Impfstrategie zur Eindämmung von Corona vorgestellt
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Noch gibt es keinen Impfstoff gegen Sars-CoV-2. Aber die Hoffnung ist groß: Erstmals gibt es Zwischenergebnisse aus der für eine Zulassung entscheidenden Studienphase. Das Mainzer Unternehmen Biontech und der Pharmakonzern Pfizer teilten mit, ihr Impfstoff biete einen mehr als 90-prozentigen Schutz vor der Krankheit Covid-19. Schwere Nebenwirkungen seien nicht registriert worden. Biontech und der Pfizer wollten voraussichtlich ab der kommenden Woche die Zulassung bei der US-Arzneimittelbehörde FDA beantragen.
Doch bis dieser und andere Impfstoffe zugelassen sind, muss klar sein, wer, von wem und wo vorrangig geimpft wird, wenn nicht für alle Impfwilligen Impfstoff verfügbar ist. Hierzu haben die Ständige Impfkommission (Stiko) am Robert Koch-Institut, der Deutsche Ethikrat und die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina medizinische, ethische, rechtliche und praktische Rahmenbedingungen veröffentlicht.
Nach der Zulassung eines Corona-Impfstoffs sollen in Deutschland Ältere, Menschen mit Vorerkrankungen sowie Mitarbeiter in Krankenhäusern und Pflegeheimen zuerst gegen das Virus geimpft werden. Ebenso sollen Menschen in Schlüsselstellungen in der Gesellschaft und für die öffentlicher Ordnung zuerst geimpft werden, also Mitarbeiter von Gesundheitsämtern, Polizisten, Feuerwehrleute, Lehrer und Erzieher, so Alena Buyx, Vorsitzende des Deutschen Ethikrats.
Politik muss Empfehlungen nun umsetzen
Die Empfehlungen der Wissenschaftler sei noch keine Entscheidung, wie der Vorsitzende der Ständigen Impfkommission, Thomas Mertens, erläuterte. „Die Priorisierung muss von den Verantwortungsträgern der Politik festgesetzt werden auf Basis der Empfehlungen.“ Es solle dokumentiert werden, wer wann womit geimpft wurde, um etwaige Nebenwirkungen zu bemerken und den Impfeffekt zu messen.
CAHLA-Regeln und Reduzierung von Kontakten gelten weiter
Der Präsident der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina, Gerald Haug, zeigte sich optimistisch, dass im kommenden Jahr wesentliche Schritte zum Sieg über die Pandemie möglich seien. Allerdings müssten die Vorsichtsmaßnahmen wie Kontaktbeschränkungen vorerst dringend weiter eingehalten werden. Er betonte: „Wir dürfen dem Virus keine Chance zur unkontrollierten Ausbreitung geben.“
Diskussion offen und transparent führen
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn bewertete die Empfehlung der Experten als guten Schritt: „Wichtig ist, dass zuerst diejenigen geimpft werden, die das höchste Risiko haben“. Die Diskussion über die Priorisierung müsste in der breiten Öffentlichkeit transparent geführt werden, damit es dafür eine hohe Akzeptanz gebe. „Nur aus dieser Debatte heraus kommen wir zu guten Handlungsanweisungen“, so der Minister. Das Papier der Experten sei dafür eine gute Grundlage für politische Entscheidungen. Vor Ort sei es Sache der zuständigen Behörden, die Entscheidung zu treffen, wer zuerst geimpft werde. Hier müsse die richtige Balance gefunden werden. Wie viel Impfstoff wann zur Verfügung stehe, könne zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht beantwortet werden.
Das gemeinsame Positionspapier von Ethikrat, Stiko und Leopoldina finden Sie hier.
Wie weit ist die Impfstoff-Entwicklung?
Derzeit befinden sich mehr als 200 Kandidaten für einen Impfstoff zum Schutz gegen Covid-19 in der Entwicklung. Mehrere werden bereits in Zulassungsstudien der sogenannten Phase 3 untersucht. Veröffentlichte Ergebnisse zur Wirksamkeit und Sicherheit gibt es noch nicht. Die voraussichtlich zuerst zur Anwendung kommenden Impfstoffe basieren auf neuen Impfstoff-Technologien, sind sogenannte mRNA-Impfstoffe und Vektor-Impfstoffe.
Warum kann sich nicht jeder direkt impfen lassen?
Die derzeit in der Entwicklung befindlichen Impfstoffe werden zu Anfang nicht in ausreichender Menge zur Verfügung stehen, um die gesamte Bevölkerung zu impfen. Daher sollen die Impfdosen zum Wohle der Allgemeinheit möglichst effizient eingesetzt werden. Der Stiko-Vorsitzende Thomas Mertens hatte vorgerechnet, dass bei 100.000 Impfungen am Tag 150 Tage nötig seien, um 15 Millionen Menschen zu impfen.
Welche Gruppen sollen vorrangig geimpft werden?
Um schwere und tödliche Krankheitsverläufe zu verhindern und das Gesundheitssystem zu schützen, soll der Fokus auf Hochrisikogruppen liegen. Die zweite zu priorisierende Gruppe sind diejenigen, die an Covid-19 Erkrankten beistehen und selbst gegebenenfalls ein erhöhtes Risiko haben. Die dritte Gruppe sind Personen, die für das Gemeinwesen besonders wichtige Funktionen erfüllen und nicht problemlos ersetzt werden können. Die genaue Zusammensetzung der Gruppen kann laut Experten jedoch mit dem derzeitigen Wissensstand noch nicht festgelegt werden.
Wann werden die Impfempfehlungen konkretisiert?
Die Stiko wird - sobald mehr Ergebnisse zu den klinischen Studien der Impfstoffkandidaten vorliegen - voraussichtlich bis Jahresende, detaillierte Impfempfehlungen erarbeiten und veröffentlichen sowie fortlaufend aktualisieren.
Welche Risikofaktoren sind bei Covid-19 bekannt?
Hohes Alter, Übergewicht, Bluthochdruck, Herz-, Lungen- Nieren- oder Lebererkrankungen, Diabetes, Rauchen sowie ein geschwächtes Immunsystem. Bis zu 40 Prozent der Menschen in Deutschland zählen demnach laut Bundesgesundheitsminister Jens Spahn zur Risikogruppe.
Soll es eine Impfpflicht geben?
Nein, die Impfung muss im Grundsatz freiwillig stattfinden und verlangt eine aufgeklärte Zustimmung.
Wie soll geimpft werden?
Die Impfung soll grundsätzlich nur über vom Staat beauftragte Impfzentren erfolgen, unabhängig vom Versicherungsschutz des Einzelnen. Damit soll auch vermieden werden, dass Hausärzte gegebenenfalls Patienten zurückweisen müssen. Darüber hinaus planen die Landesgesundheitsminister mobile Impfteams, etwa für Altenheime. Die Impfzentren sind noch einzurichten; ersten Angaben zufolge planen die Länder derzeit rund 60 Zentren. Besonders wichtig sind Transport und Lagerung. Die Impfstoffe müssen teils bei zum Teil bis zu minus 80 Grad gekühlt werden. Und es brauche eine leicht zugängliche und transparente Kommunikation.