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Unmenschlichen Terror in Syrien beenden
CDU-Generalsekretär Dr. Peter Tauber gab der Neuen Osnabrücker Zeitung vom 25. September 2015 das folgende Interview. Die Fragen stellte Beate Tenfelde.
NOZ: CDU-Chefin Merkel bringt direkte Gespräche auch mit Diktator Assad ins Spiel. Erwarten Sie Zustimmung zu dieser Kehrtwende in der Syrienpolitik?
Tauber: Es ist notwendig, den Syrien-Konflikt zu beenden. Er ist eine der Hauptursachen für die große Zahl von Flüchtlingen, die nach Europa kommen. Sowohl die Gewalt der Terrormiliz des sogenannten „Islamischen Staates“ (IS) als auch die Bomben des Assad-Regimes haben in Syrien nach Schätzungen um die elf Millionen Menschen zur Flucht gezwungen. Knapp eine halbe Million von ihnen hat bisher Europa erreicht. Ich glaube, dass sich viele in Deutschland wünschen, dass dieser unmenschliche Terror in Syrien ein Ende hat. Insofern müssen alle Möglichkeiten genutzt werden, das zu erreichen – dazu kann auch das Gespräch mit Assad gehören.
NOZ: Hinter uns liegt eine Woche der Entscheidung, in Berlin und Brüssel gab es weitreichende Beschlüsse zur Flüchtlingspolitik: Sehen Sie den Durchbruch für geschlossenes Vorgehen der EU?
Tauber: Ja, jetzt wird gehandelt, und das erwarten die Menschen zu Recht: Man hat sich verständigt auf eine Verteilung der Flüchtlinge und auf eine bessere Sicherung der Außengrenzen. Nach langen Diskussionen haben es die Europäer geschafft, unter anderem eine milliardenschwere Unterstützung für das Welternährungsprogramm auf den Weg zu bringen. So werden die Menschen in den Flüchtlingslagern rund um Syrien besser versorgt. In Berlin hat sich die Große Koalition zudem auf zügige Änderungen beim Asylrecht geeinigt. Zum Beispiel gibt es künftig Sach- statt Geldleistungen, und es wird konsequent abgeschoben.
NOZ: Hilfeverweigerer aus EU-Ländern in Osteuropa sind in Brüssel nach dem Mehrheitsprinzip überstimmt worden. Soll das dauerhaft so sein?
Tauber: Es bleibt das Ziel, dass sich alle 28 EU-Mitglieder einigen. Nur so kommt Europa voran. Wir haben am Beispiel Ungarns gesehen, dass ständiger Dialog und Überzeugungsarbeit Erfolg bringen können. Ungarn hat auf dem jüngsten Sondergipfel zwar gegen die Beschlüsse gestimmt, will sich aber daran halten. Das ist doch ein deutlicher Schritt nach vorn.
NOZ: Hat die CSU-Einladung an den EU-feindlichen Ungarn-Premier Viktor Orbán die Stellung Merkels beim EU-Gipfel geschwächt?
Tauber: Absolut nicht. Wir haben gesehen, wie intensiv sich Viktor Orbán mit der Kanzlerin beraten hat. Zur Suche nach Kompromissen gehört auch, sich die Meinung zu sagen – allerdings mit dem gebotenen Respekt.
NOZ: Die Parteivorsitzende Merkel musste sich zuvor gegen den CSU-Vorwurf wehren, die Kontrolle zu verlieren und falsche Signale in Richtung der Flüchtlinge gesetzt zu haben…
Tauber: Der Vorwurf ist falsch. Nicht die Kanzlerin setzte Signale, sondern die Bundesbürger beeindruckten durch ihre Gastfreundlichkeit. Die Bilder vom Münchner Hauptbahnhof, der herzliche Empfang der Flüchtlinge, tatkräftige Helfer – Szenen aus einem offenen und freundlichen Deutschland wurden weltweit in den Netzwerken kommuniziert. Die Menschen wollen ja nicht zu Angela Merkel kommen, sondern nach Deutschland.
NOZ: Die Flüchtlinge schwenken Fotos von „Mama Merkel“. Sie machen Selfies von sich und der Kanzlerin, der sie offenbar Wunder zutrauen…
Tauber: Wünsche und Hoffnungen werden oft mit Personen verbunden – und es ist gut, dass die Kanzlerin so hohes Vertrauen genießt. Das hilft, wenn sie ihrerseits Erwartungen formuliert. Angela Merkel hat sehr deutlich gemacht, dass sich die bleibeberechtigten Flüchtlinge an die Regeln und Werte halten müssen, die unser Grundgesetz vorgibt, und dass Parallelgesellschaften nicht geduldet werden. Unbestritten stehen wir vor der großen Herausforderung, ein friedliches Zusammenleben hinzukriegen. Und da kann die CDU mit ihrem Werteverständnis entscheidend dazu beitragen.
NOZ: Die Gesundheitskarte für Flüchtlinge spaltet die Union. Die einen sehen darin ein „falsches Signal“, die anderen unbürokratisches Handeln…
Tauber: Einmal vorweggeschickt: Der Begriff Gesundheitskarte erweckt den Eindruck, als wenn Flüchtlingen damit der komplette Leistungskatalog wie allen gesetzlich Krankenversicherten zusteht. Das ist ja so nicht, sondern nur die Behandlung von akuten Erkrankungen und Schmerzzuständen wird übernommen. Die Befürworter einer solchen Gesundheitskarte, die man auch anders nennen könnte, sind der Überzeugung, dass man damit bürokratischen Aufwand sparen kann.
NOZ: Flüchtlinge brauchen Jobs. Sollte die Vorrangprüfung fallen, die den ersten Zugriff auf Jobs einheimischen Arbeitslosen einräumt?
Tauber: Das halte ich für falsch. Wir haben knapp drei Millionen Arbeitslose, für die wir Perspektiven entwickeln wollen. Außerdem gibt es bereits jetzt eine Liste der Mangelberufe, die jedem qualifizierten Neuankömmling schnell den Einstieg in den Arbeitsmarkt erlaubt. Der viel zitierte syrische Arzt kann also schon jetzt ohne Probleme bei uns arbeiten.
NOZ: Zum Schluss: Die Kanzlerin wirkt so emotional wie nie zuvor…
Tauber: Sie hat erkannt, dass der Flüchtlingszustrom für uns Deutsche die größte Herausforderung seit der Deutschen Einheit ist. Manche scheinen noch immer zu glauben, mit ein paar weiteren Gesetzen das Problem lösen zu können. Aber das wird so nicht sein, wir werden uns noch länger dieser gewaltigen Aufgabe stellen müssen. Und ich empfinde es als Stärke der Kanzlerin, dass sie sowohl Mitgefühl zeigt als auch Zuversicht vermittelt: „Wir schaffen das.“
NOZ: „Wer, wenn nicht wir“ und „Wir schaffen das“ - nutzen sich diese Beschwörungsformeln Merkels ab?
Tauber: Absolut nicht. Schon bei der Deutschen Einheit waren viele angesichts der gewaltigen Aufgabe verzagt. Und schon damals war die CDU die einzige Partei, die zuversichtlich gesagt hat, das schaffen wir. Genau das drücken auch die Worte der Kanzlerin jetzt aus, sie versteht die politische Verantwortung nicht als Last, sondern empfindet sie als Aufgabe, die wir alle gemeinsam anpacken müssen.