
Erinnerungsbuch zum 90. Geburtstag von Helmut Kohl
„Dankbarkeit ist die Erinnerung des Herzens." Romano Guardini
Zeit seines Lebens hat Helmut Kohl den katholischen Theologen Romano Guardini mit dem schönen Satz zitiert: „Dankbarkeit ist die Erinnerung des Herzens.“ Und Helmut Kohl hat den Satz nicht nur gesagt, sondern er hat ihn auch gelebt: Dankbarkeit als Erinnerung des Herzens.
Wenn die CDU Deutschlands an den 90. Geburtstag von Helmut Kohl erinnert, dann ist dieses Zitat wahrscheinlich die beste Überschrift. Wir sind dankbar für das Leben und Wirken von Helmut Kohl; und diese Dankbarkeit kommt von Herzen.
Helmut Kohls Leben war ein Leben für Deutschland, für Europa und für die CDU, ein Leben für Frieden und Freiheit. Jede und jeder von uns hat Erinnerungen an ihn – auch die, die ihn nicht persönlich gekannt haben. Unser Land verdankt dem Kanzler der Einheit die Erfüllung eines jahrzehntelangen Traums; Europa verdankt dem Ehrenbürger Europas seinen inneren Zusammenhalt und das Zusammenwachsen von Ost und West; unsere Partei verdankt dem am längsten amtierenden Parteivorsitzenden unserer Geschichte große Wahlerfolge, Modernisierungsschübe und programmatische Wegmarken wie zum Beispiel zwei Grundsatzprogramme.
Dankbar haben wir daher zum 90. Geburtstag Helmut Kohls am 3. April 2020 an ihn erinnert und Sie eingeladen, Ihre Erinnerungen und Gedanken hier in diesem Online-Erinnerungsbuch zu hinterlassen.
Herausgekommen ist eine beeindruckende Sammlung von fast 600 Einträgen. Von Menschen allen Alters, aus allen Regionen Deutschlands und über Parteigrenzen hinweg. In all diesen Erinnerungen tritt Helmut Kohl uns nochmals vor Augen. Eindringlicher als das viele offizielle Biografien leisten könnten, wird in Anekdoten und persönlichen Erzählungen deutlich, wie tief die Spuren sind, die Helmut Kohl in der Geschichte unseres Landes, in unserer Partei und im Leben vieler Menschen hinterlassen hat.
Herzlichen Dank allen, die Ihre Erinnerungen an Helmut Kohl mit uns geteilt haben und gemeinsam dazu beigetragen haben, sein Erbe lebendig zu halten.
Annegret Kramp-Karrenbauer
Vorsitzende der CDU Deutschlands
Dr. Maike Kohl-Richter
Paul Ziemiak MdB
Generalsekretär der CDU Deutschlands
Gedanken und Erinnerungen von Maike Kohl-Richter, Freunden und Weggefährten - unter anderem auch einen Brief von Annegret Kramp-Karrenbauer und Paul Ziemiak an Maike Kohl-Richter - finden Sie auch unter: https://www.helmut-kohl.de/.
Erinnerungen anlässlich des 90. Geburtstages von Helmut Kohl: Ein Leben für Deutschland, für Europa und für die CDU
Wir denken an den großen Staatsmann Helmut Kohl, den Kanzler der Einheit und Baumeister Europas.
Er hat Deutschland zu einem geachteten Partner der Staaten der Welt gemacht. Ich hatte mehrfach die Ehre, ihm persönlich zu begegnen und für ihn Wahlkampf zu machen.
Dr. Wolfgang Dertz, Eltville 03.04.2020
Den anerkennenden Worten über das engagierte Leben von Helmut Kohl für Deutschland und Europa möchte ich nichts weiter hinzufügen. Es stimmt einfach.
Als 1971er-Jahrgang ist Helmut Kohl das Gesicht der CDU und Deutschland ansich.
Ein Vorbild, ein Mensch und ein Weg.
Sehr geehrte Damen und Herren, meine Erinnerungen an Helmut Kohl:
Habe diesen wunderbaren Menschen persönlich bei einer Wahlkampfveranstaltung getroffen und er hat mir eine pers. Widmung in sein Buch geschrieben. Er hat für Deutschland alles gegeben.
Dafür herzlichen Dank, Helmut Kohl.
Ich danke Helmut Kohl täglich von Herzen für sein Lebenswerk, die Einheit Deutschlands und Europas. Er har mehr für Deutschland geleistet als Otto von Bismarck. Ich danke Gott für diesen Mann. Im Herbst feiert unsere große Familie ihr Jahresfest in Speyer; da werden wir zu Helmut Kohls letzter Ruhestätte "wallfahren". Ich habe von ihm gelernt: "Man muss mit allen sprechen!" Hans C. Müller.
Was würde Helmut Kohl heute tun?
Ein Virus hebt unsere Welt aus den Angeln, zeigt schonungslos die Schwachstellen unserer modernen, total vernetzten Gesellschaften und bringt eben nicht nur das Beste bei den Menschen hervor. Deutschland erweist sich dabei im Vergleich als besser aufgestellt, als die meisten unserer Nachbarn, aber die EU ist in höchster Gefahr. Was würde Helmut Kohl heute tun?
Als junges CDU-Mitglied habe ich oft unter der ruhigen Hand gelitten, die Kohls Politikstil prägte. An vielen Stellen hätte ich es gerne etwas dynamischer gehabt - insbesondere in der Wirtschaftspolitik. Erst im Rückblick auf die Kanzlerschaft von Helmut Kohl wird so richtig klar, mit welcher Kraft, mit welchem Weitblick er unsere Welt verändert und entscheidende Weichen für Frieden und Wohlstand gestellt hat.
Ich bin sicher, Helmut Kohl hätte schon lange, bevor ein Virus EU und Euro jetzt an den Rand des Zerfalls bringt, ein Zeichen gegen nationale Egoismen und kleinkrämerische Europapolitik gesetzt. Einen „Helmut-Kohl-Moment“ sozusagen. Wer erinnert sich nicht an das Foto, als Helmut Kohl und François Mitterand 1984 Hand-in-Hand über den Gräbern von Verdun stehen. Oder an das Foto aus dem Kaukasus, als er mit Gorbatschow die deutsche Wiedervereinigung verhandelte.
Solche Zeichen fehlen mir heute schon manchmal. Politik besteht eben nicht nur aus dem Machen von Gesetzen oder dem Abschluss von Verträgen. Gegen den wunderbaren, mutigen Maastricht-Vertrag von 1992 konnte in der Folge vielfach verstoßen werden, weil die Politik und die Menschen in Europa etwas ganz Entscheidendes aus den Augen verloren haben: Die EU ist vor allem Anderen ein großes Friedensprojekt, eine Wertegemeinschaft - nicht nur ein riesiger gemeinsamer Markt oder eine gigantische Geldverteilungsmaschine.
Helmut Kohl hatte das nie vergessen und handelte danach. Ein wahrhaft großer Europäer!
Helmut Kohl, für die Ewigkeit verankert in der europäischen und der deutschen Geschichte.
Alles Gute zum Geburtstag, Herr Kohl!
Helmut Kohl war ein wesentlicher Grund für meine Mitgliedschaft in der CDU. Sein Einsatz für die Wiedervereinigung Deutschlands und seine Arbeit für unser Europa ist beispiellos. Ihm gebührt höchste Anerkennung.
Ich habe Helmut Kohl schon als MP von Rheinland Pfalz bewundert.
Gute Erinerung auch als Bundeskanzler !
Helmut Kohl in Dresden vor der Ruine der Frauenkirche. Den Platz durchzog ein Baugraben. Das empörte mich sehr, waren doch in unserem Land ganz andere sinnlose Bauereien vorgenommen worden, als das Zuschippen oder Abdecken eines Grabens. Aber Helmut Kohl ließ sich nicht aus der Ruhe bringen und hielt seine begeisternde Rede.
Danke, Herr Bundeskanzler Helmut Kohl
Was würde Helmut Kohl gesagt und getan haben?
Wir, die wir ihn als genialen Lenker erleben durften, sollten uns diese Frage immer wieder stellen.
Helmut Kohl, eine beeindruckende Persönlichkeit, nicht nur als Politiker, sondern auch als Mensch. Ich durfte seine gesamte Amtsperiode miterleben und konnte ihm mit Begeisterung zuhören und auch heute noch lese ich mit Begeisterung über ihn. Es wäre wünschenswert, dass es auch heute noch Menschen mit einem solchen Profil gäbe. Danke Helmut Kohl!
Es gibt unzählige Erinnerungen, die ich mit Helmut Kohl verbinde. Schon früh habe ich zusammen mit meinem Opa das Wirken des Kanzlers der Einheit im Fernsehen verfolgt. Sein Engagement für die Deutsche Einheit hat mich tief bewegt. Mit schlotternden Knien habe ich ihn dann zum ersten Mal live bei einer Wahlkampfkundgebung auf dem Münsteraner Domplatz gesehen. Viele weitere Male durfte ich ihn dann live sehen. Alles Höhepunkte. Ob bei einer Besichtigung des Kanzleramts in Bonn, beim Wahlkampfauftakt in Dortmund 1998 "Die Karawane zieht weiter, der Kanzler bleibt Kohl.", ob beim Fototermin während des Bundestagspraktikums 2001, ob beim Deutschlantag der Jungen Union in Oldenburg und schließlich bei seinem 80. Geburtstag vor seinem Haus in Oggersheim.
Danke für die Einheit! Danke für Europa! Danke, Helmut Kohl.
Vielen Dank an den Ehrenbürger Europas !
Dr.Helmut Kohl wird für mich immer der Kanzler der deutschen Einheit sein und bleiben ! Ihm und der damaligen Regierung bin ich zu tiefst dankbar.Es war eine sehr aufregende und interessante Zeit, was heute leider immer mehr in Vergessenheit gerät.
Ich werde ihm stets in ehrendenn Gedenken behallten !
Er wird immer in unseren Herzen, als Kanzler der Einheit und Architekt der heutigen Europäischen Union bleiben. Kein anderer Kanzler vorher, hat die selbe Leistung, für die Gemeinschaft und den Zusammenhalt erwirkt. Sie waren der Kanzler meiner gesamten Jugend eine Prägung der Sichtweise auf bestimmte Dinge.
Ruhen Sie in Frieden, man wird niemals ihr Vermächtnis und generell Ihre Person vergessen.
Leider durfte ich Ihn nie persönlich kennen lernen. Aber durch Ihn bin ich politisch geprägt worden. Er war so etwas wie ein Vorbild für mich.
Danke dafür. Schade dass sein Abgang nicht nicht so gewürdigt wurde, wie er es verdient gehabt hätte, bei allem was auch falsch lief.
Danke für Europa RIP
Helmut Kohl hat in seinem Leben nicht alles richtig gemacht. Er hat aber im richtigen Moment gehandelt und entschieden. Diejenigen die ihn später für Details kritisierten, hätten wahrscheinlich meistens zugewartet und viele Möglichkeiten verpasst. Seine Lebensleistung kann nicht hoch genug eingeschätzt werden.
Für mich war Herr Dr. Helmut Kohl der Bundeskanzler meiner Kindheit und Jugendzeit. Ich durfte Ihn einige Male persönlich erleben und wenn er einen Raum betrat war da eine gewisse Magie. Europa, Deutschland und die CDU können dankbar sein, dass Helmut Kohl in einer entscheidenden Stunde unserer Geschichte Regierungschef war.
Er wird immer unser Bundeskanzler bleiben!
Helmut Kohl hat in seinem Leben nicht alles richtig gemacht. Er hat aber im richtigen Moment gehandelt und entschieden. Diejenigen die ihn später für Details kritisierten, hätten wahrscheinlich meistens zugewartet und viele Möglichkeiten verpasst. Seine Lebensleistung kann nicht hoch genug eingeschätzt werden.
Ich habe Dr. Kohl in 2 Bundestagswahlkämpfen auf dem Marburger Marktplatz erlebt. Ein Mal hat er mir sein Buch signiert. Ich habe großen Respekt vor seiner Lebensleistung.
In 1996 bin ich als "Ref. für Hochschulpolitik" meiner Hochschule in die CDU eingetreten. Sicherlich war die überregionale, politische Arbeit schwierig, aber ich wollte Hellmut Kohl nacheifern. Er war das Vorbild für mich.
Seine politische Arbeit mit Frankreich und Russland fand ich sehr gut. Sicher, jedem passieren mal Fehler, davon war auch er nicht frei. Aber er hat einen "guten Job" gemacht.
Solch ein Mensch, fehlt mir, aktuell, in der CDU.
Danke CDU, für diese Aktion.
In meinem Post von gestern Abend hatte sich ein kleiner Fehler eingeschlichen. Wäre der zu löschen und folgender Text bitte zu veröffentlichen? Vielen Dank
Helmut Kohl war der Kanzler meiner Kindheit und Jugend. 1981 geboren, ermöglichte er es mir und meiner Generation in einem starken und sozialen Deutschland groß zu werden. Mit der Wiedervereinigung hat er Geschichte geschrieben für unser Land. Aufgrund seiner Überzeugung und seines persönlichen Einsatzes hat er Europa mitgebaut, Grenzen abgeschafft und Menschen zusammengeführt. Wegen ihm bin ich politisch aktiv geworden und 1998 in die CDU eingetreten, um einen ganz kleinen Teil "seines Erbes" mit weiter zu leben. Danke für den Einsatz für unser Land!
Als ich Kind war kam er zu einer Wahlveranstaltung in unser kleines Dorf mit einem Hubschrauber. Das war schon was!
Und irgendwie ging es mit diesen tollen Taten die nächsten 30 Jahre weiter. Danke Helmut Kohl
Kanzler der Einheit und einer der letzten Staatsmänner die Deutschland hatte-darum bin ich Mitglied geworden.
Ich bin in einer Zeit aufgewachsen und habe begonnen mich für Politik zu interessieren, als Helmut Kohl Bundeskanzler war. Irgendwie hatte ich das Gefühl als Jugendlicher, es hätte nie einen anderen gegeben. Mit seiner Standhaftigkeit und Durchsetzungsvermögen hat er mich geprägt, das wirkt sich auch heute noch auf mein Handeln aus. Politiker wie Helmut Kohl gibt es nur noch selten. Er war ein Vorbild für eine ganze Generation.
Helmut Kohl war der erste Kanzler, an den ich mich erinnern kann - ich bin Jahrgang 1980. Als er 1998 abgewählt wurde, konnte ich mich über ein Jahr lang nicht daran gewöhnen, dass, wenn in den Nachrichten von „dem Kanzler“ die Rede war, es sich NICHT um Helmut Kohl handelte. Sein Name und das Wort Kanzler waren für mich Synonyme.
Denn er hat wie nur sehr wenige Menschen weltweit seine Epoche geprägt. Ihm gebührt großer Dank für die Deutsche Einheit sowie für die Schritte hin zur Europäischen Union.
Man kann diesem großen Politiker jeden Tag dankbar sein.
Irgendwann im Frühjahr 2007: Auf der Suche nach meinem Sitzplatz gehe ich durch den ICE von Berlin nach Hamburg. In einem Abteil sehe ich ein bekanntes Gesicht.
„Guten Tag, Herr Bundeskanzler“, sage ich. „Setzen Sie sich, ich kenne Sie“, sagt Helmut Schmidt.
Dann geschehen drei Dinge: Helmut Schmidt hält sich eineinhalb Stunden an das Rauchverbot. Er ignoriert, dass ein ungeschickter Kellner ihm eine Tasse Kakao über die Hose schüttet und noch ungeschickter versucht, die Hose wieder vom Kakao zu befreien. Und er bombardiert mich mit Fragen. Fragen zu Helmut Kohl. Warum er dort so entschieden habe, warum da anders. Die ganze Zugreise lang fragt er mich aus, über den Mann, zu dem ihm immer ein Nichtverhältnis nachgesagt wurde.
Als ich Helmut Kohl von der Begegnung berichte, kommentiert er sie nicht weiter.
Doch ein paar Wochen später, an einem Montagmorgen, ruft er mich an: „Rate, wo ich bin.“ – „Keine Ahnung.“ – „Ich fahre gerade nach Hamburg hinein.“ – „Was machst du in Hamburg?“ – „Ich treffe mich mit Helmut Schmidt in seinem Büro. Hast du später noch Zeit?“
Abends, als ich das Café Paris nahe dem Hamburger Rathaus betrete, sitzt Helmut Kohl bereits dort. Gelöst, fast überschwänglich, erzählt er von Helmut Schmidt.
Warum er das Treffen mit ihm vereinbart habe, frage ich. Kohls Antwort:
„Ich möchte nicht eines Tages aufwachen, morgens im Bad stehen und in den Nachrichten hören, dass Helmut Schmidt nicht mehr ist – ohne dass wir uns ausgesprochen hätten.“
Für ihn – als den Jüngeren von beiden – war es selbstverständlich, den Amtsvorgänger zu besuchen. Aus Respekt vor der Person. Vor dem Amt. Vor der Lebensleistung. Und aus einer zutiefst menschlichen Regung heraus. Das war Helmut Kohl.
Ein Gegenbesuch von Helmut Schmidt in Berlin war fest geplant. Dazu kam es nicht mehr.
Helmut Kohls schwerer Sturz im Februar 2008 und seine Folgen sollten fortan das Leben des Mannes bestimmen, der über 16 Jahre hinweg das Schicksal Deutschlands bestimmt hatte.
Während seiner Zeit im Kanzleramt hatte ich Helmut Kohl vor allem aus beruflicher Perspektive erlebt, als Journalist, als Bonner Korrespondent in den späten 80ern, als Politik-Chef von BILD in den 90er-Jahren.
Erst später, im Herbst seines Lebens, durfte ich ihn von Nahem kennenlernen.
Wenn ich gefragt werde, wie diese besondere, enge und so gar nicht selbstverständliche Beziehung entstanden ist, muss ich sagen: Ich kann es mir selber nicht erklären. Dass es etwas mit dem Interview zu tun hat, das ich als 17-Jähriger mit Helmut Kohl geführt habe, gehört ins Reich der Legenden.
Nein, es ist einfach passiert. Während vieler Gespräche, im Laufe der Jahre immer häufiger werdenden Begegnungen, gemeinsamen fröhlichen und manchmal auch bedrückenden Stunden.
Auf jeden Fall fiel es mir noch im Jahr 2006 wahnsinnig schwer, das angebotene „Du“ anzunehmen – mein Respekt vor der einzigartigen Lebensleistung dieses Mannes hat mich nie verlassen.
Im Oktober 1998, ungefähr zwei Wochen nach dem Wahlsieg von Gerhard Schröder, waren wir noch beim Kanzler-Du (Kohl duzte, ich siezte). Bei der Verabschiedung eines Parlamentskorrespondenten fragte er im Hinausgehen: „Kommst du später noch auf einen Wein?“ Ich sagte zu.
Den Bungalow auf dem Gelände des Bonner Kanzleramts kannte ich nur hell erleuchtet. Jetzt war alles dunkel. Dunkel und leer.
Helmut Kohl wohnte dort zwar noch, aber die neuen Hausherren von Rot-Grün hatten das Personal komplett abgezogen.
Helmut Kohl wirkte in dem Bungalow, den er 16 Jahre lang bewohnt hatte, fast hilflos. Der Mann, der 1989 mit traumwandlerischer Sicherheit deutsche Geschichte geschrieben hatte, hatte nun Schwierigkeiten, die Lichtschalter zu finden. Nach einem Vierteljahrhundert in der Bundespolitik, im Dienst für sein Land, war Helmut Kohl das normale Leben fremd geworden.
Irgendwo trieb ich eine Flasche Wein und zwei Gläser auf. Keinen Korkenzieher. Wir drückten schließlich den Korken durch den Flaschenhals.
Es war an diesem Abend nicht einmal zwei Jahre her, dass wir uns über Freundschaft in der Politik unterhalten hatten. Helmut Kohl erzählte mir damals vom Rücktritt Ludwig Erhards als Bundeskanzler im Jahr 1966. Er erzählte, wie eilig es der versammelte CDU-Bundesvorstand auf einmal hatte, den Kanzler-Bungalow zu verlassen. Wie Erhard zu ihm sagte: „Sie sehen, Herr Kohl, wie das ist, wenn man zurücktritt. Da ist plötzlich niemand mehr da.“
Und wie er – als jüngstes Bundesvorstandsmitglied ohne besondere Nähe zu Erhard – sich schämte, dass dieser große alte Mann da ganz alleine saß. Kohl blieb damals auf einen Wein, Erhard trank Whiskey.
Jetzt, an dem Herbstabend 1998, wurde ich selber Zeuge der Fallhöhe, die der Mann zu spüren bekam, der für eine gesamte Generation völlig untrennbar mit dem Kanzleramt verbunden war. Kanzler war gleichbedeutend mit Kohl. Und nun, gerade einmal zwei Wochen nach der Wahlniederlage, war sein Bungalow dunkel und kein Korkenzieher da. Ein bedrückender Abend. Es sollte nicht der letzte bleiben. Die Spendenaffäre, der Suizid seiner Frau Hannelore, die Entfremdung von seinen Söhnen trafen ihn unerwartet. Und tief.
Umso mehr hat mich überrascht, Helmut Kohl nie verbittert erlebt zu haben. Selbst in den schwierigsten Stunden nicht. Zufällig war ich im Januar 2000 in seinem Berliner Büro Unter den Linden, als er ganz ruhig den Verzicht auf den CDU-Ehrenvorsitz diktierte. Anschließend tranken wir Rotwein. Schweigend.
Der Verrat und die Feigheit seiner Partei hatten ihn tief verletzt, aber er ist darüber eben nicht verbittert.
Allen Konflikten, allen Anfeindungen und allen Schicksalsschlägen zum Trotz: Helmut Kohl war gelassen, in sich ruhend, zutiefst dankbar für sein Leben und jenseits von Zynismus. Ein „elder statesman“, der lange Reisen unternahm, dessen Leidenschaft für Politik und andere Menschen nie nachließ, der weiterhin jungenhaften Spaß an der Inszenierung hatte und ebenso großen Sinn für Unsinn.
Meiner Idee, der Jubiläumsausgabe der „tageszeitung“ – deren Hassobjekt er seine ganze Kanzlerschaft hindurch war – 2004 sein allererstes Interview zu schenken, stimmte der medial so oft und gern Gescholtene fröhlich zu. Wir sprachen über linken Verrat, linke Lebenslügen, linke Idioten und schrieben „25 Jahre taz – heute gibt‘s Kohl“ auf die „taz“-Titelseite.
Für seine Gegner hatte er, wenn überhaupt, nur Spott übrig. Oder eine wegwerfende Handbewegung.
„Der Mensch ist fehlbar und auch du, lieber Kai, bist zwar überzeugter Katholik, aber kein Heiliger“, schrieb er mir vor ein paar Jahren.
Helmut Kohl war keiner, der jammerte. Selbst dann nicht, als das zunächst unentdeckt gebliebene Schädel-Hirn-Trauma ihn 2008 zur Sprachlosigkeit verdammte.
Bei meinem ersten Besuch nach dem Unfall konnte er nicht reden. Er versuchte es. Als er trotz aller Anstrengung scheiterte, schlug er wütend mit der Hand auf sein Klinikbett. Immer wieder. Mit der schieren Kraft seines Willens gelang es ihm nach und nach, wieder Worte zu formen, 2011 in der Münchner St.-Michael-Kirche sogar die Trauerrede für seinen Freund Leo Kirch zu halten.
Beklagt hat er sich nie. Im Gegenteil: Er war sich des Glücks bewusst, das er bei allem Unglück gehabt hatte. „Der gute Verlauf meiner Genesung bis heute ist keineswegs eine Selbstverständlichkeit“, schrieb er mir zum Jahreswechsel 2009. „So danken wir Gott, dass wir noch einmal davongekommen sind. Dass das Leben für mich auch würdig und lebenswert geblieben ist.“
Helmut Kohl verlor auch im Rollstuhl weder seine Größe noch seine Fröhlichkeit: „Ich war nie jemand, der zum Trübsinn neigte“, sagte er. Und wenngleich er nun mit dem Mund nicht mehr so herzlich lachen konnte, wie er wollte – er tat es mit den Augen.
Wenn ich ihm aus seiner – mitunter deftigen – Korrespondenz mit Franz Josef Strauß vorlas, mit Luis Trenker oder Astrid Lindgren, dann blitzte aus den weisen Elefantenaugen schelmische Freude auf. Mehr noch, wenn er unter Menschen war. Helmut Kohl mochte die Menschen.
Als das offizielle Berlin 2014 den 25. Jahrestag des Mauerfalls feierte, wollte er an einem ganz anderen Ort sein. In Potsdam. Gemeinsam mit unseren Ehefrauen sowie Georg Friedrich von Preußen und dessen Frau besuchten wir das Grab Friedrichs II. in Sanssouci, dessen Umbettung Helmut Kohl 1991 persönlich begleitet hatte. Als Besucher ihn an Friedrichs Grabstein erkannten, kamen sie auf ihn zu und dankten ihm für die Deutsche Einheit.
Ein bewegender Anblick. Helmut Kohl hat solche Momente geliebt und es gab sie oft.
Das Alleinsein war vielleicht das Einzige, das ihm je Angst gemacht hat. Er war es nicht. Besucher gaben sich in seinem Haus die Klinke in die Hand. Und Maike Kohl-Richter war für ihn das, was Helmut Kohl mir kurz vor seiner Hochzeit geschrieben hatte: „Ich bin sicher, dass ich mit ihr eine wirkliche Frau für den Rest meines Lebens gefunden habe. Nicht von vielerlei Nebensächlichkeiten abgelenkt, sondern in der Erkenntnis, dass sie meine Frau fürs Leben ist, die in ihrem ganzen Wesen zu mir steht.“
Helmut Kohl war 2002 der Trauzeuge meiner Frau Katja gewesen, auf seinen Wunsch hin übrigens. Ich hätte mich gar nicht getraut, den Mann, den ich für seine Lebensleistung bewunderte und damals noch siezte, zu fragen. Nun, im Mai 2008, war ich gemeinsam mit Leo Kirch Trauzeuge, als die Volkswirtin Maike Richter und der Altkanzler sich in der kleinen Klinik-Kapelle in Heidelberg vor Gott das Jawort gaben – elf Wochen nach dem Unfall.
Wer die Beziehung von Maike Richter mit dem Altkanzler von Anfang an begleitet hatte, wusste um ihre Wirkung. In ihrer Gegenwart wurde Helmut Kohl ungewöhnlich sanft, referierte nicht wie sonst, sondern hörte zu, nahm sich zurück, war fast wie ausgewechselt. Nach seinem Sturz betonte er immer wieder: „Ohne Maike wäre ich nicht davongekommen.“
Doch es wurde still um ihn. Und er wurde es auch.
Das Reden fiel ihm zunehmend schwer. Das Leben nicht.
Diejenigen, die öffentlich zu wissen glaubten, wie es ihm ging, wussten es in Wahrheit nicht.
Helmut Kohl hat sich nie aufgegeben. Im Gegenteil: Er hat seine letzten Jahre genossen. Er hatte Freude an seinem Garten und den Körben mit Sauerfleisch und Wein, die der „Deidesheimer Hof“ bis zuletzt schickte. Mit großer Disziplin machte er jeden Morgen seine Schwimmübungen. Er las NZZ, FAZ und BILD oder ließ sich daraus vorlesen.
Sonntagabends besuchte ihn sein Pfarrer zu Hause, um mit ihm die Heilige Messse zu feiern.
“Wer keine Freunde hat, ist ein ganz armer Hund. Und hier hat es der liebe Gott, Gott sei Dank, gut mit mir gemeint“, sagte er.
Er selbst war ein Mann, der seine Freundschaften fast zärtlich pflegte.
Zu meinem 40. Geburtstag schickte er mir folgenden Gruß: „Ich wünsche Ihnen gute Freunde, die sagen, was ist. Und nicht das, was Sie gern hören.“ Kurz darauf lud er mich mit den Worten zu sich ein: „Ich möchte dir etwas schenken, das man sich nicht kaufen kann.“
Wir stiegen ins Auto und sein Fahrer brachte uns nach Speyer. Der Dom war relativ voll, der Sonnenschein fiel wunderschön durch die romanischen Fenster. Wir nahmen auf einer Kirchenbank im Mittelschiff Platz. „Warte“, sagte er, „gleich“ – und da erklang auf einmal Orgelmusik. Helmut Kohl hatte den Organisten heimlich gebeten, Bachs „Toccata und Fuge“ zu spielen. Während die Musik den Dom füllte, hielten die Besucher inne, lauschten andächtig. Die mitreißende Freude im Gesicht von Helmut Kohl über meine Freude an diesem Geschenk werde ich nie vergessen.
Das letzte Mal habe ich ihn vor wenigen Wochen an seinem 87. Geburtstag in Ludwigshafen besucht.
Er war gerade von einem kurzen Klinik-Aufenthalt nach Hause zurückgekehrt, saß in seinem Rollstuhl im Garten und genoss die warme Frühlingssonne. Es war ein schöner Tag. Helmut Kohl war sehr, sehr müde.
Auf einem Messingkreuz, das er mir einmal zu Weihnachten schickte, ist ein Zitat des Religionsphilosophen Romano Guardini eingraviert:
„Dankbarkeit ist die Erinnerung des Herzens“.
Von dieser Dankbarkeit bin ich erfüllt.
Heute, lieber Helmut, wärst Du 90 Jahre alt geworden.
Du fehlst sehr.
Dein
Kai
Helmut Kohl war für mich die Leitfigur in meinem politischen Leben und Handeln. Mit 12 Jahren zum ersten Mal im Wahlkampf 1976 Handzettel verteilt - mit 18 im Wahlkampf 1983 die Wende bestätigt und natürlich dann der Wahlkampf 1990, bei dem ich die Ernte seines politischen Lebens mit einfahren durfte. Es wird keinen Politiker mehr geben, der so viele Meilensteine für Deutschland und Europa hinterlassen wird. Danke und R. I. P Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl.
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