
"Lassen Sie uns mutig und wachsam sein"
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Bundeskanzlerin Angela Merkel hat bei einer Befragung durch die Bundestagsabgeordneten betont, dass Deutschland noch länger mit dem Corona-Virus leben muss. „Die grundlegenden Fakten haben sich nicht geändert“, erklärte sie, so lange es kein Medikament und keinen Impfstoff gebe. Auch wenn Deutschland bisher gut durch die Corona-Krise gekommen sei und das Gesundheitssystem nicht überlastet wurde, seien doch viele Menschen gestorben. „Ich denke an die Menschen, die wir an das Virus verloren haben und an ihre Familien“, so Merkel.
In den letzten Wochen sei das Ziel erreicht worden, die Verbreitung des Virus zu verlangsamen und Infektionsketten wieder nachzuvollziehen. Ausdrücklich dankte Angela Merkel den Bürgerinnen und Bürgern sowie der Wirtschaft für den großen Zusammenhalt in den vergangenen Wochen. Deutschland stehe gut da, wirtschaftlich, sozial und gesellschaftlich. Menschen, die in Kurzarbeit seien, werden nicht ins Nichts entlassen. „Wir helfen und bauen Brücken“, so die Kanzlerin, und sagte weiter: „Wir schauen, wo wir noch helfen können und planen auch etwas, um die Wirtschaft zu stimulieren.“ Deutschland habe die Chance, die Krise gut zu bewältigen – doch das bedeute nicht, dass niemand etwas merken wird.
Es sei also schon einiges geschehen, was Mut mache, sagte Merkel. Daher: „Lassen Sie uns mutig und wachsam sein.“ Sie habe großen Respekt vor der Leistung der Länder, ebenso vor der im Gesundheitsdienst und in den Gesundheitsämtern, sagte die Bundeskanzlerin weiter. Dort seien die Orte, wo die Infektionsketten nachvollzogen werden könnten. Die Neuinfektionen lägen in einem Bereich, „mit dem unser Gesundheitssystem zurechtkommen kann“. Zudem werde im Moment mit Hochdruck an der Tracing-App gearbeitet, die, wenn nicht ein Wunder bei der Impfstoffentwicklung geschehe, deutlich vor dem Impfstoff zur Verfügung stehen werde.
Wenn ein schwerer Rückfall verhindert werden könne, sei der Schutz des Lebens und der Wiederaufbau der Wirtschaft möglich, machte die Kanzlerin deutlich. Dazu seien weiter die Einhaltung des Mindestabstandes nötig, die Einhaltung der Hygienemaßnahmen und Respekt vor dem Schutzbedürfnis von Mitmenschen.
Steuererhöhungen zur Finanzierung der Corona-Folgekosten hat Merkel zum jetzigen Zeitpunkt ausgeschlossen. „Stand heute sind keinerlei Erhöhungen von Steuern und Abgaben geplant“, erklärte sie. Ob es zu einem späteren Zeitpunkt doch noch Erhöhungen gibt, könne sie noch nicht sagen – „sonst wären wir ja Zukunftsvorherseher, und das maße ich mir nicht an.“
Weiteres Thema der Befragung: die Bundesregierung will im Zuge der Erhöhung des Klimaschutz-Ziels der EU für 2030 neu aushandeln, welchen Anteil die einzelnen Mitgliedsstaaten leisten müssen. Es sei „ganz selbstverständlich“, dass über die sogenannte Lastenverteilung neue Verhandlungen geführt werden müssten, sagte Merkel. Bisher soll bis 2030 der Treibhausgas-Ausstoß 40 Prozent unter dem von 1990 liegen. Die Kommission will 50 bis 55 Prozent zum Ziel machen. Deutschland hat für 2030 bereits jetzt ein 55-Prozent-Ziel. Wie viel die einzelnen Staaten zum EU-Ziel beitragen müssen, richtet sich nach ihrem Wohlstand, gemessen am Bruttoinlandsprodukt (BIP) pro Kopf. Es gebe Mitgliedsstaaten, die hätten bis 2030 eine Reduktionsrate von null, sagte Merkel. „Ich glaube, wenn wir alle miteinander in der Europäischen Union die Klimaneutralität 2050 erreichen wollen, dann wird man mit einem Reduktionsziel 2030 null auch sicherlich nicht hinkommen.“
Darüber hinaus will sich Angela Merkel für eine schnelle Lösung im Streit um den Ausbau der Windkraft in Deutschland einsetzen. Sie werde die Vorbereitung der Bundesratssitzung in dieser Woche nutzen, um darüber mit den Ministerpräsidenten zu sprechen, „damit wir diese Frage schnellstmöglich lösen“, sagte Merkel am Mittwoch im Bundestag in Berlin. Es gebe „mühselige“ Verhandlungen, die aber auch irgendwann endeten. Dann gelte auch weiter die politische Zusage, dass der Förderdeckel für neue Windkraftanlagen aufgehoben werde.
Die Koalition und die Bundesländer suchen seit Monaten nach Lösungen, wie der Ausbau von Windrädern vorangetrieben und die Akzeptanz der Anwohner erhöht werden soll. Besonders umstritten ist die genaue Ausgestaltung einer Regel zum Mindestabstand von 1000 Metern zwischen Windrädern und Wohnsiedlungen.
Außerdem drehte sich die Befragung um das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu den Aufkäufen von Staatsanleihen durch die Europäischen Zentralbank EZB, die als verfassungswidrig eingestuft wurden. Bundeskanzlerin Angela Merkel sieht in dem Urteil eine Möglichkeit, die politische Integration der Währungsunion voranzutreiben. Dies sei von Anfang an Ziel der Euro-Zone gewesen, „aber wir sind nicht ausreichend vorangekommen“, sagte sie. Es gehe jetzt darum, mit einem „klaren politischen Kompass“ auf das Urteil der Karlsruher Richter zu reagieren mit dem Ziel, dass der Euro als starke Währung Bestand habe. Änderungen der europäischen Verträge dürften dabei kein Tabu sein. Es müsse auch gewährleistet sein, dass die Bundesbank weiter an Beschlüssen der Europäischen Zentralbank teilnehme.
Eine weitere Frage befasste sich mit dem Hackerangriff auf den Bundestag vor fünf Jahren, für den laut Bundeskanzlerin Russland verantwortlich war. Dass die Spuren des Angriffs vor fünf Jahren zum russischen Geheimdienst führten, sei „mehr als unangenehm“, betonte sie. Ein solcher Vorfall „stört natürlich eine vertrauensvolle Zusammenarbeit“, sagte die Kanzlerin. „Wir behalten uns natürlich Maßnahmen gegen Russland vor.“ Sie wolle sich trotz der Erkenntnisse über Russlands Rolle bei dem Hackerangriff auch weiter um ein gutes Verhältnis bemühen, „aber das macht es natürlich nicht einfacher“. Merkel sei froh, dass nun eine „konkrete Person“ auf der Fahndungsliste stehe. Nach Medienberichten haben deutsche Ermittler den mutmaßlichen Hauptverantwortlichen identifiziert: Es soll sich um einen Agenten des russischen Militärgeheimdienstes GRU handeln. Im Bundestag hatte der Angriff im Mai 2015 die IT-Infrastruktur komplett lahmgelegt. Um ihn zu stoppen, musste das gesamte Parlament über Tage vom Netz genommen werden.