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Interview von CDU-Generalsekretär Peter Tauber mit "Focus"
CDU-Generalsekretär Dr. Peter Tauber gab dem Magazin "Focus" (heutige Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellten Dr. Margarete van Ackeren und Ulrich Reitz.
Focus: Ihre Reden beenden Sie gerne mit „Hurra“. Gehen Sie auch in Hurra-Stimmung in diesen Parteitag?
Tauber: Ich bin früher schon gern zu Parteitagen gefahren. Für einen Generalsekretär ist dieses Treffen mit 1001 Delegierten und vielen Gästen ja so etwas wie eine Messe.
Focus: Messe? Das sagen Sie als Protestant?
Tauber: In der Union wurde die Ökumene schon immer großgeschrieben. Ich freue mich auf leidenschaftliche Debatten. Also: Ja, ich gehe mit einem „Hurra“ zum Parteitag.
Focus: Viele CDU-Anhänger sind stinksauer, sind unzufrieden mit der Flüchtlingspolitik, wollen mehr Begrenzung. Was sagen Sie denen?
Tauber: Wir sind uns einig, dass wir die Zahl derjenigen, die zu uns kommen, reduzieren wollen. Das ist völlig unstrittig in der CDU – auch zwischen uns und der CSU.
Focus: Manche haben den Eindruck, für Angela Merkel könnten nicht genug Flüchtlinge kommen.
Tauber: Dieser Eindruck ist falsch. Focus: Wirklich?
Tauber: Die Entscheidung am 4. September war eine Einzelentscheidung in einer Ausnahmesituation und mit einer Vorgeschichte: Bevor die Bundesregierung entschieden hat, dass wir die in Ungarn festsitzenden Flüchtlinge aufnehmen, haben wir furchtbare Bilder gesehen von 70 toten Menschen in einem Lkw auf der österreichischen Autobahn. Wir wollten schlichtweg nicht riskieren, dass sich solche Bilder wiederholen.
Focus: Ist unbegrenzte Hilfe also der rote Faden Ihrer Politik?
Tauber: Der rote Faden der Flüchtlingspolitik der CDU war seit jeher, Menschen in Not zu helfen. Aber niemand wird bestreiten, dass wir in Deutschland nicht allen helfen können, die derzeit vor Krieg und Terror fliehen.
Focus: Neue Töne?
Tauber: Nein, das leitet unser Handeln von Beginn an: Der Parteitag kann dazu beitragen, manches falsche Bild, das womöglich entstanden ist, zu korrigieren: Erinnern Sie sich noch an das Flüchtlingsmädchen Reem? Die Kanzlerin hat schon damals klar gesagt, dass nicht alle, die derzeit kommen, werden bleiben können.
Focus: Viele Menschen an der Basis denken: „Die in Berlin wissen nicht, was bei uns los ist.“
Tauber: Das wissen wir sehr wohl. Es gibt gerade in unserer Partei viele, die vor Ort Verantwortung übernehmen – vom ehrenamtlichen Mitglied, das Flüchtlingen hilft, bis zum Bürgermeister. Und wir sprechen miteinander. Manche wünschen sich eine schnelle Lösung des Problems. Sie suchen den Schalter, den man umlegt, und das Problem ist verschwunden. Zu meinem Selbstverständnis als Politiker gehört, ehrlich zu sagen, dass es diesen Schalter nicht gibt. Wir sind nicht gewählt, um Ehrennadeln „50 Jahre CDU“ zu verleihen und Spatenstiche vorzunehmen, sondern um Probleme zu lösen. Die CDU hat in ihrer 70-jährigen Geschichte oft regiert, wenn es nicht leicht war.
Focus: Also weiter wie gehabt?
Tauber: Ein Schlüssel zur Lösung der Flüchtlingsfrage liegt darin, die europäischen Außengrenzen zu sichern. Wir müssen die illegale Migration beenden. Die Zusammenarbeit mit der Türkei ist dabei ein zentraler Punkt. Und: Der Bundeswehreinsatz in Syrien ist auch ein Kampf gegen die Fluchtursachen.
Focus: Und was muss bei uns geschehen?
Tauber: Vieles ist ja schon geschehen. Ein Beispiel: Vor einigen Monaten kam fast jeder zweite Flüchtling vom Westbalkan. Jetzt hat sich rumgesprochen, dass diese Menschen bei uns keine Chance auf Asyl haben – und die Zahlen sind nur noch verschwindend gering.
Focus: 2015 kamen über eine Million Flüchtlinge. Viele in der CDU wollen eine Obergrenze.
Tauber: Die Illusion, dass das Problem mit einer Obergrenze zu lösen wäre, werden wir nicht nähren. Solche Vorschläge muss man zu Ende denken. Wenn wir zum Beispiel sagen: „Obergrenze 400.000“ – was ist mit dem 400.001. Menschen, der berechtigte Gründe für Asyl hätte?
Focus: Muss Deutschland an den eigenen Grenzen Flüchtlinge zurückweisen?
Tauber: Wer ernsthaft fordert, man könne schnell die deutsch-österreichische Grenze dichtmachen, riskiert, dass wir Europa schwer beschädigen. Damit wären Schengen und die Freizügigkeit, von der Hunderttausende Arbeitnehmer profitieren, faktisch am Ende.
Focus: Ihr Parteifreund Armin Schuster – früher leitender Mitarbeiter der Bundespolizei – sagt, der Schutz der Grenze ist möglich.
Tauber: Mag sein. Aber wie? Wollen wir Zäune mitten in Europa? Mauern? Stacheldraht?
Focus: Die Verteilung der Flüchtlinge in Europa klappt nicht. Immer mehr Staaten verabschieden sich aus der Solidarität.
Tauber: Die Rosinenpickerei einiger Staaten in Europa hat keine Zukunft. Wir setzen weiter auf europäische Kontingente für Flüchtlinge. Ich halte es mit Angela Merkel: In Europa dauert vieles länger, aber wir haben noch immer eine gemeinsame Lösung gefunden. Wir haben bei diesem Thema übrigens schon einmal einen langen Atem gehabt: Helmut Kohl hat in den 90er-Jahren den Kern des Asylrechts gegen seinen Innenminister Manfred Kanther verteidigt, es aber den Herausforderungen angepasst. Mit Erfolg.
Focus: Die AfD wächst derweil, liegt in einigen Umfragen um die zehn Prozent. Hat Angela Merkels Politik sie erst stark gemacht?
Tauber: Da sagen mir die Demoskopen was anderes.
Focus: Nämlich?
Tauber: Die AfD ist unter anderem ein Sammelbecken von derzeit von der Politik frustrierten und enttäuschten Menschen. Sie profitiert von allen Parteien. Knapp ein Viertel kommt von uns – der Rest von enttäuschten Sozialdemokraten, Nichtwählern, aber auch von den Linken. Ganz viele, die derzeit AfD wählen wollen, stehen extrem rechts. Und für die ist kein Platz in der Union.
Focus: Die CDU will auf dem Parteitag ein Bekenntnis zur Leitkultur abgeben...
Tauber: ... ja, für mich geht es da um mehr als nur das Grundgesetz. Es geht um das, was in unserem Land bewahrenswert ist. Dass eine Gesellschaft Verbindliches und Verbindendes braucht, bestreiten heute nicht einmal mehr Sozialdemokraten oder Grüne. Den Kulturkampf haben wir gewonnen.
Focus: Was gehört zur Leitkultur?
Tauber: Es ist zum Beispiel für unser Land entscheidend, dass jeder, der sich anstrengt, es schaffen kann, egal, woher er kommt.
Focus: Ein amerikanischer Traum...
Tauber: So ähnlich. Dass sich Leistung lohnt, war ja auch typisch für das deutsche Wirtschaftswunder und den Wiederaufbau. Das muss sich jetzt auch für die, die neu zu uns kommen, bewahrheiten. Auch Patriotismus gehört für mich zur Leitkultur. Ich finde es gut, wenn man mit Stolz zum Ausdruck bringt, dass man Bürger dieses Landes ist, etwa indem man aufsteht, wenn die Nationalhymne gespielt wird.
Focus: Sie selbst legen bei der Hymne die Hand aufs Herz. Sollen das künftig auch Migranten tun?
Tauber: Das muss nicht sein. Aber wenn man die Hymne ohne Zettel mitsingen kann, ist das schön. Für Christdemokraten sind Schwarz, Rot, Gold keine beliebigen Farben.
Focus: Integration ist aber kein Selbstläufer.
Tauber: Mein Eindruck ist: Die meisten, die nun zu uns kommen, wollen sich integrieren, wollen lernen und sich etwas aufbauen. Es gibt aber auch andere. Deshalb fordern wir, dass Bund und Länder Integrationsgesetze beschließen – mit Möglichkeiten der Sanktionen.
Focus: Welchen zum Beispiel?
Tauber: Beim Hartz-IV-System setzen wir auf Fördern und Fordern. Auch da müssen Menschen ständig Einsatz zeigen. Wer Sprach- und Integrationskurse nicht erfolgreich abschließt, muss mit Einschnitten rechnen. Und: Vollverschleierung ist auch kein Ausdruck gelungener Integration.
Focus: Also: Burkatragen verbieten?
Tauber: Jedenfalls werden wir signalisieren, dass das Tragen einer Burka mit unserer Vorstellung einer offenen Gesellschaft nicht vereinbar ist. Und wenn Flüchtlinge sich das Taschengeld nicht von einer Frau auszahlen lassen wollen, dürfen wir nicht sagen: „Okay, ist deren Kultur, ich hole einen Mann.“ Dann gäben wir unsere Werte preis.
Focus: Klingt rigide.
Tauber: Falsche Rücksichtnahme ist hier fehl am Platz. Bei uns in Kindergärten auf Weihnachtsfeiern zu verzichten, das Fernbleiben vom Schwimmunterricht aus vermeintlich religiösen Gründen zu tolerieren oder die Missachtung von Frauen hinzunehmen – das geht gar nicht. Religionsfreiheit ist kein Vehikel, um staatliche Regeln zu missachten. Aber leider muss man feststellen, dass auch manche in der angestammten Bevölkerung eklatant gegen unsere Leitkultur verstoßen.
Focus: Worauf spielen Sie an?
Tauber: Wer bei Pegida Galgen herumträgt oder Flüchtlingsheime anzündet, der verstößt gegen genau die kulturelle Ordnung und die Werte, die er zu verteidigen vorgibt. Focus: Aus der SPD kommen Forderungen, islamistische Gefährder in Deutschland mit Drohnen zu überwachen.
Tauber: Ich habe das mit Erstaunen gehört, es scheint so, dass endlich auch die SPD die Probleme sieht. Wir haben konkrete Vorschläge gemacht, wie man den islamistischen Terror in Deutschland bekämpft, die von der SPD allerdings bislang nicht unterstützt wurden.
Focus: Welche?
Tauber: Wenn einer zwei Pässe hat und erkennbar unsere demokratische Grundordnung ablehnt, sollte man ihm den deutschen Pass entziehen können. Wir wollen Werbung für terroristische Vereinigungen wieder unter Strafe stellen. Mit widerwärtigen Sympathiebekundungen in den sozialen Netzwerken für den sogenannten Islamischen Staat muss Schluss sein. Drittens: Elektronische Fußfesseln sind ein sehr sinnvolles Mittel, um die Bedrohung durch islamistische Gefährder zu begrenzen. Ich glaube, dass sich auf dem Parteitag dafür eine Mehrheit findet. Focus: Sind Sie auch organisatorisch für den Parteitag gerüstet? Haben Sie schon den roten Teppich knüpfen lassen, um dem CSU-Vorsitzenden zu zeigen, wie man Gäste empfängt?
Tauber: Ich weiß, dass sich viele bei uns auf Horst Seehofer freuen. Wir werden ihn freundlich begrüßen. Wie immer.