Tauber: Grenzschließungen würden uns massiv schaden
"Unsere Volkswirtschaft ist auf offene Grenzen im europäischen Binnenmarkt angewiesen – und hunderttausende Pendler auch. Entscheidend ist deshalb, dass die EU-Außengrenzen besser gesichert werden. Und die Zahlen sind bereits deutlich zurückgegangen", betonte CDU-Generalsekretär Peter Tauber in einem Interview mit der "Volksstimme", die in Magdeburg erscheint.
Die Fragen stellten Michael Bock und Steffen Honig. Das komplette Interview lesen sie hier:
Volksstimme: Bei den Umfragewerten für Bundes-CDU und Kanzlerin gibt es derzeit nur eine Richtung: nach unten. Wie wollen Sie das aufhalten?
Tauber: Wir lagen nach der Bundestagswahl knapp zwei Jahre lang bei über 40 Prozent. Dass die Werte über einen so langen Zeitraum nahezu unverändert geblieben sind, gab es noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik. Momentan stehen wir mit der hohen Zahl von Flüchtlingen vor einer großen Herausforderung, die vielen Leuten Sorgen macht. Aber wenn wir das Problem gelöst haben, werden uns die Menschen auch wieder mehr Vertrauen schenken. In den aktuellen Wahlkämpfen müssen wir immer wieder erklären, was wir machen, um die Flüchtlingszahlen zu reduzieren. Wir sollten aber auch deutlich machen: Es geht am 13. März vor allem um die Weichenstellungen in drei Bundesländern – also hier in Sachsen-Anhalt darum, dass Reiner Haseloff seine erfolgreiche Arbeit als Ministerpräsident fortsetzen kann.
Volksstimme: Die Flüchtlingszahlen müssen runter, sagt auch Angela Merkel. Die Türkei-Lösung ist wacklig, die Balkanländer wollen die Flüchtlinge gesammelt in die Bundesrepublik weiterleiten. Wann macht Deutschland dicht?
Tauber: Grenzschließungen würden vor allem uns selbst massiv schaden. Unsere Volkswirtschaft ist auf offene Grenzen im europäischen Binnenmarkt angewiesen – und hunderttausende Pendler auch. Entscheidend ist deshalb, dass die EU-Außengrenzen besser gesichert werden. Und die Zahlen sind bereits deutlich zurückgegangen: von 3500 Menschen täglich im November auf jetzt 1300. Wichtig dafür ist auch der Nato-Einsatz in der Ägäis. Wenn die Nato diejenigen, die sie auf See rettet, nicht nach Griechenland, sondern zurück in die Türkei bringt, werden die Zahlen nochmals sinken.
Volksstimme: Nato-Einsatz schön und gut, aber die Bevölkerung erwartet klare Entscheidungen aus Berlin und von der EU – diese fehlen.
Tauber: Wie gesagt: Die Zahl der Flüchtlinge ist seit November kontinuierlich zurückgegangen. Es geht nur nicht so schnell, wie manche sich das wünschen. Aber wir kommen gut voran.
Volksstimme: Die Bundesregierung prognostiziert in diesem Jahr 500 000 Flüchtlinge, ist das korrekt?
Tauber: Das ist keine Prognose der Bundesregierung, sondern die Rechengrundlage des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge. Unser Ziel ist, dass es deutlich weniger Flüchtlinge werden als 2015. Um das zu erreichen, haben wir schon viel erreicht: In der ersten Hälfte des Vorjahres kamen 40 Prozent der Asylbewerber vom Westbalkan. Seitdem diese Länder zu sicheren Herkunftsländern erklärt wurden, kommt von dort fast niemand mehr. Umso wichtiger ist, dass wir das mit den nordafrikanischen Staaten auch so machen – wobei sich da die rot-grünen Landesregierungen noch sträuben.
Volksstimme: Reden Sie nach den Dauerattacken Horst Seehofers auf die Politik der Kanzlerin noch mit Ihrem Generalsekretärskollegen Andreas Scheuer von der CSU?
Tauber: Na klar. Wir tauschen uns aus und sind uns bei sehr vielen Punkten einig. Aber natürlich gibt es auch Meinungsunterschiede. Die CDU hat sich auf ihrem Parteitag klar dafür entschieden, keine vermeintlich einfache nationale Antwort zu geben, sondern den mühsameren Weg zu einer dauerhaften Lösung auf europäischer Ebene zu wählen.
Volksstimme: Aber was bleibt von der Autorität Merkels und der CDU-Führung, wenn sie von Bayern aus ständig vor sich her getrieben wird?
Tauber: Streit um die Sache gehört doch zur Demokratie dazu. Aber irgendwann muss er enden. Das wünschen sich vor allem auch diejenigen, die derzeit in den Fußgängerzonen von Magdeburg oder Halle stehen und für die CDU werben. Im Übrigen stimmt Ihr Bild nicht: Angela Merkel hält Kurs und setzt den klaren Auftrag unseres Bundesparteitags um.
Volksstimme: Wie beurteilen Sie Seehofers Äußerung von der Bundesrepublik als einem Staat, indem Unrecht geschieht – was einem Unrechtsstaat entspricht?
Tauber: Viele hat die Aussage befremdet. Er selbst hat aber zum Ausdruck gebracht, dass er sich ein Stück weit missverstanden fühlt.
Volksstimme: Auch andere Ministerpräsidenten wie Rainer Haseloff aus Sachsen-Anhalt machen in der Flüchtlingspolitik Druck auf Merkel. Ist das kalkulierte Aufgabenteilung?
Tauber: Wir sind eine große Volkspartei, und da gibt es natürlich auch mal unterschiedliche Meinungen. Reiner Haseloff vertritt als Ministerpräsident sehr hartnäckig und engagiert die Interessen seines Landes, was ihn von manchem seiner Amtskollegen unterscheidet, die nur wohlfeile Reden schwingen – aber nichts zur Bewältigung der Herausforderung beitragen.
Volksstimme: Wen meinen Sie?
Tauber: Es ist ja schön, wenn Herr Kretschmann sagt, er bete für die Bundeskanzlerin. Es ist aber sehr ärgerlich, dass Baden-Württemberg sich verweigert wenn es darum geht, die nordafrikanischen Staaten zügig auf die Liste der sicheren Herkunftsländer zu setzen. Darauf kommt es an!
Volksstimme: Wenn also Haseloff bei gemeinsamen Auftritten mit Frau Merkel „liebe Angela“ sagt, so kommt das immer noch Herzen?
Tauber: Reiner Haseloff ist in nahezu jeder CDU-Präsidiumssitzung dabei und vertritt seine Position. Aber er lässt keinen Zweifel daran, dass er diese Wahl gemeinsam mit Angela Merkel gewinnen möchte.
Volksstimme: Durch die Konflikte zwischen den Unionsparteien und innerhalb der Koalition nimmt die gesellschaftliche Spaltung in Deutschland zu – davon profitiert allein die rechtskonservative AfD. Was tun Sie dagegen?
Tauber: Dass Menschen in unserem Land kontrovers diskutieren, ist bei einer so schwierigen Lage logisch. Natürlich haben viele Sorgen und Ängste. Deshalb müssen wir immer wieder, immer wieder und immer wieder darüber reden. Es gibt nicht die einfache Lösung. Darum können wir diese als CDU auch nicht anbieten. Umso wichtiger ist es dann, dass wir denjenigen, die die vermeintlich einfache Lösung versprechen, in der Debatte deutlich entgegentreten. Wenn man politische Verantwortung trägt, muss man auch mal den Rücken gerade machen und den Sturm aushalten.
Volksstimme: Nun geht es nicht nur um Streit, sondern bisweilen um offene Hetze und Gewalt. Wo ist für Sie die Grenze erreicht?
Tauber: Ganz klar: bei körperlicher Gewalt. Und dort, wo die Äußerungen nichts mehr mit Artikel 5 des Grundgesetzes – dem Recht auf freie Meinungsäußerung – zu tun haben, sondern die Grenze zur Volksverhetzung überschritten wird. Am rechten Rand beschimpfen uns manche ja gerne als „Volksverräter“. Denen sage ich deutlich: Ich bin Christdemokrat, und die CDU trägt diese Republik seit ihrem Bestehen. Ich bin stolzer Patriot. Aber das „C“ in unserem Parteinamen setzt eine klare Grenze nach Rechts.
Volksstimme: SPD-Chef Sigmar Gabriel fordert, die AfD vom Verfassungsschutz beobachten zu lassen. Sie auch?
Tauber: Der Verfassungsschutz arbeitet unabhängig. Er entscheidet selbst, wen er beobachtet.
Volksstimme: Es gibt aber Empfehlungen aus der Politik, was wäre Ihre?
Tauber: Natürlich gibt es Äußerungen von AfD-Vertretern, bei denen ich mich frage, ob die das Grundgesetz gelesen haben. Aber nochmal: Die Entscheidung liegt beim Verfassungsschutz.
Volksstimme: Die CDU schließt bisher Koalitionen mit der AfD aus. Welche Bedingungen müsste diese Partei für Sie erfüllen, damit sie für die CDU koalitionsfähig wird?
Tauber: Wenn sich die AfD so verändern würde, dass sie als Partner für die CDU infrage käme, wäre sie nicht mehr die AfD. Und deshalb wird sich diese Frage nie stellen. Teile der AfD wollen unsere demokratische Ordnung überwinden, sie stellen die Systemfrage. Das ist für Christdemokraten unvorstellbar – denn wir haben diese Republik entscheidend geprägt. Wir lieben diese Republik, wir sind stolz auf sie.
Volksstimme: Alles unter drei Ministerpräsidenten bei den Landtagswahlen im März wäre für die CDU enttäuschend. Welche Folgen hätte das für die Kanzlerin? Gibt es Plan B?
Tauber: Wir haben alle Chancen, dass Reiner Haseloff Sachsen-Anhalt weiter nach vorne bringen kann und wir mit Julia Klöckner und Guido Wolf zwei neue Ministerpräsidenten stellen. Aber dafür müssen wir kämpfen. Und das tun wir gemeinsam.