peter-tauber-780x439.jpg
Interview von CDU-Generalsekretär Peter Tauber mit dem Handelsblatt
Die Pressestelle der CDU Deutschlands teilt mit: CDU-Generalsekretär Dr. Peter Tauber gab dem Handelsblatt (heutige Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellten Thomas Sigmund und Till Hoppe.
Handelsblatt: Herr Tauber, ausweislich Ihrer Jogging-App und Twitter waren Sie schon länger nicht mehr laufen. Sind Sie etwa träge geworden?
Peter Tauber: Im Gegenteil! Ich trainiere auf den Frankfurt-Marathon und laufe gerade sehr häufig. Ich tweete das Laufergebnis aber nicht jedes Mal - das würde schlicht zu viel.
Handelsblatt: Es stört Sie offenkundig nicht, dass jedermann im Netz Ihr Sportpensum verfolgen kann. Wo ziehen Sie die Grenze zur Privatsphäre?
Peter Tauber: Nein. Die Lauf-Tweets sind für mich eine Motivation, man kann in unseren Laufgruppen die Ergebnisse vergleichen. Ich trage zusätzlich ein Fitnessarmband, auch daran scheiden sich ja die Geister. Aber wenn das dazu beiträgt, dass wir mehr für unsere Gesundheit tun, ist das doch positiv. Und ansonsten erzähle ich nicht viel über mein Privatleben.
Handelsblatt: Sie sind Internet-affin, die Deutschen aber stehen im Ruf, neuen Technologien skeptisch gegenüberzustehen. Zu Recht?
Peter Tauber: Bei abstrakten Diskussionen bekommt man schon diesen Eindruck, in der Lebenswirklichkeit aber häufig nicht. Freunde von mir nutzen inzwischen elektronische Systeme zur Fingerabdruck-Erkennung, um ihre Häuser abzusperren - ohne dass sie sich groß Sorgen machen, was denn mit den Daten geschehen könnte. Wenn neue Technik den Menschen das Leben erleichtert, nutzen sie diese auch.
Handelsblatt: Das Silicon Valley beherrscht die digitale Welt. Bereitet Ihnen die Dominanz der US-Konzerne wie Google oder Facebook mit ihrem Datenhunger keine Sorgen?
Peter Tauber: Nur mit dem „Bashen“ dieser Unternehmen kommen wir nicht weiter. Was wir brauchen, ist ein einheitliches Datenschutzniveau in Europa. Wenn wir Google und Facebook mit 500 Millionen Marktteilnehmern entgegentreten, hat das eine andere Wirkung als mit gut 80 Millionen Deutschen. Dann können wir ganz anders mit ihnen über Transparenz reden oder über ein neutrales Ranking der Suchmaschineneinträge. Das halte ich für dringend geboten.
Handelsblatt: Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel hatte ins Spiel gebracht, Riesen wie Google zu zerschlagen.
Peter Tauber: Zerschlagen ist keine Antwort. Erstens: Wie soll das bei einem US-Unternehmen gehen? Und zweitens liegt der Mehrwert für die Nutzer ja häufig in der Vernetzung mehrerer Dienste. Würde ein Konzern entflochten, brächte das nicht automatisch Vorteile für die Nutzer.
Handelsblatt: Apple allein ist an der Börse soviel wert wie alle Dax-Konzerne zusammen. Machen Sie sich Sorgen um die deutschen Unternehmen?
Peter Tauber: Mir macht eher etwas anderes Sorgen: dass die vor gut 40 Jahren gegründete SAP das jüngste Unternehmen ist, das es in den Dax geschafft hat. Apple oder Google sind nun mal erfolgreiche Gründungen. Die Herausforderung besteht darin, so etwas in Deutschland oder Europa auf die Beine zu stellen.
Handelsblatt: Wann macht Ihr Parteifreund, Finanzminister Schäuble, denn den Weg frei für ein Wagniskapital-Gesetz, das Investitionen in junge Unternehmen erleichtert?
Peter Tauber: Ministerium und Fachpolitiker arbeiten daran, aber ein solches Gesetz allein wird nicht genügen. Einige Experten sagen, es fehle weniger an Kapital als an marktfähigen Ideen. Wir dürfen auch nicht zu ungeduldig sein: Das Silicon Valley hat sich über 40 Jahre entwickelt, die Berliner Start-up-Szene erst in den vergangenen paar Jahren.
Handelsblatt: Bislang sind die deutschen Autohersteller die Herren in ihrer Branche. Wenn künftig aber nicht mehr Autos verkauft werden, sondern Mobilität, könnten sie zum Lieferanten Googles degradiert werden.
Peter Tauber: Die deutsche Industrie muss sich gut überlegen, welche Partner sie wählt. Ich habe jedoch den Eindruck, dass die meisten Konzernchefs sehr wohl verstanden haben, worum es geht. Öffentlich mögen sie großes Selbstbewusstsein zur Schau stellen und sich auf ihre überlegenen Technologien berufen. Aber sie wissen, dass sich die künftige Mobilität stark ändert und dass es keineswegs gottgegeben ist, dass Autos weiterhin zu einem erheblichen Teil der Wertschöpfung unserer Volkswirtschaft beitragen. Mit dem Kauf eines Kartendienstes haben die Autobauer kürzlich demonstriert, dass sie auch beim selbstfahrenden Auto unabhängig bleiben wollen. Handelsblatt: Die Digitalisierung verändert nicht nur die Industrie, sondern auch unsere tägliche Arbeit. Viele empfinden es als belastend, wenn sie jederzeit erreichbar sein sollen.
Peter Tauber: (lacht) Einige Ihrer Kollegen scheinen ihr Handy jedenfalls nie abzuschalten, wenn ich an die SMS denke, die ich am Wochenende bekomme! In einigen Berufsfeldern werden die Ruhephasen sicherlich weniger, andererseits bieten die Technologien ja auch Vorteile. Die Präsenzkultur ist immer noch weitverbreitet – nach dem Motto: Wer nicht im Büro ist, arbeitet nicht. Dabei wäre es häufig produktiver und familienfreundlicher, an ruhigen Tagen zu Hause zu arbeiten und dafür auch mal abends eine E-Mail des Chefs zu beantworten. Gerade Jüngere denken genau so.
Handelsblatt: Ist es Aufgabe der Politik, hier Leitplanken zu schaffen?
Peter Tauber: Es ist die Aufgabe von Unternehmen und Gewerkschaften, jeweils das richtige Maß an Flexibilität zu finden. Die Tarifparteien sind da gefordert. Wir können schlecht per Gesetz verbieten, ab 20.30 Uhr noch E-Mails weiterzuleiten.
Handelsblatt: Wird es in Zukunft denn überhaupt noch genügend Arbeit geben?
Peter Tauber: In der Vergangenheit sind durch neue Technologien stets auch viele neue Arbeitsplätze entstanden - teils in Berufsfeldern, die es zuvor noch gar nicht gab. Die eigentliche Herausforderung besteht darin, die Arbeitswelt so zu organisieren, dass jeder gemäß seinen Fähigkeiten seinen Platz darin findet. Wer etwa mit Handwerksmeistern spricht, hört häufig Klagen, die jungen Leute taugten kaum noch für eine Ausbildung. In Wahrheit aber sind die Anforderungen in den Berufen häufig enorm gestiegen.