
ZEIT ONLINE: Trotzdem: Steigert es nicht die Politikverdrossenheit, wenn politische Prozesse so wenig transparent sind? Wenn also intern längst über ein drittes Hilfspaket nachgedacht wird, nur öffentlich schweigt man sich dazu aus?
Tauber: Das sehe ich anders: Ich glaube die Leute erwarten, dass wir erst mal das Problem lösen, das an der Tagesordnung ist. Grundsätzlich bin ich ein Fan von Transparenz. Es muss aber auch klar sein: Je transparenter Prozesse sind, desto komplexer werden sie. Ich habe die Befürchtung, dass bei allem Wunsch nach Transparenz das Ergebnis nicht automatisch höhere Akzeptanz ist, sondern vielmehr auch Frustration sein kann. Weil es eben selten einfache Antworten, schnelle Lösungen gibt. Deswegen muss man den Leuten immer wieder bewusst machen: Demokratie ist kompliziert, oft mühsam und manchmal auch nervig. Aber das macht eben Demokratie aus. Wer einfache und schnelle Lösungen verspricht, der ist nicht ehrlich.
ZEIT ONLINE: Besonders mühsam erscheint derzeit mitunter auch die Zusammenarbeit in der großen Koalition. Sind Sie auf dem Weg, eine Krawallkoalition zu werden?
Tauber: Naja, wir haben jetzt bald Halbzeit – und dass da natürlich manche Neusortierungen stattfinden, ist nicht verwunderlich. Angesichts der unverändert schlechten Umfragewerte scheint den Sozialdemokraten eine gewisse Coolness zu fehlen. Wir als CDU haben aber immer gute Erfahrungen damit gemacht, bis zum Schluss ordentlich zu regieren. Die Sozialdemokraten haben sich dagegen offenbar noch nicht entschieden, ob sie wieder Opposition in der Regierung spielen wollen oder doch besser auf seriöse Arbeit setzen. Im Übrigen hat Streit auch sein Gutes: Er zeigt deutlich, dass es, anders als oft behauptet, bisweilen große Unterschiede zwischen den Sozis und der Union gibt – auch in der Sache.
ZEIT ONLINE: Unterschiedliche Positionen gibt es auch innerhalb der CDU, zum Beispiel in der Frage, ob Deutschland ein Einwanderungsgesetz braucht – wie Sie es gefordert haben. Sie sind extra nach Kanada gereist, um dort Ideen zu sammeln. Was können wir von Kanada lernen?
Tauber: Sehr viel. Das dortige Punktesystem ist dabei gar nicht das Wesentlichste und Spannendste. Wo wir uns wirklich etwas abschauen können, ist bei der kanadischen Willkommenskultur. Zum Beispiel gibt es ein ehrenamtliches Patensystem: Jedem Neubürger wird jemand an die Seite gestellt, der ihm das Land, seine Geschichte und Kultur erklärt. Auch die regionale Steuerung von Einwanderung funktioniert dort viel besser. In Deutschland ist es dagegen für mittelständische Unternehmen in der Provinz ein großes Problem, an geeignete Fachkräfte aus dem Ausland zu kommen.
ZEIT ONLINE: Bisher ist für Nicht-EU-Ausländer, die keine Flüchtlinge sind, ein Jobangebot die entscheidende Voraussetzung, um zuwandern zu können. Wollen Sie das ändern?
Tauber: Grundsätzlich nicht. Ich fände es aber richtig, dass Akademiker aus Nicht-EU-Staaten, die jetzt schon die Möglichkeit zur Einreise nach Deutschland haben, um sich eine Arbeit zu suchen, künftig 12 Monate bleiben dürfen, wenn sie ihren Lebensunterhalt bestreiten können. Außerdem sollten junge Leute mit einem deutschen Hochschul¬abschluss nicht nur im Anschluss an das Studium, sondern auch zu einem späteren Zeitpunkt in ihrem Leben die Möglichkeit bekommen, 18 Monate lang bei uns auf Jobsuche gehen zu können. Dies würde ich gern entsprechend ändern. Die Liste der Mangelberufe wie die Einwanderungsregeln überhaupt müssen wir ständig an den sich ändernden Bedarf anpassen. Das macht auch Kanada so: Regelmäßig werden dort die Regelungen überprüft und wenn notwendig verändert.
ZEIT ONLINE: Ist ein Einwanderungsgesetz ein Projekt für diese Legislaturperiode?
Tauber: Das Thema Einwanderung wird uns noch Jahrzehnte beschäftigen, das lässt sich nicht mit einem Gesetz abschließend regeln. Jetzt schauen wir erst mal, worauf wir uns innerhalb der CDU verständigen. Da sind wir auf einem guten Weg. Und dann wird man ja sehen, ob wir noch in dieser Legislaturperiode das ein oder andere hinkriegen.
ZEIT ONLINE: Sie plädieren für ein Einwanderungsgesetz, wollen die CDU für Migranten attraktiver machen, lassen zumindest Offenheit für die "Ehe für alle" erkennen: Wie mittig will die CDU eigentlich noch werden?
Tauber: Zunächst mal: Ein Großteil der Menschen verortet sich selbst in der politischen Mitte. Da ist auch seit den Zeiten Konrad Adenauers unser Platz als Volkspartei. Beim Thema Einwanderung geht es für mich um zwei Kernkompetenzen der Union: Zum einen ist das ein klares Anliegen der Wirtschaft, denn Fachkräftemangel kann auch ein Hemmnis für Wachstum und Innovation werden. Und zum anderen entspricht es unserer Idee eines weltoffenen Patriotismus, wenn wir uns dafür einsetzen, dass Einwanderer hier wirklich heimisch werden, Verantwortung übernehmen und sich zu unserem Land bekennen. Das ist etwas sehr Konservatives.
ZEIT ONLINE: Trotzdem ist durch den programmatischen Wandel der CDU unter Angela Merkel auch viel Platz am rechten Rand entstanden, der die Entstehung der Alternative für Deutschland zumindest begünstigt hat. Zerlegt sich ihr neuer Konkurrent gerade selbst oder müssen Sie dauerhaft mit der AfD rechnen?
Tauber: Die CDU hat sich auch unter Helmut Kohl und Heiner Geißler programmatisch ständig weiter entwickelt, teilweise schneller als heute. Ansonsten halte ich nichts davon, hochmütig auf die politische Konkurrenz zu schauen. Jenseits der aktuellen Probleme fehlt der AfD aber eine Idee, die sie trägt. Es sei denn, es gibt ein so ausgeprägtes Potenzial an Protest und Ablehnung des politischen Systems, dass sie sich daraus auf Dauer speisen kann. Das macht aber auch klar: Für uns kann die AfD kein Partner sein. Aber natürlich müssen wir uns mit ihren Positionen auseinandersetzen und erklären, warum wir die besseren Lösungen haben.
ZEIT ONLINE: Eine Aufgabe, die sich vor allem dem Generalsekretär stellt. Bevor Sie dieses Amt vor eineinhalb Jahren übernommen haben, waren Sie ein einfacher Abgeordneter, jetzt sind Sie ein Spitzenpolitiker. Haben Sie den Sprung schon verkraftet?
Tauber: Mir macht meine Aufgabe sehr viel Spaß. Neu war natürlich für mich, dass noch mehr Mitglieder und Anhänger der CDU nun auf mich schauen. Und das ist natürlich eine große Verantwortung. Allerdings ist auch nicht alles neu für mich gewesen. Schließlich bin ich seit über 20 Jahren in der CDU. Ich kenne meine Partei, glaube ich, ziemlich gut – auch weil ich mich viele Jahre ehrenamtlich in ihr engagiert habe.
ZEIT ONLINE: Wie ist Angela Merkel so als Chefin?
Tauber: Angela Merkel ist sehr interessiert an vielen Details, aber sie hat auch ein großes Vertrauen in unsere Arbeit im Konrad-Adenauer-Haus. Vermutlich hat sie mich, bevor ich Generalsekretär wurde, etwas länger angeschaut als meine Vorgänger Hermann Gröhe oder Ronald Pofalla, mit denen sie ja auch schon jahrelang vorher gut zusammengearbeitet hatte. Viele Dinge, die mir wichtig sind, kann ich mit ihrer Unterstützung anschieben. Ich arbeite nicht nur mein Fleißheftchen ab, sondern habe als Generalsekretär auch die Aufgabe, an morgen zu denken, so wie wir das gerade mit einer Parteireform tun. Natürlich bin ich mir bewusst, dass ich das erste Mitglied der Generation Golf in der Parteiführung bin. Und ich diskutiere natürlich auch mit Angela Merkel, welche Themen für die CDU in Zukunft wichtig sind.
ZEIT ONLINE: Zum Beispiel ein Zuwanderungsgesetz?
Tauber: Das hatte ich nicht vorher mit meiner Vorsitzenden besprochen.